Siegen. Unsere ehemalige Kollegin Maria Anspach und unser ehemaliger Kollege Jürgen Burandt sind gestorben.

Die traurigen Nachrichten kamen im Abstand von wenigen Stunden: Unsere ehemalige Kollegin Maria Anspach ist im Alter von 87 Jahren gestorben, unser ehemaliger Kollege Jürgen Burandt im Alter von 74 Jahren.

Beide stehen für eine ganze Generation des Lokaljournalismus in Siegen und im Siegerland – mit Laufbahnen, wie sie unterschiedlicher kaum sein können:

Jürgen Burandt, 1947 in Letmathe geboren, entschied sich schon als Jugendlicher für den Journalismus, kam nach Stationen in Iserlohn und Olpe 1969 nach Siegen, wurde stellvertretender Redaktionsleiter bei der Westfalenpost und wechselte 1979 in gleicher Funktion zur Westfälischen Rundschau.

Maria Anspach wurde 1933 in Berlin geboren, wuchs in Siegen auf. Bei Nohl lernte sie den Beruf der Buchhändlerin. Nach Jahren der freiberuflichen Arbeit, unter anderem als Mitglied der Redaktion des „Siegerländer Monatsspiegel“, kam Maria Anspach 1980 als Redakteurin zur Westfälischen Rundschau.

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Generation des Umbruchs

Jürgen Burandt war exzellenter Beobachter von Politik und Gesellschaft in Siegen und im Siegerland und setzte Marken für einen modernen, kritischen Lokaljournalismus – und das mit so viel Engagement, dass er bei einer ganzen Reihe junger Menschen ebenfalls die Lust aufs Recherchieren, Redigieren und Schreiben weckte.

Maria Anspach hat die Entwicklung der kulturellen Szene im Siegerland über Jahrzehnte begleitet. Daneben aber wuchs ihre Leidenschaft für die Justiz. Als Gerichtsreporterin hat sie unzählige Schicksale kleiner Leute dokumentiert, die das Leben aus der Bahn geworfen hat. Sie war aber auch Beobachterin der großen Siegener Prozesse. Das größte Verbrechen ihrer Zeit, die Ermordung der Juden, und den großzügigen Umgang mit den Tätern und ihren Helfern hat die Journalistin nie aus den Augen verloren. Dafür hat sie sich den Ungeheuerlichkeiten ausgesetzt, die in dem Siegener Mammut-Prozess gegen den KZ-Aufseher Ernst August König ans Tageslicht kamen, und dafür hat sie sich mit denen angelegt, die allzu großzügig ihren Frieden mit den alten Nazis im Kreis der Siegerländer Honoratioren machten.

Maria Anspach und Jürgen Burandt prägten in den 1980er Jahren gemeinsam ein junges, zeitweise ungestümes Redaktionsteam, das für Lebensfreude und die Lust am Experiment stand, es dabei mit dem Feierabend keineswegs genau nahm und sich für eine spannende Geschichte mit aufregenden Menschen durchaus die eine oder andere Nacht um die Ohren schlug. Rückblickend waren sie wohl die letzte Generation, in der Journalismus nichts als Telefon und Schreibmaschine brauchte und sich Türen öffnen konnte, die inzwischen längst von professionellen Öffentlichkeitsarbeitern bewacht werden. Sie waren zugleich die Generation des großen digitalen Umbruchs: Als sie anfingen, wurden Textspalten in Blei gegossen. Als sie gingen, hatte das Internet-Portal der Zeitung jeden Redaktionsschluss abgeschafft.

In der Freizeit Second Shotgun

Jürgen Burandt war ein Stiller – und er schien eiserne Nerven zu haben. Im größten Tumult konnte sich der konzentrierte Reporter an der Tastatur bis zur Nichtansprechbarkeit abschotten. Außerhalb der Redaktion war das anders: Jürgen Burandt – nebenbei ein begnadet scharfzüngiger Satiriker – sang und spielte Schlagzeug, vorzugsweise Stücke aus den 1950ern und 1960ern bei „Second Shotgun“.

Hexenbesen nach Feierabend

Maria Anspach hat sich nicht nur mit Zeitungsartikeln einen Namen gemacht. Markenzeichen war ihr rabenschwarzer Humor, nachzulesen zum Beispiel in ihrem Gedichtband „Mummenschanz“, spürbar aber auch in ihren zahlreichen Kurzkrimis. Als Kabarettistin schließlich war sie Mitglied der „Hexenbesen“, auf der Bühne an der Seite von Siegens früherer Bürgermeisterin Hilde Fiedler.

Jürgen Burandt übernahm 1990 die Leitung des Redaktionsbüros Betzdorf, 2006 trat er in den Ruhestand – ganz plötzlich ist er nun gestorben.

Maria Anspach wurde 1995 Rentnerin, blieb der Redaktion noch viele Jahre als freie Mitarbeiterin verbunden. Mit der Mitarbeit bei der Siegener Seniorenzeitschrift „Durchblick“ eröffnete sie sich ein weiteres journalistisches Tätigkeitsfeld. In ihrem letzten Artikel ging es um Demenz, die Krankheit, die ihrem eigenen Tätigsein ein erbarmungsloses Ende setzte.

Steffen Schwab, heute Redaktionsleiter, kam 1980 als Praktikant zur Siegener Rundschau-Redaktion. Maria Anspach und Jürgen Burandt haben ihren Teil dazu beigetragen, dass er nicht wieder weg wollte.

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