Siegen. Zwei Künstlerinnen bauen in der Galerie Haus Seel in Siegen eine Ausstellung auf, die womöglich niemand zu sehen bekommt.

Ob je ein Besucher sehen wird, was derzeit im Haus Seel eines Publikums harrt, steht in den Sternen. Eva Berendes und Alexandra Leykauf investieren trotzdem dieselbe Energie und Leidenschaft in den Aufbau ihrer Ausstellung „Window Shopping“, wie sie es in Nicht-Lockdown-Zeiten tun würden. Ein Besuch bei zwei Künstlerinnen, deren Schau in Siegen möglicherweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet.

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„Ich bin noch in der Leugnungsphase“, sagt Eva Berendes über die Aussichten. Eigentlich hätte die Ausstellung schon im April 2020 stattfinden sollen, doch da kam Lockdown Nummer 1 dazwischen. Der Ausweichtermin war für November geplant und scheiterte an Lockdown Nummer 2. Nun entschieden sich die Künstlerinnen und der Kunstverein – Ausrichter von „Window Shopping“ – das Projekt trotz unklarer Perspektiven einfach durchzuziehen; denn die weitere Programmplanung für Haus Seel steht, irgendwann muss Bewegung ins Geschehen.

Passender Titel

Der Titel „Window Shopping“ würde im Deutschen zwar mit „Schaufensterbummel“ übersetzt, geht darüber aber eigentlich hinaus.

Während der Bummel an Schaufenstern vorbeiführt und es primär um dieses Schlendern und Schauen geht, steht beim Window Shopping der Blick in die Auslagen im Vordergrund – und die Vorstellung des Einkaufens und Besitzens. Der englische Begriff wird deshalb längst auch im Deutschen benutzt.

Der Titel stand lange vor Ausbruch der Pandemie fest, ist aber während des Lockdowns noch aus einem weiteren Grund passend: Bei geschlossenem Haus Seel bleibt nur der Blick durch die Fenster – in denen sowieso ein Werk von Alexandra Leykauf zu sehen ist.

Ob und wann die Ausstellung „Window Shopping“ in Haus Seel eröffnen wird, ist momentan noch unklar. Laufen soll sie nach derzeitigem Stand jedenfalls bis Ende Mai.

Ohne Besucher keine Wirkung

Die Mühe, die der Aufbau mit sich bringt, ist nicht anders als sonst. Beide Akteurinnen zeigen vor allem großformatige Objekte, viele davon extra für die Räume in Haus Seel geschaffen; Eva Berendes baut Tore aus bunten Leinwänden und gestaltet Sicherheitsschranken, wie sie beispielsweise aus Kaufhäusern bekannt sind – dort freilich in weniger künstlerischen Varianten. Alexandra Leykauf zeigt unter anderem nachgebaute Vitrinen: Konstruktionen, die mit Aufnahmen echter Ausstellungsvitrinen aus Geschäften oder Museen versehen sind und mit zweidimensionalen Bildern dreidimensionales Geschehen auf einem räumlichen Objekt nachbilden. Wie diese Exponate aufgestellt werden, um im Verbund den optimalen Effekt zu erzielen, ist Zentimeterarbeit. Und es ist Teil des Gesamtwerks, weshalb ein längerfristig geschlossenes Haus Seel spezielles Frustpotenzial für die beiden Künstlerinnen bedeuten würde.

„Es geht um Raumerfahrung und Raumillusion“, erklärt Alexandra Leykauf. Wichtig sei für sie, wie sich die Betrachterinnen und Betrachter körperlich zu den Werken positionieren – wie sie sich hinstellen, von wo aus sie schauen, denn „das ist eine Erfahrung, die ich gerne mit Besuchern teilen würde“. Das ist überhaupt kein vergeistigtes oder abstraktes Künstler-Gesülze – weder Leykauf noch Berendes neigen dazu – sondern schlichte Praxisorientierung.

„Window Shopping“ ist exakt darauf ausgelegt, dass jedes Werk nicht nur für sich genommen, sondern auch mit jedem anderen im Raum wirkt, und zwar von jeder Position aus. Das setzt aber voraus, dass Menschen sich durch diese Räume bewegen. Und dafür wiederum müssen sie erst einmal hinein dürfen. „Ich mache das ja nicht nur für mich“, betont Eva Berendes. Die Beobachtung, wie Besucherinnen und Besucher auf ihre Werke reagieren – ob sie nah rangehen, ob sie die Tore durchschreiten, was auch immer – „ist wie ein Abschluss der Arbeit und auch wichtig dafür, wie ich weiter arbeite“. Oft passiere Unvorhergesehenes. „Es ist ein Feedback im weitesten Sinne“, ergänzt Alexandra Leykauf.

Seit November in der Galerie

Seit November befinden sich die Arbeiten bereits in der Siegener Galerie. „Mir waren es ein bisschen zu viele Eröffnungstermine“, sagt Alexandra Leykauf, bleibt aber gelassen. Eva Berendes sieht es ebenfalls pragmatisch. Eine Ausstellung sei sicherlich keine Sache des täglichen Bedarfs, erst Recht nicht der Notversorgung, „man kann darauf warten. Aber irgendwann muss wieder das wirkliche Erlebnis kommen“ – auf das die beiden Künstlerinnen nun hoffen. Weder der zur Ausstellung erscheinende Katalog noch die Online-Präsentation könnten vermitteln, was „Window Shopping“ live auszeichnet. „Ich sehe einen Unterschied zwischen Information und Erfahrung“, sagt Alexandra Leykauf. „Internet ist Information. Aber für mich geht es bei Kunst um Erfahrung.“

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