Hilchenbach. Hilchenbach denkt an zentrale Wärme für ein Muster-Quarter. Neustart mit Ladesäulen für Elektrofahrzeuge.
Die Stadt Hilchenbach bleibt europäische Klimaschutzkommune. Im 2020 vorgenommenen Audit hat sie 58,1 Prozent der erreichbaren Punkte bekommen – 50 braucht sie mindestens für den European Energy Award (eea), den die Stadt 2011 zum ersten Mal errungen hat und alle vier Jahre verteidigt.
„Das ist nicht selbstverständlich“, betont Thomas Pöhlker vom Büro Energielenker, der Hilchenbach seit dem Einstieg in das Programm begleitet – auch im Kreis Siegen-Wittgenstein kommt es vor, dass eine Kommune in diese Hürde nicht schafft. Knapp 400 Kommunen in Deutschland sind beim eea dabei und unterziehen sich alle vier Jahre der Prüfung in insgesamt 76 Maßnahmenbereichen. Etwa jede zehnte schafft die Gold-Zertifizierung mit mehr als 75 Prozent der Punkte, mehr als 93 Prozent hat noch keine geschafft.
+++ Mehr Nachrichten aus Siegen und dem Siegerland finden Sie hier!+++
Klimakommune: Windenergie braucht Zeit
„Ziele sind das eine“, sagt Thomas Pöhlker im Ausschuss für Klima und Umwelt, „sie müssen aber auch erreicht werden“ 2012, als sie ihr Klimaschutzkonzept verabschiedete, hatte die Stadt sich vorgenommen, bis 2025 die CO2-Erzeugung um 30 Prozent abzubauen, bis 2020 den Anteil der erneuerbaren Energien auf 60 Prozent heraufzusetzen und die Verwaltung bis 2022 klimaneutral zu machen. „Wir waren natürlich guten Mutes“, berichtet Baudezernent Michael Kleber am Beispiel der Windenergie: Seit 2011 liefen immerhin die Planungen für einen weiteren Windpark, für den es jetzt gerade positive Teil-Bauvorbescheide gebe. „Wir dürften das Ziel erreichen, nicht 2020, aber 2022.“ Bei der CO2-Erzeugung hat die Stadt messbare Fortschritte gemacht: Jahr für Jahr bei öffentlichen Gebäuden fünf Prozent weniger.
Klima und Umwelt
Der neue Ausschuss für Klima und Umwelt tagt, gut acht Monate nach der Kommunalwahl, zum ersten Mal. Er hat Aufgaben des früheren Stadtentwicklungsausschusses übernommen. Auch Klimawelten und Forstamt sind mit beratender Stimme vertreten. „Es war an der Zeit“, sagt Vorsitzender Torsten Klotz (CDU). Schon der Blick auf die Wälder zeige, „dass wir keine Zeit mehr verlieren können.“ Aufgabe des Ausschusses werde es sein, „die Klimakommune weiter mit Leben zu füllen“ – wozu auch die Sicherung heimatnaher Arbeitsplätze einen Beitrag leiste. „Es ist wichtig, dass wir die Menschen mitnehmen.“
Wärmeplanung: Schneller klimaneutral
Am besten schneidet die Stadt im eea-Audit bei der Entwicklungsplanung und der internen Organisation des Klimaschutzprozesses ab, am schwächsten in den Bereichen Ver- und Entsorgung und Mobilität. Neben der Umsetzung eines Radverkehrskonzepts rückt die Wärmeplanung nun in den Vordergrund. Immerhin würden 60 Prozent der Energie bei den Endabnehmern für die Wärmeerzeugung verbracht, stellt Matthias Simon (Grüne) fest und bringt als Möglichkeit die Planung von Wärmenetzen ins Gespräch, bei denen mehrere Haushalte Anlagen zur Wärmeerzeugung – zum Beispiel Photovoltaik, Wärmepumpen oder Bioenergie – gemeinsam nutzen. „So kann man Klimaneutralität wesentlich schneller herstellen.“
Bei öffentlichen Gebäuden läuft das Bereich: Die fünf Schulen und Hallen auf dem Schulhügel werden über ein Nahwärmenetz mit Holz beheizt. Dabei habe die Stadt daran gedacht, auch das Neubaugebiet in den Rothenberger Gärten mit einzubeziehen, erinnert Baudezernent Michael Kleber: „Das ist an den Eigentumsverhältnissen gescheitert.“ Matthias Simon (Grüne) weiß, dass Überzeugungsarbeit zu leisten ist: „Das ist ein Haustürgeschäft, das macht man nicht mal so nebenbei.“
Quartierkonzept mit Management
eea-Berater Thomas Pöhlker weist darauf hin, dass für ein neues Wärmenetz vor allem ein Betreiber gebraucht werde. „Alles andere ist lösbar.“ Rechnen werde sich die Einrichtung schon ab einer Anschlussquote von 30 Prozent – weitere Teilnehmer kämen immer dann dazu, wenn die eigenen Heizungen erneuerungsbedürftig werden. Für ein Quartierkonzept - in einem Ortsteil, wie zum Beispiel schon einmal für Grund durchgespielt, oder in einer Siedlung - würde die Stadt über bis zu fünf Jahre 75 Prozent der Personalkosten bezuschusst bekommen. Das wäre dann das Wärme-Sanierungsmanagement, „die Energieberatung von Tür zu Tür“. Und für Hilchenbach, zumindest in einem Teilbereich, die Rückkehr des Klimaschutzmanagements, nachdem die Stelle 2016 vakant und nicht wieder besetzt wurde.
