Siegen. Nach Abflachen der Pandemie erwartet das Siegener Tierheim viele Neuzugänge. Was man sich vor einem Haustierkauf gründlich überlegen sollte.

Hugo hat Glück. Nach nur vier Wochen Tierheim haben sich Besitzer für den Rottweiler gefunden – trotz erschwerter Vermittlungsbedingungen durch Corona. Im Siegener Tierheim herrscht die Ruhe vor dem Sturm, denn Leiter Tobias Neumann ist sich sicher: „Tiere werden zur Zeit vermehrt falsch angeschafft.“ Er befürchtet, dass nach Abflachen der Pandemie eine Welle an Tierabgaben bevorstehe – wenn man das Homeoffice verlassen und wieder reisen dürfe.

Tierheim Siegen renoviert Hundehäuser

Dabei habe das Siegener Tierheim jetzt schon seine Kapazitäten fast erschöpft. Wegen Umbaumaßnahmen müsse der Tierbestand „im unterem Bereich“ gehalten werden, so der Tierheimleiter. Normalerweise schwanke der Durchlauf an Heimtieren im Jahr um die 2000 bis 2500 – darunter auch Schafe und Ziegen. Da die Hundehäuser aktuell renoviert werden, müsse man die Zahl der Hunde „im kleineren Maß halten, bei maximal 30.“ Sollte sich die Sorge vor einer Tierabgabe-Welle nach Corona bewahrheiten, seien diese begrenzten Kapazitäten ein Problem.

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Dazu komme der finanzielle Engpass, den die Pandemie mit sich bringe. Keine Vereinsaktivitäten: weniger Spenden. Tobias Neumann zählt auf: „Offene Sonntage, Sommer- und Frühlingsfest – bei Stadtfesten und Weihnachtsfesten vertreten zu sein, das fällt ja alles flach.“ Allein durch die ausfallenden Veranstaltungen seien es im Jahr 30.000€ an Spenden weniger. Zwar versuche das Tierheim über Social Media und die Homepage, mit kleinen Videos Spenden zu generieren. Was dabei rumkomme, sei aber nicht vergleichbar.

Corona-Hilfe fürs Siegener Tierheim vom Bundesumweltministerium

Vor Kurzem konnten Tierheime, so auch das Siegener, Förderanträge ans Bundesumweltministerium stellen. Die einmaligen Corona-Hilfen in Höhe von 7500€ seien jedoch schnell verpufft: „Einem kleineren Tierheim ist dadurch vielleicht ausgeholfen. Bei uns fängt die Summe höchstens die Mehrausgaben für Masken, Schnelltests und Desinfektionsmittel auf.“

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Während sich für Hugo relativ schnell neue Besitzer finden konnten, sieht es für andere, verhaltensauffällige Tiere schwieriger aus. Bedingt durch die Corona-Schutzmaßnehmen sei die Vermittlung generell komplizierter, sagt Tobias Neumann: „Man versendet Bilder vom Tier, macht nur einen einzigen Termin zum Abholen aus“,statt wie normalerweise mehrere Treffen, an denen sich Menschen und Tiere annähern können – auch die nicht ganz so umgänglichen. Genauso unterliege das Gassi-Gehen bestimmten Maßnahmen: Nach einer Online-Schulung und einer Eins-zu-Eins-Einweisung können Ehrenamtliche aber weiterhin die Hunde ausführen. „Es dauert nur halt alles etwas länger und ist aufwendiger“, berichtet Tobias Neumann.

Tierheimleiter: Haustier-Anschaffung darf keine Spontanaktion sein

Grundsätzlich verlange der Prozess, sich ein Tier zuzulegen, Zeit. Jeder müsse sich gut überlegen: „Was sind meine eigenen Bedürfnisse? Was sind die Folgen von einem Haustier? Eine solche Anschaffung darf keine Spontanaktion sein.“ Für regelmäßige Hotel-Urlauber sei ein Hund beispielsweise eher nicht das Richtige. Zudem müsse man sich Tiere finanziell leisten können – man denke an Tierarzt- und Betreuungskosten.

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„Jetzt, wo für viele kein Urlaub möglich ist, kaufen manche ihren Kindern Kaninchen als Trostpflaster. Die werden aber auch um die zehn Jahre alt, das sollte man bedenken“, ergänzt Tobias Neumann. „Der Tag wird kommen, an dem Feiern, Kino und so weiter wieder möglich ist. Dann werden viele ihre Tiere wieder abgegeben“, prophezeit er. Tiere zu halten sei kein Grundrecht – es sei genau umgekehrt: „Ich hole mir ein Lebewesen und das hat Grundrechte. Ich muss mich fragen: Bin ich in der Lage, die zu erfüllen?“

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