Siegen. Dieter Pfau möchte die Geschichte von Siegen und Umgebung so vermitteln, dass Sie möglichst viele Menschen anspricht: auf zeitspuren-siwi.de.

Königliche Schlösser? In Siegen? Aber ja, sagt die Geschichte des 19. Jahrhunderts. Denn von 1815 bis 1888 gehörten Oberes und Unteres Schloss dem preußischen Staat, sie waren Sitz der Verwaltung und auch Wohnstätte der Behördenleitung. So lebte der 1817 zum ersten Landrat des neu gegründeten Kreises Siegen gekürte Wolfgang Friedrich von Schenck (1768 - 1848) im Grafenhaus des Oberen Schlosses, hatte es somit nicht weit zum Dienstort, der sich im östlichen Flügel, dem alten Bischofshaus, befand.

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Wer dieser preußischen Episode in der Historie der beiden nassauischen Schlösser weiter nachgehen möchte, den nimmt der Siegener Historiker Dieter Pfau digital an die Hand: Auf der Webseite „zeitspuren-siwi.de“ ist gerade die dritte Staffel von Ereignistafeln online gegangen. Sie führt anhand von Bildern, Dokumenten, Texten, Skizzen und Karten in das vorvergangene Jahrhundert und begleitet die Entstehung des zweiten Teils der regionalgeschichtlichen Reihe „Zeitspuren in Siegerland und Wittgenstein“.

Geschichte von Siegen und Umgebung: Im Gestern Bezüge zum Heute finden

Dieter Pfau und Elisabeth Strautz legen ihre Schilderung des „langen 19. Jahrhunderts“ in zwei Bänden an. Der erste soll im Herbst dieses Jahres erscheinen; er setzt 1792 ein und damit mit dem Jahr, in dem die Region erstmals mit den Auswirkungen der Französischen Revolution konfrontiert war. Die Zäsur zum zweiten Band, für 2022 geplant, bildet das Jahr 1861, das mit der Einweihung der Eisenbahnstrecke zwischen Ruhr und Sieg der Industrialisierung einen enormen Schub verleiht.

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Die Aufbereitung im Netz, die künftig eng mit dem kompakteren Überblick der gedruckten Seiten verschränkt werden soll, erlaubt zunächst einen Besuch in der Historikerwerkstatt: die sich beim Studium von Literatur und Quellen einen Überblick verschafft; die Archivmaterial heranzieht, um diese zu betrachten und einzuordnen in ein größeres Ganzes. Beides verbindet sich mit bereits Erkanntem, vermag die Nuancen in der Bewertung aber durchaus zu verschieben. „Der Historiker schreibt über die Vergangenheit, aber er schreibt in seiner Gegenwart“, sagt Dieter Pfau. Auch deshalb elektrisiere ein Thema ihn immer dann besonders, wenn er im Gestern konkrete Bezüge zum Heute finde.

Siegen-Wittgenstein: Demokratische Errungenschaften mussten erst eingeübt werden

Als Beispiel nennt Dieter Pfau die Wahl zum ersten deutschen Reichstag nach der Reichsgründung vor 150 Jahren: „Nach einem Vorlauf bei der Wahl zum Reichstag des Norddeutschen Bundes 1867 ist dabei erstmals im neu gegründeten Deutschen Reich das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht (,ein Mann, eine Stimme’) zur Geltung gekommen. Eine Errungenschaft auf dem Weg zur Demokratie, die auch in Siegerland und Wittgenstein erst einmal eingeübt werden musste.“

Viele Unterstützer

Unterstützt wird das aktuelle „Zeitspuren“-Projekt von einer Vielzahl an Förderern aus der Region sowie dem Kreis und dem Heimatbund Siegen-Wittgenstein.

Der erste Band „Zeitspuren in Siegerland und Wittgenstein“ ist 2009 erschienen.

Er widmete sich dem Früh- und Hochmittelalter (750-1250).

Durchaus konflikthaft gingen Kandidatur und Wahl im damaligen Wahlkreis Siegen-Wittgenstein-Biedenkopf – in einer Zeit, in der die politischen Parteien noch im Entstehen begriffen waren –vonstatten. Der von den Konservativen zur Wiederwahl (nach 1867) vorgeschlagene Siegener Landrat Albert von Dörnberg hatte es mit einem von den Liberalen vorgeschlagenen Gegenkandidaten aus Wittgenstein zu tun. Gustav August Jung, der Inhaber der Laaspher Amalienhütte, liebäugelte zwar mit den Liberalen, war aber unschlüssig, ob er das Mandat annehmen sollte. Dennoch erhielt er im ersten Wahlgang die meisten Stimmen und gewann die Stichwahl gegen von Dörnberg eindeutig. Er nahm die Wahl dann doch nicht an, weil, vermutet Pfau, er nach einem überhitzten Wahlkampf nicht zwischen den politischen Fronten zerrieben werden wollte. Es kam zur Nachwahl, bei der von Dörnberg, bei einer großen Zahl von Enthaltungen, den neuen liberalen Kandidaten von Beughem eindeutig besiegte.

Einblick in historische Dokumente aus dem Siegerland und Wittgenstein

So wie Dieter Pfau im Gespräch vom Allgemeinen zum Speziellen kommen kann, um dann wieder die Brücke zum großen Ganzen zu schlagen, laden seine Ereignistafeln im Netz dazu ein, punktuell ins 19. Jahrhundert abzutauchen. Faszinierend ist dabei zum Beispiel die Darstellung von Siegerland und Wittgenstein in den topographischen Einzelkarten der „Preußischen Uraufnahme 1841 - 1845“, die in ihrer detailgenauen Draufsicht von Straßenläufen erzählen, von Ansiedlungen, Gruben, Hütten und Hämmern. Neu zu entdecken sind Dokumente zum Chausseebau zwischen Hilchenbach und Lützel, zu den Gruben Landeskrone bei Wilnsdorf und Storch & Schöneberg in Gosenbach, zur Friedrichshütte und der Amalienhütte in Laasphe oder zu den vom Provinzialkonservator Albert Ludorff Ende des 19. Jahrhunderts dokumentierten Bau- und Kunstdenkmälern auch in den Kreisen Siegen und Wittgenstein.

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Dieter Pfaus Anspruch ist es, wie er sagt, regionale Geschichte so zu vermitteln, dass es möglichst viele anspricht. Das Internet bietet sich für ihn in besonderer Weise an, einen niederschwelligen Zugang und damit auch Möglichkeiten der Teilhabe zu eröffnen.

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