Siegen. Lena Hugger initiiert Projekt in der Kölner Straße in Siegen: „Man begegnet sich nicht mehr, die Leute reden nicht miteinander – zwangsläufig.
In der Kölner Straße gibt es endlich wieder was zu sehen: Musik und Performance wecken Neugier auf „Dimensions of Dialogue“ am Samstag, 24. April, in der Kölner Straße in Siegen und verleiten so einige Passanten zum Stehenbleiben, am Ende sind gut 60 Kunstbegeisterte vor Ort, einige geplant, andere spontan.
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Lena Hugger veranstaltet mit ihrem Kunstprojekt „Manege“ auch zu Pandemiezeiten immer wieder kulturelle Ereignisse. „Mir geht es um die Erzeugung eines Dialogs“, sagt die Siegener Künstlerin, „man begegnet sich ja nicht mehr so viel, die Leute reden nicht miteinander, weil das kulturelle Leben so beschränkt ist. Es ist ja durchaus eine fragwürdige Angelegenheit, wenn großkapitalistische Firmen einfach weiterarbeiten können, aber hier alles zu ist. Mir geht es um das kulturelle Weiterleben, das ist wichtig“. Den Dialog will Hugger auf mehreren Ebenen wecken, hat dazu Kunstschaffende eingeladen.
Zu Club-Musik an der Kölner Straße stehen – statt zu tanzen
„Taktell“ und „Marzannadrowning“ legen mit „Sounddialog“ einen gut zweistündigen Grundstein der Veranstaltung; irgendwie Kunst, irgendwie auch Feier und auf jeden Fall Begegnung. Die Stücke sind vorbereitet, die Übergänge improvisiert. Die Musik klingt nach lange vermisster Partyzeit, was ohne Club seltsam anmutet in der ansonsten eher ruhigen Oberstadt: Getanzt wird nicht, nur zugehört, mit Abstand, alleine oder in Kleingrüppchen. Marzannadrowning macht das aber nichts aus: „Es ist schon irgendwie interessant. Im Club ist es ja eher etwas dunkler, laut, die Leute bewegen sich und stehen dicht zusammen. Aber das ist hier ja ganz anders. Unsere Aktion dekonstruiert das Club-Setting. Und wenn man so in der Öffentlichkeit spielt, und alle sehen einen und hören auch richtig zu, dann ist da für mich schon mehr Druck, wirklich das Beste zu geben. So will ich Kunst machen“.
Der Sounddialog begleitet die künstlerische Darbietung von Johanna Dörr und Jana Velasquez Zuñiga, die das leere Schreibwarengeschäft an der Kölner Straße zwischenzeitlich in ein „Performance-Labor“ verwandeln. Hier haben sie über Wochen experimentiert; aus einer Idee erwächst die Aufführung. Zur Manege-Kundgebung haben sie sich vom Thema „Dialog“ inspirieren lassen und kommunizieren über die Augen. Dazu halten sie sich Spiegel vor das Gesicht, schauen darüber einander in die Augen, halten Blickkontakt.
Hemmschwelle für Reden in der Öffentlichkeit mit schwarzer Kiste überwinden
Zu Ton und Blick gesellt sich ein drittes Künstlerteam: Hagen Keller aus Düsseldorf und Fabian Laute aus Köln sind mit ihrer zwei Meter großen, etwas mysteriösen schwarzen Kiste vertreten: dem Lautsprecher. Keller hat eine Rede vorbereitet, die über den Lautsprecher abgespielt wird. Menschen können die Kiste betreten, dort in ein Mikrofon sprechen, geschützt vor den Blicken des Publikums. Der Ton wird über Lautsprecher nach draußen getragen.
„Im Lautsprecher ist man verborgen und doch im öffentlichen Raum. Viele trauen sich ja nicht so richtig, in der Öffentlichkeit zu sprechen. Mit dem Lautsprecher wollten wir da die Hemmschwelle senken, und das klappt tatsächlich. Wir stellen den an verschiedene Orte in verschiedenen Städten und die Leute gehen rein und sprechen“, erklärt Fabian Laute, der Erbauer. So sind die Besucher nicht nur als Rezipienten, sondern auch als Akteure eingebunden.
Neue ästhetische Erfahrungen für Siegener Publikum
Der vorbeikommende Umsonstzug, eine weitere Aktion am selben Tag, fügt der Veranstaltung noch eine weitere Ebene hinzu: Dialog zwischen verschiedenen Gruppen, Events, Vorhaben. Philip Engelbutzeder vom Umsonstladen führt sein zwischenzeitlich obdachlos gewordenes Projekt eines Ladens zum Tauschen und Verschenken als mobiles Einkaufswagengrüppchens fort. „Wir entziehen den Dingen ihren Preis, sodass Menschen neu über Wertschätzung nachdenken müssen“, erklärt der Wissenschaftler der Uni Siegen.
Als der letzte Ton verklungen, der letzte Blick geworfen und das letzte Wort gesagt ist, zeigt sich Lena Hugger zufrieden. Es wird wohl auch nicht die letzte Kunstaktion der Manege gewesen sein. Ihr Ausstellungsraum ist zwar inzwischen Geschichte, das trübt Huggers Stimmung aber nicht: „Ich mag die Öffentlichkeit, den öffentlichen Platz, und ich mag diese Idee des Nomadischen. Das ist doch auch wichtig: die Leute brauchen vielleicht gerade jetzt eher mal eine neue ästhetische Erfahrung als ein neues Auto“.
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