Hohenroth. Trotz Borkenkäfern und Corona Zuversicht auf Hohenroth – in jeder Hinsicht: Die Stadt Netphen macht dort im Mai ein Standesamt auf.

Eigentlich hat der frisch pensionierte Forstamtsleiter nur Hiobsbotschaften. Um so mehr, je weiter er ausholt. Das Waldsterben in den 1980ern, Kyrill im ersten Jahrzehnt, jetzt der Borkenkäfer. Und dann: Arten sterben, der Wolf kommt zurück und reißt Schafe. Und natürlich Corona. Warum Diethard Altrogge trotzdem fröhlich ist? „Wir können in vielen Bereichen das Ruder umwerfen“, sagt er - und was den aktuellen Kahlfraß angeht: „Wir können jetzt traumhaft schöne neue Wälder machen.“ Das alles zu begreifen und ganz handfest dazulernen, das ist der Auftrag, den sich das Waldland Hohenroth gegeben hat. Und deshalb ist Diethard Altrogge zusammen mit seiner Waldland-Mitstreiterin Christa Münker an diesem Wintertag hier oben hin gekommen: Es gibt ein Waldland-Programm für 2021.

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Sie könnten Jubiläum feiern: Seit 20 Jahren gibt es den Verein, der zusammen mit dem Forstamt das Waldland trägt: mit einem Start im alten Forsthaus von 1901, das beinahe abgerissen worden wäre und heute Café mit angeschlossener Ferienwohnung ist. Und dem heutigen Regelbetrieb im ehemaligen Stallgebäude dahinter, das nach dem Umbau 2006 als Waldinformationszentrum eröffnet worden ist. Sie könnten feiern – wenn die Pandemie nicht wäre. Aber immerhin, sagt Diethard Altrogge: „Die Menschen können sich draußen bewegen.“

Wald

Und dazu gibt das Waldland-Programm, jenseits der Rund-, Lehr- und Wanderwege oben auf Hohenroth, mit geführten Exkursionen so manchen Anlass. Diethard Altrogge kennt die naturnahe Waldwirtschaft: Vor 30 Jahren, sagt er, war Hilchenbach noch eins von zwei Pilot-Forstämtern in Westfalen – heute gilt diese Bewirtschaftungsform im ganzen Staatswald. Zu sehen sind die Kahlschläge nach dem Wirken des Borkenkäfers. „Das sah nach Kyrill ähnlich aus“, sagt Diethard Altrogge. Und weil das nun schon gut zehn Jahre her ist, können er und die aktiven Förster Beispiele für junge „Selbstbewaldung“ auch schon vorführen.

Standesamt Hohenroth

Ebenfalls im Programm: Kräuterwanderungen, Fotoworkshops, Aquarellmalerei. Und Musik: Erwartet werden die Philharmonie, die Uni Big Band und erstmals auch das Akkordeonorchester Siegerland. Den Waldgottesdienst wird der katholische Pfarrer Uwe Wiesner noch einmal gemeinsam mit seiner evangelischen Kollegin Silke van Doorn halten, obwohl sie dann schon längst in Freistatt lebt.

Hochzeiten feiern können auf Hohenroth nur die derzeit rund 300 Mitglieder des Waldland-Vereins. Heiraten kann hier ab Mai jeder. Das Waldland wird offizielle Dependance des Standesamtes der Stadt Netphen. Diethard Altrogge: „Wir haben schon jede Menge Anmeldungen.“

Der Grauhain nahe der Siegquelle ist so ein Beispiel für einen alten Wald, der Christa Münker auch als Pilzsachverständige interessiert: Um die 170 Jahre alter Buchenwald, der seit über vier Jahrzehnten nicht mehr bewirtschaftet wird. „Es ist einfach toll, was sich da im Laufe der Zeit entwickelt.“ Zehn Prozent des Staatswaldes werden auf diese Weise nicht mehr bewirtschaftet, um zu sehen, „was passiert, wenn wir nicht in den Wäldern rumfummeln“, sagt Diethard Altrogge.

Wald ist mehr als die schön anzusehende Ansammlung von Bäumen. Auch das lernt man bei Exkursionen: Wald speichert Wasser, erzeugt Sauerstoff, wirkt aufs Gemüt. „Wenn der Wald weg wäre, hätten wir auch in anderen Bereichen Verluste“, sagt Diethard Altrogge, „wir haben jetzt die Riesenchance, uns darum zu kümmern.“ Auch deshalb ist er dem Käfer gar nicht böse: „Der Käfer optimiert.“ Und der Mensch: „Der maximiert.“ Bis es eben mal wieder schief geht. Irgendwie passt das Thema des jährlichen Salons auch dazu. „Wir wollen über die Demokratie sprechen“, kündigt Diethard Altrogge an. Am liebsten mit dem Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge.

Tiere

Die Wölfe sind ein Thema in diesem Jahr, auch wenn die eigentlich für den Februar geplante Ausstellung „Der Wolf macht Schule“ erst einmal verschoben werden muss. Weil es hier viel Wild gibt, fühlt der vor über 150 Jahren vertriebene Rückkehrer sich gerade in Nordrhein-Westfalen wohl. Zum Verdruss von Autofahrer, Jägern, Schäfern. Es gibt Probleme, sagt Diethard Altrogge, „die müssen wir lösen. Und der Wolf muss wieder lernen, Scheu vor Menschen zu haben.“ Dass der Wolf aber hier sein zu Hause hat, ist keine Frage. „Er gehört hier hin, wie die Bären oder die Luchse.“ Und Esel? Auf Hohenroth nur am 19. August, wenn sie sich von Menschen durchs Waldland führen lassen. Der Titel: „Dumm - störrisch - dumm?“ Die Esel? Oder..?

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Menschen

Man muss im Wald die Bäume nicht nur anschauen. Die Motorsägenlehrgänge, weiß Diethard Altrogge, „sind nach wie vor der Knaller“. Man braucht sie, wenn man Brennholz machen will – und nach wie vor wollen Frauen auch neben den gemischten Kursen ihre eigenen Kurse haben, ohne dass Männer dabei sind. Obwohl sich sonst die Zeiten geändert haben. „Als ich hier anfing, war es ein Tabu, dass Frauen in die Ausbildung zum Forstwirt kamen. Heute gibt es viele Forstarbeiterinnen.“

Um zwei Besuchergruppen kümmert sich das Waldland besonders. Für Ältere, auch mit Handicap, gibt es „das andere Walderlebnis“, Führungen auch mit Rollstuhl, dazu kleine Vorträge. Für Familien mit Kindern ist „Meet Young Members“ neu im Programm, ein bisschen Abenteuer mit Stockbrotbacken am Lagerfeuer. Und zwar am Sonntagvormittag: „Da sind immer schon sehr viele Familien hier auf dem Gelände“, berichtet Christa Münker.

Das Rothaargebirge, sagt Diethard Altrogge mit ein bisschen Stolz, ist heute mit 40.000 bis 50.000 Hektar das größte zusammenhängende Waldgebiet in Deutschland. Allerdings nicht, weil die Natur sich hier so viel Raum zurückerobert hätte. Den Titel verdankt das Rothaargebirge nur dem Abstieg des Pfälzerwaldes. „Die haben da eine Autobahn hingekriegt.“

Den Veranstaltungskalender mit 43 Einzelveranstaltungen gibt es auch online und zum Download als E-Paper: waldland-hohenroth.de

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