Netphen/Siegen. Ein Netphener soll sich im Internet als 13-Jähriger ausgegeben haben, um Mädchen zu missbrauchen. Jetzt gesteht er vor dem Siegener Amtsgericht.

Das Kinn in die Hände gestützt, nach vorne gebeugte Haltung – als wolle der Angeklagte vor dem Siegener Schöffengericht einen unsichtbaren Punkt in der Luft fixieren. Während die Staatsanwältin die Anklage verliest, wirft seine Stirn falten – der Blick bleibt leer.

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Vor unter 14-jährigen Mädchen soll der Mann aus Netphen über Video-Chat masturbiert und Bilder seines Genitals verschickt haben. Die Kinder habe er aufgefordert, es ihm gleich zu tun. Auf seinem Handy wurde kinderpornografisches Material sichergestellt.

Kontaktaufnahme des Netpheners über „Knuddels“

Als er Gelegenheit bekommt, sich zu äußern, zupft der Angeklagte am Band seiner Corona-Schutzmaske: „Wenn ich ja nach Bildern von ihnen gefragt haben soll, wieso haben die mich dann nicht geblockt?“ Die Tatsache, dass er mit Minderjährigen gechattet habe, streitet der Mann nicht ab – über das Online-Portal „Knuddels“ sei er an die Handynummern gekommen.

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Unter falschem Namen soll sich der Beschuldigte als 13-Jähriger ausgegeben und dann über WhatsApp mit den Mädchen kommuniziert haben – so die Anklage. Die Jüngste sei zu dem Zeitpunkt 11 Jahre alt gewesen.

Angeklagter in Netphener Wohnung von Polizei abgeholt

Einige der Mädchen, die als Zeuginnen geladen sind, reisen an diesem Morgen mit Mutter oder Vater auf Wegen mit mehr als vier Stunden Fahrtzeit an. Nur vom Angeklagten selbst fehlt vor Prozessbeginn zunächst jede Spur. Damit die Zeuginnen nicht erneut anreisen müssen, entscheidet Richter Matthias Witte, den Angeklagten von der Polizei in seiner Wohnung in Netphen abholen zu lassen.

Bei der richterlichen Befragung sind die Antworten des Netpheners schließlich gedehnt und widersprüchlich – teilweise so genuschelt, dass oft nachgehakt werden muss: „Stimmt das, haben Sie Bilder verschickt und die Mädchen dazu aufgefordert, auch welche zu schicken?“

Unklare Antworten vor dem Siegener Amtsgericht

Mehrere Sekunden lang herrscht Stille. „Die haben mich ja gefragt. Oder ich hab die gefragt, so rum“, äußert sich der Angeklagte schwammig. Mit einem der Mädchen soll er sogar dreimal Treffen in Olpe verabredet haben, die aber nie zustande gekommen seien. „Aufgefordert hab’ ich sie nicht“, betont er. Wo denn der Unterschied zwischen Fragen und Auffordern läge, entgegnet Witte.

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Wenn er auf „Jüngere stehen würde“, verteidigt sich der Angeklagte, dann sei er in der Vergangenheit ja schonmal auffällig geworden. Die häufigste Antwort des Netpheners: „Keine Ahnung.“ Der Staatsanwältin steht das Unverständnis ins Gesicht geschrieben: Warum er sich als 13-Jähriger ausgegeben habe, wenn er keine Hintergedanken gehabt habe? „Gute Frage“, antwortet der Netphener.

Zwölf Aktenordner mit ausgedruckten Chatverläufen

Die Anklageschrift zitiert die mutmaßlichen Aussagen aus den von der Polizei sichergestellten Chatverläufen: „Es gab ja eine Durchsuchung bei Ihnen“, erinnert Richter Witte den Mann. „Das, was verlesen wurde, basiert darauf, dass man sich Ihr Handy angeschaut hat“. Rechts im Verhandlungsraum neben der Schöffin: Ein Wagen mit zwölf Aktenordnern voller ausgedruckter Chats.

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Bei der Urteilsfindung spreche zu seinen Gunsten, dass der Angeklagte auf Anraten seines Anwalts dann doch ein Geständnis ablegte: „Sie haben das Verfahren verkürzt und den Geschädigten eine längere Befragung erspart“.

Freiheitsstrafe auf Bewährung

Wegen sexuellem Missbrauch an Kindern in 15 Fällen wird er zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Zudem muss der Angeklagte 100 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.

„Gott sei Dank hat ein Großteil der Zeuginnen heute nicht mehr den Eindruck gemacht, noch besonders stark durch das Geschehene beeinträchtigt zu sein“, so Witte. Gleichzeitig machte er deutlich: „Es waren Kinder, mit denen sie da Kontakt hatten“. Der Angeklagte nickt. Dies dürfe: „nicht – im Sinne von gar nicht, also null passieren“. Es sei eine „sehr schäbige Masche gewesen“.