Freudenberg. Bei der Sanierung der Evangelischen Kirche in Freudenberg finden Handwerker hinter einer Mauer einen Hohlraum. Wozu wurde die Nische angelegt?
Die Evangelische Kirchengemeinde Freudenberg hat ihre Nische gefunden. Bei den Sanierungsarbeiten wurde sie entdeckt, im Inneren, in der Westwand. Wieso die kleine Ausbuchtung angelegt und warum sie später zugemauert wurde, weiß niemand. Zumindest: noch nicht.
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„Das war die totale Überraschung“, sagt Thomas Ijewski. Seit 17 Jahren sei er Pfarrer, das Gebäude sei ihm bestens vertraut – aber „kein Gedanke“ daran, dass sich etwas Derartiges hinter Putz und Steinen verbergen könnte. Ein Handwerker spürte den Hohlraum auf, als er ein kleines Verteilerkästchen entfernen wollte und dabei ein Loch in die Wand machte. Wie sich herausstellte, handelte es sich um eine Ziegelmauer, die die halbrunde Nische verschloss und die mittlerweile entfernt ist.
Evangelische Kirche Freudenberg: Schießscharten und andere Überraschungen
Die Flecker Kirche ist der älteste erhaltene reformierte Sakralbau in Westfalen – und darüber hinaus, betont der Pfarrer. 1606 wurde sie fertiggestellt. Ihr Turm ist noch älter, vermutlich aus dem 14. Jahrhundert, und war Teil der Verteidigungsanlagen rund um das Freudenberger Schloss, wie Dr. Roland Pieper, Architekturhistoriker aus Münster, erklärt.
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Nutzen durfte diese erste Reformierte Gemeinde den Turm, weil wie sich auf einen Deal einließ: Sie baute Schießscharten in die Kirche ein, „viele Schießscharten – was für Kirchen ungewöhnlich ist“, sagt Roland Pieper. Zwar seien sogenannte Wehrkirchen bekannt, „aber die ballern nicht aus dem Kirchenraum heraus“, so der Experte. „Die hier schon.“ Es ist eine der diversen Besonderheiten des Gebäudes, auch wenn die meisten Schießscharten längst zugemauert sind.
Theorien: Wozu die wiederentdeckte Nische in der Flecker Kirche gedient haben könnte
Dass es sie in großer Zahl gab, war aber immerhin bekannt – ganz im Gegensatz zu der Nische. „In all den Jahrhunderten in keinem Papier auch nur eine Silbe“, sagt Thomas Ijewski. Anscheinend fand früher niemand dieses Detail so spannend, wie es sich jetzt im Nachhinein darstellt. „So eine Nische baut man nicht, wenn man sie nicht braucht“, ist Roland Pieper überzeugt. Um ein Zufallsprodukt handelt es sich offensichtlich nicht. „Das ist mit Liebe gemacht, keine Besenkammer“, unterstreicht Thomas Ilewski. Welchem Zweck der in die dicken Mauer des Turms eingearbeitete Hohlraum gedient haben könnte, dazu gab und gibt es bisher mehrere Ideen:
Hoffnung auf Spenden
Die Sanierung der Evangelischen Kirche Freudenberg läuft seit dem Spätsommer vergangenen Jahres.
Angefangen hatte alles im Jahr 2018 mit der Feststellung, dass die Säulen, die die Ampore tragen, marode sind, wie Pfarrer Thomas Ijewski erzählt.
„Aber wie das dann so ist…“: Es zeigten sich dann auch noch Schäden durch den gescheckten Nagekäfer an den Balken, außerdem Feuchtigkeit. Jetzt ist die Kirche „eine Riesenbaustelle“. Unter anderem wird das Dach geöffnet, um dort neun Meter lange Balken einsetzen zu können.
Die ursprüngliche Kostenschätzung ging von 750.000 Euro aus. „Jetzt sind wir bei 800.000“, sagt der Pfarrer.
Die Nische, auch wenn sie eine angenehme Überraschung gewesen sei, werde die Kosten wohl allein um weitere 10.000 Euro erhöhen.
Die Gemeinde hofft auf Spenden, um das Sanierungsprojekt sicher finanzieren zu können. Alle Informationen dazu gibt es auf der Homepage der Gemeinde: ekfb.de
Eine Heiligen-Nische. Dazu würde passen, dass die gewölbeartig geformte Decke Rußablagerungen hat, die von Kerzen verursacht worden sein könnten. Nun wären sowohl Heiligenfiguren als auch Kerzen für ein Reformiertes Kirchengebäude überaus untypisch; von 1626 bis 1632 und von 1636 bis 1645 waren während konfessioneller Wirren aber katholische Patres in der Flecker Kirche, die die Nische nachträglich eingebaut haben könnten. Dieser Ansatz ist aber verworfen, seit Dr. Christoph Hellbrügge, ein weiterer Fachmann, die Decke aufklopfte und so herausfand, dass das Gewölbe mit industriell genormten Ziegelsteinen im „Reichsformat“ gemauert wurde. Der Putz darüber kann somit erst nach 1850 aufgebracht worden sein. Folglich stammt auch der Ruß aus der Zeit danach.
Reste einer Kapelle. Die Nische könnte es bereits vor dem Kirchenbau gegeben haben. Es sei überliefert, dass es in Freudenberg eine Kapelle für die Heilige Katharina gegeben habe. Für eine Heiligenfigur sei die Nische aber eigentlich zu groß, räumt Thomas Ijewski ein.
Eine Ofennische. In der Kirche mit ihren vielen Holzbauteilen wäre ein Ofen in einer steinernen Nische sinnvoll gewesen, weil das den Brandschutz erhöht hätte, sagt Roland Pieper. Möglicherweise sei dieser von hinten – also vom Turm aus – befeuert worden.
Grundriss-Zeichnungen geben keinen Aufschluss über Nutzung der Nische
Was es aber tatsächlich ist, bleibt unklar. Erst ein Blick hinter den Putz könnte neue Anhaltspunkte liefern, „da sind wir in Abstimmung mit dem Denkmalschutz“, sagt der Pfarrer. Pläne der Kirche geben übrigens keinen Aufschluss. Interessant ist der Blick in diese Unterlagen dennoch. In Plänen aus den Jahren 1828, 1897 und 1910 ist die Nische nicht vermerkt. In einer Zeichnung von 1939 taucht sie aber auf: offen. Und 1961 wurde sie angedeutet, da allerdings schon hinter einer Mauer. Er habe ältere Gemeindeglieder gefragt, ob sie sich an die Nische erinnern würden, sagt Thomas Ijewski. Bisher tat das niemand, „aber vielleicht kommt der Anruf ja in drei Tagen“.
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Was klar ist, ist die zukünftige Nutzung: Die Nische soll Teil eines Café- und Begegnungsbereiches in der Kirche werden. „Wir sind absolut begeistert“, sagt Thomas Ijewski. „Über die historische Entdeckung und über die Nutzungsmöglichkeiten.“