Kreuztal. Städtische Einrichtungen bewältigen die Pandemie. Veranstaltungssaison startet um ein Jahr versetzt.

Die städtischen Kultureinrichtungen richten sich auf den Neustart nach der Corona-Pandemie ein. Sie berichteten jetzt im Kulturausschuss. „Alle haben Wege gefunden, Kultur stattfinden zu lassen“, sagte Kulturamtsleiter Holger Glasmachers, „das kann man gar nicht hoch genug anrechnen.“ Vor allem, weil an manchen anderen Orten die Kulturarbeit einfach komplett eingestellt wurde.

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Bibliothek

„Wir hatten großes Glück“, meint Leiterin Linda Donalies. Bis auf eine vierwöchige Komplettschließung ab Mitte Dezember konnte zumindest immer ein Abholangebot aufrecht erhalten werden, bevor dann ab April für die begrenzte Besucherzahl von 30 Personen geöffnet werden konnte. Über den Abholservice wurden im Schnitt 80 Bücher täglich ausgeliehen, bei normaler Öffnung wären es 400 gewesen. „Wir haben häufig Buchpakete zusammengestellt. Dadurch haben die Leute viele neuen Autoren entdeckt.“ Bis alle geimpft sind, arbeiten die Mitarbeiterinnen in zwei Teams; solange bleibt die Bibliothek auch mittwochs geschlossen.

15 Monate sitzungsfrei

Die Lockdowns treffen auch die Politik: Für den Kulturausschuss war es die erste Sitzung seit 15 Monaten. Den Ausschuss, dem jetzt das Protokoll vom 4. Februar 2020 vorgelegt wurde, gab es damals noch gar nicht – er wurde erst nach der Kommunalwahl im September 2020 neu gebildet. „Wir hätten mit einem Sektempfang beginnen müssen“, findet der alte und neue Vorsitzende Jochen Schreiber (SPD). Aber auch das ist noch nicht wieder erlaubt.

Alle zwei Wochen meldet sich die Bibliothek mit dem Podcast „Bibliothek begeistert“, mit einer breiten Themenpalette von Autismus bis Strandlektüre, Muttertag bis Schule. „Wir fangen jetzt auch an, Leute aus der Gegend als Gäste einzuladen“, berichtet Linda Donalies über die Pläne mit diesem neuen Medium. Für den Sommer ist eine Folge mit Jugendlichen aus dem Sommerleseclub geplant. Das reguläre Angebot mit Lesespatzen und Bilderbuchkino startet in Kürze – möglich wird das mit Erreichen der Inzidenzstufe 1 ab Freitag. Und dann steht auch die Planung für ein Fest an: Im Mai 2022 wird die Stadtbibliothek, die 1997 in der Gelben Villa in Dreslers Park eröffnet wurde, 25 Jahre alt.

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Musikschule

„Der Unterrichtsbetrieb normalisiert sich“, stellt Leiter Ralf Stiebig fest. Sechs Wochen war die Musikschule beim ersten Lockdown komplett zu, nach und nach wurden Online-Angebote eingeführt. Inzwischen wird auch wieder Präsenzunterricht erteilt, „nach wie vor nicht in allen Kursen“. Am längsten warten müssen die Angebote für 18 bis 36 Monate alte Kinder und ihre Eltern und die musikalische Früherziehung. „Ein Jahrgang ist uns komplett entfallen“, sagt Ralf Stiebig. Auch die Chöre müssen noch pausieren, unter ihnen auch die Jekiss-Gruppen an den Schulen. Aktuell wartet die Musikschule noch auf die Rückkehr von rund 50 Schülern, die sich während der Pandemie haben beurlauben lassen. „Wir haben ein bisschen Hoffnung, dass nach den Sommerferien wieder mehr möglich wird.“

