Hilchenbach. Ohne Publikum haben Musiker der Philharmonie Südwestfalen ihr Barockkonzert in der Hilchenbacher Kirche aufgezeichnet.

Das Barockensemble der Philharmonie Südwestfalen bringt die "Hits" von Bach, Händel, Vivaldi aus der evangelischen Kirche in Hilchenbach diesmal direkt in die Wohnzimmer ihrer Fans.

Eigentlich ist es so wie seit über zehn Jahren am Silvesterabend. Um Punkt halb acht veredeln Musiker der heimischen Philharmonie eine der letzten Stunden des alten Jahres mit hinreißender Musik, immer mit dem Titel „Glanz des Barock“. Der Unterschied in 2020 besteht darin, dass das Konzert nach Hause kommt. Und manchem Klassikfreund wird es ganz recht gewesen sein, sich an diesem nasskalten Abend nicht auf den verschneiten Weg nach Hilchenbach begeben zu müssen, sondern zu Hause im gut geheizten Wohnzimmer bleiben zu können.

Die Großen Drei: Vivaldi, Bach, Händel

Das Programm kommt wie immer an den ganz Großen des Barock nicht vorbei: Dem Venezianer Vivaldi, der im Laufe seiner Karriere bestens verdiente, dann aber in Wien einsam und verarmt starb. Dem bodenständigen, zu seinen Lebzeiten völlig unterschätzten Bach, über den Kollege Beethoven viele Jahre nach dessen Tod voller Ehrfurcht sagte: „Nicht Bach, sondern Meer sollte er heißen“. Und Georg Friedrich Händel, der in seinen 74 Lebensjahren mehr komponierte als Bach und Beethoven zusammen, in England zu Ruhm und Ehre kam und als Millionär starb.

Beerdigt wurde Händel in Westminster Abbey. Der Viertelstundenschlag dieser Kirche hat große Ähnlichkeit mit Händels Messias-Arie „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“. Und die erklingt zum Auftakt des Abends. Sopranistin Sophia Körber, von früheren Barockkonzerten mit der Philharmonie im Siegerland bestens bekannt, interpretiert diese Arie mit Inbrunst, unter die Haut gehend, fast intim. Um dann beim „Komm, schenke mir“ aus Händels „Alcina“ alles an Mimik, Gestik und Charme einer Opernsängerin auszupacken.

Bachs Kantate „Jesus bleibet meine Freude“ ist einfach zu bekannt, um sie nur mit Routine abzuspulen. Sie will interpretiert werden. Sophia Körber singt sie fließend, harmonisch, lässt ihren Sopran in den Kirchenraum fliegen. Und richtig gefordert wird sie beim typischsten Bach des Abends „Jauchzet Gott in allen Landen“: Schwierigste Koloraturen meistert sie unangestrengt, fast spielerisch und lässt Bach swingen.

Das Hauptwerk des Konzerts ist Vivaldis „Winter“ aus seinen „Die vier Jahreszeiten“. Nicht unbedingt der Brüller, da gibt es Bekannteres aus seiner Feder, aber entspannend unterhaltsam. Und das kleine Orchester zeigt, was Barockmusik auch ausmacht: Die Instrumentalisten dürfen stehen, sich bewegen, manchmal scheinen sie sogar mitzutanzen. Und Giuseppe Torellis Trompetenkonzert, interpretiert von Thomas Kiess auf seiner Bach-Trompete, ist eine Klasse für sich.

Das Auge hört mit

Gestreamte Übertragungen von Konzerten kranken oft an gut gemeinter, aber amateurhafter Übertragungstechnik. Nicht so das Hilchenbacher Barockkonzert. Vier Kameras und schnelle Schnitte lassen die Zuschauer bis dahin völlig ungewohnte Perspektiven genießen. Etwa, einen Dirigenten nicht nur von hinten, sondern aus der Sicht der Musiker zu sehen und diesen bei der Arbeit in die Augen sehen zu können. Da haben die Techniker und Akustiker hochprofessionelle Arbeit geleistet. Nicht jedoch die Verantwortlichen des „Virtuellen Huts“. Welcher Teufel hat die wohl geritten, die Musik des Barockorchesters mit den Texten einer Diskussionsveranstaltung zu untermalen? Da gab es nur eine Lösung: schnell umzuschalten auf die Website der Philharmonie.

Drei Fragen an den "Vater" der Barockkonzerte

Thomas Kiess ist seit 2004 Solo-Trompeter der Philharmonie Südwestfalen, „Vater“ der Barock-Reihe und Moderator des Konzerts.

Wie kam es zu diesem Konzertprogramm?

Kiess: Dörthe Müller vom Gebrüder-Busch-Kreis, dem Veranstalter der Barockkonzerte, hatte die Idee, einen Gutschein der Philharmonie Südwestfalen einzulösen. Dadurch war der Grundstock zur Finanzierung des Konzerts in Hilchenbach gegeben. Das war am 28. November.

Wie ging es weiter?

Naotaka Maejima, der Leiter des Barock-Ensembles, entwickelte innerhalb eines Tages ein Programm, besorgte die Noten und gab sie allen Musikern. Am 6. und 8. Dezember hatten wir intensive Probentage und am 10. Dezember wurde das Konzert in der Hilchenbacher Kirche aufgezeichnet.

Was haben Sie an Silvester um 19.30 Uhr gemacht?

Zusammen mit meiner Frau, die als Violinistin Mitglied des Orchesters ist, und unseren drei Kindern schauten wir uns entspannt am Fernseher das Konzert an. Und danach wartete ein Fleischfondue auf die Familie Kiess.

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