Skeptische Stimmen gibt es aber auch. In Neubaugebieten sei ein Wärmenetz vielleicht durchsetzbar, im Baubestand aber „extrem schwer“, glaubt Peter Kraus (UWG). „Genauso könnte man beschließen, dass in Altenteich nur noch grüne Filzpantoffeln getragen werden“, spottet Christoph Rothenberg (FDP). „Der Bürger muss sich gegängelt vorkommen“, sagt Birgit Weiß (SPD), „als ob er zu blöd wäre, für sich selbst zu entscheiden.“
+++ Lesen Sie auch: Hilchenbacherin macht Klimabildung zum Lebensthema +++
Ladesäulen
Bewegung zeichnet sich auch bei einem anderen Thema ab: Die Stadt nimmt die Planung für eine öffentliche Lade-Infrastruktur für Elektrofahrzeuge wieder auf; diesen Antrag der Grünen beschloss der Ausschuss einstimmig. Dass die Stadt schon einmal Fördermittel zurückgeben musste, weil sie den Eigenanteil nicht finanzieren konnte, „habe ich damals schon bedauert“, sagt Christoph Rothenberg (FDP). Das dürfe bei einem Neueinstieg nicht wieder passieren, mahnte Bürgermeister Kyrillos Kaioglidis.
Derzeit gibt es im Stadtgebiet nur zwei nicht öffentliche Ladesäulen. Auf dem Parkplatz hinter dem Rathaus werden nun die Siegener Versorgungsbetriebe auf eigene Rechnung eine Station errichten. Ansonsten dürfe die Stadt auf ein Engagement der Energieversorger nicht allzusehr zählen, glaubt der Bürgermeister: „Wir haben unser Stromnetz schließlich rekommunalisiert“ - vier Kommunen halten 51 Prozent der Anteile an der regionalen Netzgesellschaft. Rolf Schmitt, Sachgebietsleiter Hochbau, erinnert: Neben dem Rathaus-Parkplatz stehen der Parkplatz 4 an der Rothenberger Straße, die Nahkauf in Dahlbruch, der Gerberpark und der Bahnhof auf der Liste der Wunsch-Standorte: je Station 12.000 bis 16.000 Euro Investitionskosten, maximale Förderung 4000 Euro. Aktuell stehen im städtischen Etat 25.000 Euro zur Verfügung.
+++ Lesen Sie auch: Stadt will mehr tun in Sachen Klimaschutz +++
Wohl eher keine Lösung für Hilchenbach ist das Konzept von me Energy, das auf Anregung der UWG vorgestellt wurde: Ethanol und Methanol, die in 2000-Liter-Tanks gefüllt werden, werden über einen Generator an der Ladestation in Strom verwandelt. Das geht schnell und ist unabhängig vom Stromnetz, nennt Dirk Halfmann, der das junge Unternehmen vertritt, die entscheidenden Vorteile – die Kosten sind es nicht, die Umweltbilanz auch nicht. „Auf einem Wanderparkplatz könnte ich mir das vorstellen“, sagt Christoph Rothenberg (FDP), sozusagen als Notversorgung für einen Pkw mit leer gefahrener Batterie, nicht jedoch am Hilchenbacher Bahnhof. Matthias Simon (Grüne) urteilt vernichtend: „Ich halte das für Quatsch.“
+++Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook!+++