Siegen-Wittgenstein. Siegen-Wittgenstein hat einen Demografiebericht. Insgesamt geht eine Einwohnerzahl in der Größe von Erndtebrück verloren.

Im Jahr 2039 werden in Siegen-Wittgenstein 7652 Menschen weniger leben als heute – dieser Rückgang um 2,8 Prozent entspricht mehr als der gesamten Einwohnerschaft der Gemeinde Erndtebrück. Das ist eine der Aussagen aus dem Demografiebericht, den die Kreisverwaltung dem Sozial- und Gesundheitsausschuss zu seiner Sitzung am Mittwoch, 3. März, vorlegt. Erarbeitet wurde der Bericht von Dr. Frank Luschei, Demografie-Forschung + Evaluation, Hilchenbach.

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„Der Demografiebericht kann für uns ein Leitfaden sein, wenn es darum geht, die richtigen Weichen für eine nachhaltige Entwicklung der Region zu stellen“, sagt Landrat Andreas Müller: „Egal ob wir als Kreis über künftige Angebote zur Kindertagesbetreuung, zur Fachkräftesicherung oder zur Armutsbekämpfung nachdenken, oder die Städte und Gemeinden über die Ausweisung neuer Baugebiete oder die Schulentwicklung – in allen Fällen ist es hilfreich, ungefähr abzuschätzen zu können, wie sich die Bevölkerung entwickelt und auf was wir uns einstellen müssen.“

Das sind die zentralen Ergebnisse, die Frank Luschei formuliert:

Einwohner

Wilnsdorf und Freudenberg konnten ihre Einwohnerzahl seit den 1960er Jahren deutlichsteigern, während für Siegen und Erndtebrück eine umgekehrte Entwicklung zu beobachten ist. Siegen hat erst in den letzten Jahren wieder Bevölkerung hinzugewonnen. Seit 2011 fallen die Stadt Siegen und Burbach durch eine positive Bevölkerungsentwicklung auf. Wenngleich der steile Anstieg der Bevölkerungszahl in Burbach vor allem ein Effekt der Einrichtung für Geflüchtete ist, hat sich die Bevölkerungszahl auf einem erhöhten Niveau gehalten.

Der Vergleich der Veränderungen bis 2039/2040 zeigt die großen Unterschiede zwischen den Städten und Gemeinden des Kreises. Für die Stadt Siegen werden Bevölkerungsgewinne von fast 4.000 Personen (+3,8 %) vorausberechnet. Ähnliches gilt für Bad Berleburg. Beide Städte entwickeln sich damit deutlich positiver als das Land NRW. Die beiden anderen Extrempunkte bilden Hilchenbach und Bad Laasphe. Beiden drohen Bevölkerungsverluste von mehr als 12 Prozent.

Jung und Alt

Der Anteil der Jüngeren an der Gesamtbevölkerung sinkt, während gleichzeitig der Anteil der Älteren zunimmt. Der Anteil der über 80-Jährigen hat sich seit 1975 mehr als verdreifacht. Am häufigsten sind Menschen der Altersgruppe 40 bis 60 Jahre vertreten. In Kreuztal und Burbach liegt der Anteil der Menschen unter 20 Jahre deutlich über dem Durchschnitt von NRW. In Erndtebrück ist dieser Anteil besonders gering.

Der Anteil der 80-Jährigen und Älteren liegt nur in Freudenberg und der Stadt Siegen unterhalb des NRW-Durchschnitts. In Bad Laasphe und Hilchenbach ist er besonders hoch.

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Geburten und Sterbefälle

Früher gab es mehr Geburten als Sterbefälle. Seit dem Jahrtausendwechsel hat sich dieses Verhältnis umgedreht. In den letzten 10 Jahren verlor der Kreis hierdurch bis zu 1000 Personen pro Jahr. In den Jahren 2014 und 2015 konnten Verluste durch einen positiven Wanderungssaldo ausgeglichen werden.

Seit 2012 steigt die Zahl der Geburten wieder leicht an. Der steigende Betreuungsbedarf von Eltern konnte nur durch einen massiven Ausbau der Tageseinrichtungen für Kinderaufgefangen werden. Zukünftig sinkt vermutlich die Zahl der unter 6-Jährigen, dafür dürfte gleichzeitig der Betreuungsbedarf bei Eltern mit jüngeren Kindern weiter wachsen. Die Zahl der Kita-Plätze ist seit 2013 in Netphen um ein Drittel (31,5 %) und in Freudenberg um ein Viertel (24,7 %) gestiegen .