Die Lust am Neuanfang ist groß: Der Instrumentalzweig am Gymnasium sei jetzt schon mit 20 Kindern belegt, berichtet Ralf Stiebig, „das hatten wir um diese Zeit noch nie.“ Im Keller der Gelben Villa werden nach den Ferien erstmals auch Bandprojekte für Jugendliche und junge Erwachsene starten. Neu ins Angebot kommen Gitarrenkurse für Erwachsene zur Liedbegleitung von Popmusik. „Früher gab es das schon bei der VHS mit Volksliedern.“ Und mit dem Instrumental- und Ensembleunterricht für Senioren „betreten wir für uns völliges Neuland.“ Flöte, Akkordeon, „eventuell ein bisschen Percussion“ für Anfänger und Wiedereinsteiger stehen auf dem Lehrplan. „Ich bin sehr gespannt.“

Spitzentanz

Britta Papp ist mit dem nun selbstständigen, aus der Musikschule herausgelösten Institut gleich zum Start in die Krise geschliddert. „Das war aufregend und beängstigend.“ Schon in der ersten Lockdownwoche habe sie Anleitungsvideos produziert, dann den Unterricht per Zoom fortgeführt. Wichtig seien Social Media, von Instagram bis Tiktok, geworden: Da wurden Challenges gestartet, da wurde mit Kostümen getanzt. „Ich wollte möglichst niemanden verlieren.“ Sehr bald konnte „Spitzentanz“ in der Halle D in der Stählerwiese weitergehen, wo trotz Abstandsregeln Platz auch für die größtem Kurse mit 30 Teilnehmern war. Im Sommer wurde draußen getanzt, sogar bei wenigen Veranstaltungen. Im November kam dann der nächste Lockdown.

Im Online-Unterricht habe sie sogar neue Teilnehmer gewonnen, berichtet Britta Papp, „die habe ich bis heute noch nicht gesehen.“ Nach sieben Monaten Lockdown seien die ersten Präsenzveranstaltungen möglich geworden: zunächst mit fünf Kindern, die anderen wurden zugeschaltet, seit voriger Woche wieder alle zusammen in Halle D: „Die Kinder strahlen mich alle an.“ Insgesamt 300 Kinder und Jugendliche sind bei „Spitzentanz“ angemeldet. Am 29. August wollen sie bei „Dance & Sing“ in Dreslers Park auftreten, am 14. November beim Finale des Projekts „Your Story“.

Kreuztalkultur

Der Auftritt von Fritz Eckenga am 4. Oktober in der Otto-Flick-Halle war die letzte Veranstaltung von Kreuztalkultur. „Ich hätte nie gedacht, dass die ganze Spielzeit ausfallen muss“, sagt Kulturamtsleiter Holger Glasmachers. Geahnt haben muss er das aber wohl: Alle Veranstaltungen, die abgesagt werden mussten, wurden direkt um ein ganzes Jahr und nicht nur um ein paar Monate verschoben. „Das hat sich als segensreich herausgestellt.“ Nur 15 bis 20 Prozent der Tickets seien zurückgegeben worden, „ich hatte mit der Hälfte gerechnet.“

Im Herbst startet die Spielzeit 2021/22 mit den 32 Veranstaltungen aus dem Programm von 2020/21, das auch bei einer Rückkehr in die Inzidenzstufe 2 stattfinden könnte – trotz doppeltem Handicap. Denn nicht nur die Pandemie erschwert die Planung, sondern auch das „Tour der Kultur“ genannte Dauerprovisorium mit Ausweich-Veranstaltungsorten. „Uns fehlt das Bürgerforum“ – die erweiterte Stadthalle, die in diesem Jahr fertig werden soll. Veröffentlicht wird der Spielplan erst nach den Sommerferien. Dann wird der Kreuztalsommer fast zu Ende sein, der in Dreslers Park auch etwas anders als sonst stattfinden wird: statt im Musikpavillon auf der eingezäunten Wiese hinter der Weißen Villa, um den Zugang kontrollieren zu können. Holger Glasmachers: „Wir werden das so sicher gestalten, dass niemand Angst haben muss, infiziert nach Hause zu kommen.“

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