Siegen/Hilchenbach. Schnapsidee: Die Bürogemeinschaft Bergwacht aus Siegen und die Vierhasen-Brennerei aus Hilchenbach entwickeln eine Spirituose, fürs Heimatgefühl.

Wie würden Siegen und das Siegerland schmecken, wenn sie ein Gin wären? Zuerst bitter vielleicht, dann fruchtig? Nach Wald, kernig; scharf, dann süß? Im ersten Moment womöglich „ups“ – und dann „mehr davon“? Der Bergwacht-Gin könnte so einer sein, eine Spirituose wie Siegen und das Siegerland. Ausgedacht hat sich die „Schnapsidee“ eine Bürogemeinschaft aus Niederschelden, destilliert ein ehemaliger Bürgermeister aus Hilchenbach.

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Denn es war eine Schnapsidee. Sagen sie selber. Guido Müller ist Gin-Fan. Seine Büro-Mitbewohner der „Bergwacht“ in Niederschelden, Sinje Cramer und Christian Klein, eher nicht so. Aber vergangenes Weihnachten, wie sie da so im Büro saßen, kamen sie alle mehr und mehr auf den Geschmack: „Es gibt keinen Gin aus Siegen“, meinte Guido Müller. Das wollten sie ändern. Denn jede Großstadt, die was auf sich hält, hat einen eigenen Gin. Und der Siegener Wacholderschnaps, klar, sollte dann bitte auch nach Siegen schmecken. Wacholder und Berge passte schonmal, damit war der Name klar.

Bergwacht-Gin aus dem Siegerland mit Salbeigamander aus dem Hauberg

Marketing können sie in der Bergwacht, Schnaps brennen eher nicht. Aber das kann Hans-Peter Hasenstab in seiner Vierhasen-Brennerei, mehrfach prämiert und ausgezeichnet. Seit Gründonnerstag läuft die Zusammenarbeit, einen Monat erst und das Produkt ist fertig. Gin enthält natürlich Wacholder, zweite Zutat war Koriander – und dann brauchte es eine regionale Komponente. Die fand Hasenstab nach zahlreichen Versuchen in Salbeigamander. „Der kommt im Hauberg hoch, wenn die Sonne scheint“, sagt er. Außerdem: Fichte. „Spielt eine zentrale Rolle bei der Komposition“, sagt der Spirituosen-Experte. „Der Waldreichtum des Siegerlands in einer Flasche.“ Etwa neun Stunden braucht Hasenstab für eine Charge mit 60 Halbliterflaschen. Die Destille langsam aufheizen, bis die ersten Tropfen fließen. „Schonende Destillation schont die Aromen“, sagt er.

Gin-Präsentation mit Abstand und kurz ohne Maske: Hans-Peter Hasenstab, Guido Müller, Denise-Severine Weingarten, Christian Klein und Sinje Cramer,
Gin-Präsentation mit Abstand und kurz ohne Maske: Hans-Peter Hasenstab, Guido Müller, Denise-Severine Weingarten, Christian Klein und Sinje Cramer, © Hendrik Schulz

Guido Müller ist der Gin-Purist, seine Bürokollegen bevorzugen eher die Mischung mit Tonic Water. Funktioniert geschmacklich beides hervorragend, finden sie – auch Cramer und Klein, die ja nicht so die Schnaps-Pur-Trinker sind. „Schmeckt nach der ersten ‘Explosion’ im Abgang sehr lieblich“, findet Christian Klein, „gar nicht wie ein Schnaps.“ Hans-Peter Hasenstab stimmt zu: Trotz 44 Prozent Volumenalkohol „ein eher milder Vertreter“.

Empfehlung zur Gin-Verkostung

Wer also den Bergwacht-Gin pur erschmecken will: Zimmertemperatur, erst dran riechen, lange im Mund behalten, dann langsam die Kehle herunterrinnen lassen, empfiehlt Guido Müller, der selbsternannte Gin-Kenner.

