Siegen. Den Betreuungsplatz für jeden zweiten Unter-Dreijährigen wird die Stadt wohl erst in fünf Jahren anbieten.

Den angestrebten Versorgungsgrad von 50 Prozent für die Betreuung von Kindern unter drei Jahren wird die Stadt so bald nicht erreichen. Heiko Thimm (SPD) erinnerte im Jugendhilfeausschuss daran, dass diese Marke für das Kita-Jahr 2022/23 angepeilt worden sei. Daraus wird nichts, antwortete Jugendamtsleiter Dr. Raimund Jung: „Fünf Jahre mindestens.“

Dabei ist diesmal nicht die Suche nach Investoren, Bauträgern oder Grundstücken das Problem, sondern die Ausstattung der neuen Einrichtungen mit Fachkräften. Erst nach und nach werden sich die erweiterten Ausbildungskapazitäten am Berufskolleg AHS auswirken. Hier gibt es mehr Artikel und Bilder aus dem Siegerland

Verschärft wird die Situation dadurch, dass Eltern ihre Kinder immer früher in Kitas anmelden – aus der Sorge heraus, dass sie keinen Platz mehr bekommen, wenn der Wechsel aus der Tagespflege erst nach dem dritten Geburtstag erfolgt. Nur noch elf Prozent aller Anmeldungen für das nächste Kita-Jahr, so Planerin Judith Wagener, erfolgen für über Dreijährige. Besonders eng wird es in Geisweid, wo besonders Kinder aus Flüchtlingsfamilien Betreuungsbedarf haben. Neben dem Kinder- und Jugendtreff in der Hüttenstraße wird dort nun übergangsweise ein „Brückenprojekt“ eingerichtet. Weitgehend gestoppt hat die Stadt die Aufnahme von Kindern aus Umlandgemeinden, die derzeit etwa 140 der 3649 Betreuungsplätze in den 69 Kitas belegen; nur noch Geschwisterkinder werden aufgenommen. Den neuen Kita-Bedarfsplan beschloss der Jugendhilfeausschuss einstimmig.

Die neuen Kitas

Der Neubau Am Kindergarten in Geisweid verzögert sich; der Verein für soziale Arbeit und Kultur Südwestfalen (VAKS) betreibt ein Provisorium in der ehemaligen Hüttentalschule. Der Umzug in den Neubau ist für August geplant. In der Hüttentalschule entsteht dann eine Drei-Gruppen-Kita des DRK, die im Sommer 2022 eröffnet werden soll.

So gut wie fertig ist die Kita des Christofferwerks am Sender, noch im Januar soll der Betrieb aufgenommen werden.

Im August 2022 soll die neu Fünf-Gruppen-Kita des Christofferwerks auf dem Roland-Gelände am Lohgraben in Betrieb gehen. Sie ist Ersatz für die Kita Oranienstraße, die derzeit in ein Provisorium in der ehemaligen Realschule Am Häusling verlegt ist.

In Betrieb gegangen sind im vorigen Jahr die DRK-Kita an der Kinderklinik und der Waldkindergarten der Alternativen Lebensräume (ALF) in der Heinbach.

Noch geplant werden Neubauten am ehemaligen Kreiswehrersatzamt in der Tiergartenstraße und an der Eiserfelder Straße neben dem Hallenbad, die 2022 eröffnen sollen, sowie in Eisern zu einem noch nicht genannten Termin. In Eiserfeld soll das DRK Träger werden, für die Tiergartenstraße interessiert sich das Studierendenwerk.

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Um die 50-Prozent-Versorgung für unter Dreijährige zu erreichen, fehlen dann immer noch fünf Kitas mit jeweils vier Gruppen.

Kindertagespflege

Beschlossen hat der Jugendhilfeausschuss neue Richtlinien für die Kindertagespflege. Insgesamt bieten derzeit 109 Tagespflegepersonen rund 390 Pflegestellen an. Ihnen wird jetzt unter anderem ein Mindestlohn zugesagt. Vertagt wurde die Entscheidung über den Vorschlag der Verwaltung, keine zusätzlichen Kosten zu übernehmen, wenn eine Tagespflegeperson ausfällt und eine Vertretung erforderlich wird. Tagespflege solle nicht mehr als ein „sinnvolles Ergänzungselement“ zur Betreuung in Kitas sein, sagte Sozialdezernent André Schmidt. Sie dürfe nicht teurer werde als die Betreuung in Kitas. „Irgendwann ist die Belastung nicht mehr zu vertreten.“ Durch die neuen Richtlinien steigt die Belastung der Stadt um jährlich etwa 5500 Euro bei Gesamtkosten von 3,1 Millionen Euro. Die Zahl der betreuten Kinder ist von 350 auf 290 im laufenden Kindergartenjahr zurückgegangen.

311 Kinderschutzmeldungen

Im vorigen Jahr hat der Allgemeine Sozialdienst der Stadt 311 Kinderschutzmeldungen entgegengenommen. Die Zahl steigt seit 216 (171) stetig. Der neue Höchststand sei „nicht pandemiebedingt“, sagte Sozialdezernent André Schmidt.

Corona

Die Notbetreuung in Tagespflegestellen werde „überwiegend angenommen“, berichtete Sozialdezernent André Schmidt, „das war im letzten Jahr anders.“ In den Kitas sind ein Viertel bis ein Drittel der Kinder anwesend. Bei Erkrankungssymptomen reagierten die Kita-Träger „sehr empfindlich“, berichtete Jugendamtsleiter Dr. Raimund Jung, „es gibt auch schon mal Auseinandersetzungen.“ „Es hat sich ganz gut eingespielt“, sagte Horst Löwenberg, Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes (DPWV), dem Dachverband der kleineren Kita-Träger. Gelegentlich seien Hinweise nötig, dass Eltern ihre Kinder zu Hause betreuen sollen, „aber sie müssen nicht“. Einige Einrichtungen hätten Betreuungswünsche zu massiv abgewehrt.

Wegen Corona ist das Essen für die Kitas teurer geworden. Ein Caterer, der um die 30 Kitas und Schulen beliefert, hat den Preis pro Mahlzeit von 2,70 auf 2,95 Euro erhöht. Horst Löwenberg (DPWV) regte eine Dringlichkeitsentscheidung an, dass die Stadt ihren Zuschuss auf bis zu drei Euro anpasst. Betroffen sind Eltern mit Jahreseinkommen unter 30.000 Euro. Für sie übernimmt die Stadt die Kosten für die Mahlzeiten.

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