Herborn. In unserer Serie „Siegen plus eine Stunde“ stellen wir Ziele vor, die aus dem Siegerland gut in einer Stunde erreichbar sind. Heute: Herborn.
Nur noch Schikanen aus Beton, die die Geschwindigkeit der Fahrzeuge drosseln sollen, erinnern oberhalb von Herborn an das Jahr 1987, als einem Tankwagen auf der abschüssigen Bundesstraße von der A 45 Richtung Stadtmitte die Bremsen versagten und er vor einer Eisdiele explodierte. Sechs Tote waren zu beklagen, zwölf Häuser wurden durch Flammen zerstört. Nach fast 35 Jahren lebt diese Katastrophe für die meisten Herborner nur noch in der Erinnerung und die Stadt erscheint schöner denn je. Zumal Herborn von Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg weitgehend verschont blieb.
In Herborn dominieren Fachwerk und Schiefer das Straßenbild
Natürlich sind es die wunderbar restaurierten Fachwerkhäuser, die den Besucher beeindrucken. Deren rote Balken und der weiße Verputz machen gemeinsam mit kunstvoll verschieferten anderen Gebäuden Herborn zu einem Gesamtkunstwerk. Aufdringliche Leuchtreklame findet man in der Innenstadt nirgends und gerade deswegen gerät ein Bummel über das Kopfsteinpflaster herrlich unaufgeregt. Und so taucht der Gast mit aller Ruhe in das Leben der mit etwa 10.000 Einwohnern eher kleinen Stadt ein, schlendert an den Schaufenstern der kleinen Läden vorbei. Ein Stadtplan ist nicht nötig. Man findet auch so alles Sehenswerte, zumal Texttafeln und Schilder viele Informationen geben.
Unsere neue Serie
Corona? Urlaub? Wir wünschen Ihnen, dass die Reise an Ihr Traumziel klappt. Vielleicht wollen Sie aber auch in den nächsten Wochen noch gar nicht in die Ferne schweifen. Dann haben wir für Sie ein paar Tipps: Ziele, die Sie von Siegen und dem Siegerland aus in gut einer Stunde erreichen können.
Schon lange nicht mehr in Marburg gewesen? Da kann man sogar wieder durchgehend mit dem Zug hinfahren. Lust auf Burgen? Nach Greifenstein und Münzenberg ist es gar nicht so weit. Oder mal Lust, Baumwipfel von oben anzusehen? Das Panarbora im Bergischen Land kennen Sie bestimmt nicht.
Der Besucher bleibt an den lebensgroßen Skulpturen von Herborner Originalen stehen: Dem beleibten Ferdinand Nicodemus, Feuerwehrhauptmann, Stadtverordneter und Redakteur der Lokalzeitung in einer Person. Oder von Marie Cyriax, auch „Katzenmarie“ genannt wegen ihres Beschützerinstinkts für herrenlose Katzen. Vor allem aber vom kleinwüchsigen „Heinzche“, der von 1926 bis 1996 lebte und der für die örtlichen Ladenbesitzer gerne Botengänge machte. Alle diese Figuren hat der Herborner Künstler Christof Oester so lebensecht gestaltet, dass man meint, sie würden sich jeden Moment in Bewegung setzen können – wenn sie nicht aus Bronze wären.
Die Hohe Schule zu Herborn: Erste reformierte Hochschule in Deutschland
So kommt der Besucher über den Marktplatz und am Heumarkt vorbei fast zwangsläufig auch zur „Hohen Schule“, 1584 als damals einzige reformierte Hochschule Deutschlands gegründet – also eine kleine theologische Universität –, an der fast 250 Jahre lang gelehrt wurde und deren prominentester Student der spätere Pädagoge Comenius war. Eine ähnliche Bildungseinrichtung ist seit dem Zweiten Weltkrieg im über der Stadt gelegenen Schloss untergebracht: Das Theologische Seminar der Ev. Kirche von Hessen-Nassau.
Auf dem Weg von der Hohen Schule dorthin entdeckt man Originelles, vor allem das „Hochzeitshaus“: Nachdem die Herborner Bevölkerung durch den Dreißigjährigen Krieg und die anschließende Pest arg dezimiert war, wollte der Rat der Stadt jungen Leuten einen Anreiz geben, eine Familie zu gründen. Dazu durfte das Brautpaar dieses kleine Haus vier Wochen lang kostenlos bewohnen. Das „Hochzeitshaus“ kann auch heute noch von jungen – und auch reiferen – Paaren als Ferienwohnung genutzt werden. Natürlich gegen Bezahlung.
Die Herborner haben Humor – und guten Geschmack
Es gibt noch mehr in Herborn zu entdecken: die Stadtkirche, ein steinernes Monument mit beeindruckender Akustik, etwa auf einer Höhe mit dem Schloss gelegen. Aber auch wenn man durch die von der Hauptstraße abgehenden Gässchen geht, die so schmal sind, dass dort nie ein Sonnenstrahl hineinscheint und man meint, die Häusergiebel würden irgendwo Richtung Himmel zusammenstoßen. In einer der Gassen hat ein Anwohner seinem Ärger über die teure Renovierung seines Hauses Luft gemacht, und zwar ganz stilecht ins Fachwerk eingearbeitet: Einen „Geldscheißer“, den man braucht, um sein Haus so wunderbar zu erhalten. Die meisten Herborner aber scheinen einen solchen gehabt zu haben, so schön sehen die alten Gebäude aus.
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Der Besucher der Stadt schmunzelt darüber, ebenso über die wortschöpferische Kreativität einer Friseurin („Hairborn“), freut sich nach beendetem Rundgang durch 1000 Jahre Stadtgeschichte über die Dichte und Qualität der Eissalons und die Cafés auf dem Marktplatz, von denen aus man entspannt das kleinstädtische Treiben beobachten kann. Und wer dann noch besonders stilvoll speisen möchte: Das Restaurant „Hohe Schule“ ist für seine gute Küche und die prachtvollen Weine weit gerühmt.
Tipps in und rund um Herborn
Der Wochenmarkt ist immer am Freitag von 7 Uhr bis 18 Uhr.
In Herborn-Uckersdorf befindet sich ein absolut lohnender Tierpark. Besuche zur Zeit nur mit Online-Reservierung.
Anfahrt: Mit dem Auto am besten über die A 45 in Richtung Gießen, Ausfahrt Herborn. 45 Kilometer, etwa 35 Minuten Gesamtfahrzeit ab Siegen. Oder mit dem Zug ab Siegen Richtung Frankfurt. Der Bahnhof Herborn liegt nur fünf Geh-Minuten vom Marktplatz entfernt.
Karten für Phänomenta in Lüdenscheid zu gewinnen
Unsere Serienfolge am 23. Juli führt nach Lüdenscheid. Attraktion dort ist die Phänomenta. Auf 4000 Quadratmetern des Erlebnismuseums warten rund 200 Experimentierstationen darauf, erforscht und ausprobiert zu werden. Die interaktive Ausstellung bietet Experimente zu Physik, Mathematik oder Technik: Roboter Lüdia, die riesige Kugelbahn, Flaschenzugsitze und das größte Kaleidoskop Europas.
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