Siegen braucht weder eine Alfred-Fissmer-Anlage noch eine Lothar-Irle-Straße. Ein Kommentar von Steffen Schwab

Aus dieser Nummer kommt niemand raus: Nichts macht die Unmöglichkeit der Alfred-Fissmer-Anlage so deutlich wie der Text für die Hinweistafel, den der Stadtarchivar erarbeitet hat: Es stimmt, was da draufsteht. Aber es fehlt die Erklärung, warum die Anlage diesen Namen trotzdem trägt. Weil Alfred Fissmer der Beste von allen zu fürchtenden Nazi-Bürgermeistern war, besser zum Beispiel als der mit ihm konkurrierende Ordensburg-Hauptmann? Weil die Stadt stolz auf ihn ist und deshalb seiner dauerhaft gedenkt? Die Nachbarstadt Kreuztal hat drei Jahrzehnte für die Einsicht gebraucht, dass die in der Diktatur schuldig Gewordenen keine Vorbilder sein können, und sich von Friedrich Flick losgesagt. Siegen braucht noch länger.

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Man könnte der Siegener Politik die Umsicht zugute halten, über ihr einstiges Stadtoberhaupt nicht leichtfertig den Stab zu brechen – wenn nicht die anderen Aspekte solcher Erinnerungskultur wären: Straßennamen für Personen, die ebenfalls alles andere als Vorbilder sind, für deren Würdigung ausgerechnet in Siegen aber der örtliche Bezug auch noch äußerst dünn ist: Hindenburg, Stoecker, Flex… Und wenn da nicht das Trauerspiel um den Walter-Kraemer-Platz, für den Arzt der Gefangenen im KZ Buchenwald, gewesen wäre, gegen den sich eine Mehrheit viel entschiedener gewehrt hat, ohne die Skrupel, die sie im Falle Fissmer zu haben scheint. Und schließlich Irle: Wer dieser Figur, der nach dem Krieg nicht ohne Grund die Rückkehr in den Schuldienst verwehrt wurde, immer noch Ehre erweisen will, handelt verantwortungslos. Und blamiert die Stadt, die ihre 800-Jahrfeier vorbereitet: 2024 wird ein Geschichtsjahr. Vorsicht!

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