Vormwald/Siegen. Vor dem Landgericht Siegen werden die Plädoyers im Prozess gegen den geständigen Täter gehalten: „Aus Habgier und Mordlust grausam getötet“
Staatsanwalt und Verteidigerin sind sich in ihren Plädoyers einig: Der 20-Jährige hat gestanden, in der Nacht zum 24. August 2020 in Hilchenbach einen alten Mann brutal erstochen zu haben – damit hat er einen Mord begangen, ohne schuldig zu sein. Wegen anhaltender Gefährlichkeit infolge einer psychischen Erkrankung soll er für die nächsten Jahre in einer entsprechenden Einrichtung untergebracht werden.
Staatsanwalt Fabian Glöckner sieht nach der angekündigten Beschränkung der Anklage auf das Mordgeschehen dies „voll umfänglich“ erwiesen. Eindeutiger wäre nur ein Geständnis auch vor Gericht gewesen, so Glöckner. Der Angeklagte habe sein Opfer „aus Habgier und Mordlust grausam getötet“ – drei Mordmerkmale. Der Täter sei ins Haus eingestiegen, um sich Drogen oder Wertgegenstände zu verschaffen, habe sein Opfer mit 70 Stichen und Schnitten weit über das Maß verletzt und gequält. Zudem habe er vorher mehrfach den Wunsch geäußert, einen Menschen zu töten – ein Drang, den er an diesem Abend in die Wirklichkeit umgesetzt habe.
Gutachter: Tötungsfantasien ja – tatsächliche Tötung aber „völlig wesensfremd“
Psychiater Dr. Brian Blackwell hatte in seinem Gutachten eine chronische paranoide Schizophrenie beim Beschuldigten festgestellt, der während der Tat psychotisch gewesen und bei dem ein völliger Verlust der Steuerungsfähigkeit nicht ausgeschlossen werden könne. Der Gutachter bejahte die Tötungsfantasien, die tatsächliche Tötung eines Menschen sei ihm zugleich aber völlig wesensfremd. Glöckner sieht beim Beschuldigten eine Wesensentfremdung durch Krankheit und schwere Drogenabhängigkeit: Er habe töten wollen, das Opfer sei einfach zufällig am falschen Ort gewesen. Der Ankläger betont die klaren Hinweise durch viele DNA-Spuren, durch die beim Angeklagten sichergestellte Kleidung, die dem Opfer gehörte und dass er E-Bikes über den PC des Getöteten bestellt habe. Für irgendeine Straftat des Opfers gebe es keine Beweise, weder in Sachen Drogen noch Pädophilie. Ebenso lägen keine Hinweise auf einen Mittäter vor.
Verteidigerin Julia Kusztelak stimmt in Vielem zu, ruft aber die problematische Vergangenheit ihres Mandanten in Erinnerung. Der sei schon früh immer wieder gehänselt worden, habe großes Bedürfnis nach Anerkennung und Zugehörigkeit gehabt. Dafür habe er alles getan, sei durch eine Intelligenzminderung sehr beeinflussbar. Ob es bei der Tat solche Einflüsse gab, sei nicht feststellbar.
Angeklagter wollte bei „Findet Nemo“ helfen – Wasser über TV geschüttet
Der junge Mann habe früh mit Drogen begonnen, womöglich als Selbstmedikation gegen die früh einsetzende Krankheit, deren Fehldiagnose im Sommer 2020 gewissermaßen tragische Folgen gehabt hätte. Kusztelak verweist auf die mitfühlende Seite des Beschuldigten; etwa als er den Film „Findet Nemo“ ansah und dem Fisch helfen wollte, indem er Wasser über den Fernseher schüttete. Bei der grausamen Tötung hat sie aufgrund der durch die Krankheit verzerrten Wahrnehmung der Realität ihres Mandanten ein Problem: Der habe die Dinge womöglich subjektiv anders gesehen. Er sei von der Krankheit getrieben gewesen, mit dem zusätzlichen Druck der Sucht in einer extremen Zwangslage: „Er war gequält, konnte dem nicht mehr standhalten. Es hat sich an diesem Abend entladen!“ Letztlich ist auch die Anwältin für die Unterbringung. Nur eine langjährige Behandlung könne ihm helfen und ihn vor ähnlichen Taten bewahren, die jederzeit befürchtet werden müssen.
„Ich schließe mich meiner Anwältin an“, sind die ersten Worte, die der Angeklagte im Verfahren spricht. Und es ist zugleich sein letztes Wort. Die 2. Große Strafkammer will das Urteil am Freitag, 7. Mai, verkünden.
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