Die Stadt Siegen hat insgesamt den positivsten Geburtensaldo aller Städte und Gemeinden im Kreis. Kreuztal, Wilnsdorf und Neunkirchen liegen ebenfalls etwas besser als der NRW-Durchschnitt. Deutlich negativere Salden weisen die Wittgensteiner Kommunen und die Städte Hilchenbach und Netphen auf.

Wilnsdorf weist im Jahr 2019 die höchste Geburtenziffer im Kreis auf. Sie liegt deutlich über dem NRW-Durchschnitt. Danach folgen Burbach und Bad Berleburg mit ebenfalls überdurchschnittlichen Geburtenziffern. Erndtebrück weist die niedrigste Geburtenziffer im Kreis auf. Die Stadt Siegen liegt ebenfalls unter dem NRW-Durchschnitt, „eine niedrige Geburtenziffer ist jedoch in Universitätsstädten in NRW nicht ungewöhnlich“, sagt Frank Luschei.

Zuzüge und Fortzüge

Die Stadt Freudenberg hat insgesamt den positivsten Wanderungssaldo aller Städte und Gemeinden im Kreis. Alle anderen Kommunen des Kreises liegen unter dem NRW-Durchschnitt. Sie haben entweder weniger Personen hinzugewonnen (Bad Laasphe, Netphen, Wilnsdorf) oder sogar Einwohner verloren. Der ungünstige Wert von Bad Berleburg wird noch durch die Schließung der Einrichtung für Geflüchtete beeinflusst. Das größte Wanderungsvolumen, also Zu- und Fortzüge, weisen die Städte Siegen und Netphen auf.

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Kinder und Jugend

Die Zahl der Kinder im Grundschulalter wird bis 2026 vermutlich weiter anwachsen. Die Zahl der Sechs- bis Zehnjährigen hat sich seit den 1970er Jahren halbiert. Sinkende Schülerzahlen treffen auf vollkommen veränderte Schulwahlen. In den letzten Jahren wachsen nur noch die Schülerzahlen in Gesamtschulen. Gleichzeitig wurden Sekundarschulen neu eingerichtet.

Nach der Schulzeit konkurrieren Ausbildungsbetriebe, die Universitäten und weitere Akteure um die weniger gewordenen jungen Leute zwischen 16 und 20 Jahren. Innerhalb des Kreises Siegen-Wittgenstein verändern sich die Zahlen höchst unterschiedlich: In Bad Berleburg, Burbach und Kreuztal nimmt die Zahl der Auszubildenden zum Teil beträchtlich zu. In den anderen Städten und Gemeinden sind die Rückgänge überdurchschnittlich stark. So sinkt die Zahl der Auszubildenden in Bad Laasphe um fast ein Drittel. Gleichzeitigverlassen viel mehr Menschen den Arbeitsmarkt durch den Übertritt in die Rente.

Arbeit

Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten steigt im Kreis seit 2005 fast kontinuierlich an. Es gibt mehr Beschäftigte pro 1000 Einwohner als im NRW-Durchschnitt. Diese Arbeitsplatzdichte liegt in Burbach und Erndtebrück deutlich über dem NRW-Durchschnitt. Hilchenbach, Wilnsdorf und Bad Laasphe sind deutlich unterdurchschnittlich aufgestellt. In Siegen sind dafür mehr als die Hälfte der Beschäftigten im Dienstleistungsbereich tätig. In Wilnsdorf arbeitet fast ein Drittel in Handel-, Gastgewerbe, Verkehr.

Armut

Im Kreis ist die Armutsquote, also der Anteil der Empfänger von Mindestsicherungsleistungen, deutlich niedriger als im NRW-Durchschnitt. Die meisten erhalten „Hartz 4“, nur wenige Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Seit 2007 steigt deren Zahl jedoch kontinuierlich. Im Kreis Siegen-Wittgenstein liegen fast alle Empfängerquoten im Jahr 2019 deutlich unter den NRW-Quoten. In Burbach betragen sie sogar nur ein Drittel. In der Stadt Siegen liegen sie leicht über den NRW-Quoten.

Ausländer

Innerhalb des Kreises Siegen-Wittgenstein weisen im Jahr 2019 die Stadt Siegen und Burbach einen im Vergleich zum Land leicht höheren Anteil der Ausländer auf. Wilnsdorf und Erndtebrück haben einen deutlich niedrigeren Anteil. Die Ausländeranteile in Burbach, Bad Berleburg und Bad Laasphe dürften durch die Nachwirkungen der Einrichtungen für Geflüchtete beeinflusst sein. NRW-weit haben sich die Ausländeranteile seit 1975 verdoppelt. In Hilchenbach und Neunkirchen sind kaum Anstiege des Ausländeranteils beobachtbar. In beiden Städten war er auch 1975 schon relativ hoch.

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