Für die Cocktailfreunde eigne sich die neue Tonic-Sorte einer Marke sehr gut, die zu einer großen Siegerländer Brauerei gehört, sagt Sinje Cramer. Hans-Peter Hasenstab kann das bestätigen. „Er funktioniert aber auch mit anderen“, betont Sinje Cramer. Sie haben das gründlich getestet. Zum Aufpeppen, optisch und geschmacklich, empfiehlt sie eine Orangenscheibe und Rosmarin, Denise-Severine Weingarten, Chefin von „Laternchens Weinliebe“ nimmt Zitrone, Orange und einen Fichtenzweig. Selbst gepflückt. Und auch das funktioniert.

Laternchens Weinliebe in Siegen bietet Bergwacht-Gin als erste an

„Laternchens Weinliebe“ im gerade frisch fertigsanierten und wohl schönsten Gebäude Siegens ist der erste Gastronomiebetrieb der Stadt, wo es den Bergwacht-Gin zu verkosten gibt. Wenn er denn wieder öffnen darf. Anderes Thema. Die drei Marketing-Experten von der Bergwacht rührten die digitale Werbetrommel. 137 Flaschen haben sie zunächst abgefüllt, bei Bedarf könnten sie 400 nachlegen.

Ab 1. Mai erhältlich

Verkaufsstart für den Bergwacht-Gin ist Samstag, 1. Mai.

Dazu wird auf der Bergwacht-Homepage ein Online-Shop eingerichtet.

Interessenten können sich schon jetzt per Mail bei den Machern melden: info@bergwacht-gin.de.

Eine Flasche (Inhalt: 0,5 Liter) kostet 34,95 Euro – „im Preisrahmen anderer handgemachter Gins“, sagt Guido Müller.

Neben Wacholder, Koriander, Fichte und Salbeigamander sind weitere „Botanicals“ genannte Zutaten enthalten, etwa Fenchel, Anis, Angelica, Kardamom, Süßholz, Ingwer, Rose, Lavendel, Zitrus, Minze und Zimt.

Informationen auch auf bergwacht-gin.de.

Der Bedarf ist schon vor Verkaufsstart groß, die ersten Anfragen von Gin-Fans aus dem ganzen Land längst eingetroffen, für Verkostungen und Besprechungen etwa. „Die Leute sind in den Sozialen Medien richtig drauf angesprungen“, sagt Sinje Cramer. Es sei ihnen wichtig, in der oft trostlosen Corona-Lage ein kleines Zeichen zu setzen: Dass etwas Neues passiert, etwas Positives; etwas, das für Heimatgefühl steht. Für sie alle sei das nicht nur ein Projekt, sondern ein Herzensanliegen. Viel Geld wollen sie mit ihrem Gin gar nicht verdienen.

Für jede Flasche Bergwacht-Gin wird ein Baum in Siegen und Umgebung gepflanzt

Sinje Cramers Bruder ist Baumpfleger, er konstruierte eine Holzbox mit Brandzeichnung, aus Fichte natürlich. Die kann als Geschenkverpackung dazugekauft werden. Gegen Aufpreis versteht sich. Einzelstück und Handarbeit, genau wie der Gin in der Flasche. Den Bergwacht-Gin kann es in jedem Restaurant geben, das Lust dazu hat – aber dafür muss es halt auch nach was aussehen. „Sobald sie öffnen dürfen, bieten wir den Gin allen Gastronomen an“, sagt Guido Müller.

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Weitere Verkaufsideen haben sie genug. Das Siegener Stadtmarketing plant einen eigenen Souvenirshop, Christian Klein denkt an Weihnachtsgeschenke von Firmen, Freunde, Verwandte. „Ein Stück Heimat für ehemalige Siegener“, sagt Guido Müller.

Fichte ist im Bergwacht-Gin enthalten, aber die Fichte verschwindet zusehens aus dem Siegerland, das zeigt der Blick in den nächsten Wald. Für jede Flasche will die Produktionsgemeinschaft einen Baumsetzling pflanzen. Christian Klein hat Kontakt zu den Forstämtern aufgenommen. „Wir wollen einen Beitrag leisten“, sagt er. „400 Bäume mehr sind besser als gar keiner.“

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