Kreuztal. Er ist der dienstälteste Beigeordnete in Siegen-Wittgenstein: In Kreuztal hat er sein Zuhause gebaut.

Eberhard Vogel ist kein Mensch für lange Reden. Er macht auch nicht den Eindruck, besonders sentimental zu sein – dabei würde ein bisschen Wehmut doch so gut passen zum Abschied immerhin des dienstältesten Beigeordneten im Kreisgebiet. Bei einem studierten Stadtplaner mag das am Beruf liegen. Beim Kreuztaler Stadtbaurat vielleicht auch daran, dass er vorher schon so viel herumgekommen ist. Womöglich täuscht man sich aber auch.

Auf der Fensterbank im Büro mit Blick auf den roten Platz stehen bunte Bauklötze, die – das verrät die Aufschrift – zu einem „Rathaus“ zusammengestellt sind. „Wenn mal Leute mit Kindern kommen.“ Was die Kreuztaler sich Anfang 1997 gedacht haben, als sie das Spielzeug ihrem neuen Stadtbaurat als Willkommensgruß überreicht haben? Dass er ihre Stadt mal ein wenig ummodelt? Eberhard Vogel sagt’s mal so: Nach den Stationen in Dortmund, Darmstadt, Pulheim und Mönchengladbach habe er, der gebürtige Künzelsauer, eine nicht zu große Stadt in der Mitte von Deutschland gesucht und sich in Kreuztal beworben, „die Größe hat mich überzeugt, nicht die Schönheit.“

Dabei war schon so viel passiert: der Rote Platz, die Stadthalle, Dreslers Park, der Neubau der B 508, die HTS. Eberhard Vogel, vormals Leiter des Stadtentwicklungsamtes in Mönchengladbach, hat das nicht geschreckt. „Eine Stadt wird nie fertig“, sagt er – und tritt den Beweis in den folgenden drei Amtszeiten 24 Jahre lang an. Geplant? „Ich hatte mir vorgenommen, hier zu bleiben.“ Die beiden Kinder fühlten sich in Kreuztal wohl, wo für sie alles mit dem Fahrrad oder zu Fuß erreichbar war. Die Familie fand Freunde. Kreuztal wurde Heimat. Mit 38 kam er, jetzt ist er 61.

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Wohnen: Auf dem Dörnberg wurde damals gerade gebaut, Fellinghausen und die Stählerwiese folgten. „Da wusste keiner so recht, was zwei Geschosse waren“, kommentiert der Stadtbaurat die heute sichtbare Fehlentwicklung sarkastisch. Seitdem setzt die Stadt Bauherren Grenzen, was die allzu extreme Ausnutzung von Grundstücken angeht. Indem sie die Zahl der Wohnungen pro Haus festlegt. Jetzt, 24 Jahre danach, heißen die neuen Adressen Zimmerseifen, Bender-Gelände, grüne Mitte Buschhütten. Geschosswohnungsbau oder Ein- und Zweifamilienhäuser, Miete oder Eigentum? „Wir müssen beides machen“, sagt Eberhard Vogel. Die Nachfrage ist immens.

Die Innenstadt: Die Politik der Stadt, verfügbare Grundstücke im Zentrum aufzukaufen, ist ein Fest für den Planer. Gut, über den Roonstraßen-Parkplatz und den Plan für ein Hotel dort wird schon lange nicht mehr gesprochen, „im Kopf ist das aber immer noch“. Aber sonst: Die Baustoff-Firma I.H.Kurth wurde aus-, der Kaufland angesiedelt. An der Stelle der alten Bäuerlichen in der Marburger Straße steht ein Wohn- und Geschäftshaus mit Schuh- und Drogeriemarkt. Umgesetzt wird die Strategie, auch den Großflächen-Einzelhandel im Zentrum zu stärken, „nicht in Buschhütten und Kredenbach“. Mit dem Dornseifer-Markt sei „ein zusätzlicher Verbrauchermagnet entstanden“, stellt Eberhard Vogel fest, räumt aber auch ein, dass „nicht immer die Läden, die man sich wünscht“, die Verkaufsflächen füllen. „Das ist eben der Markt.“ Immer wichtig: Wohnungen. „Die gehören genauso in die Innenstadt.“ Wie Dienstleister, Praxen – und, wohl der größte Coup, die Umsiedlung der Stadtbibliothek, die Kettenreaktionen nach sich zog: die Umgestaltung des Roten Platzes, jetzt der Marburger Straße, die Ansiedlung eines gern besuchten Cafés. Das ist das, was Eberhard Vogel „öffentliches Leben im öffentlichen Raum“ nennt. „Das sind einfach viele Menschen, weil es so schön ist, da zuzugucken.“

Der Schul- und Sportcampus: „Kommt nächstes Jahr und wird hoffentlich von den Bürgern gut angenommen.“ Eberhard Vogel ist da guter Dinge und verweist auf die Skate- und Bikeanlage, die „top“ angenommen werde und wo es auch kein Vandalismus-Problem gebe: „Es macht Sinn, in dem Bereich weiter zu investieren.“

Die Südumgehung: „Ich bin noch an Wochenenden mit allen Parteien über die Trasse gelaufen.“ Ja, sagt der Stadtbaurat, diese Diskussion habe er „ziemlich intensiv begleitet“. Schon zu der Zeit, als die Stadt noch glaubte, auf eine Tunnellösung Einfluss nehmen zu können. „Die Südumgehung würde der Stadt Kreuztal gut tun.“

Der Bahnhof: Die Anbindung des Lokschuppens an die Innenstadt bleibt Zukunftsprojekt: Überführung oder Unterführung vom Bahnhof zu weiteren P+R-Plätzen müssen erst noch geplant werden; derzeit beschafft die Stadt das Geld für eine Studie. Hier schließt sich ein Kreis: Dass die Stadt das Empfangsgebäude gekauft hat und zum Kulturbahnhof mit Ausstellungsraum und Ateliers macht, „ist meine Baustelle gewesen“, sagt Eberhard Vogel, „bildende Kunst hatte in Kreuztal ein bisschen gefehlt.“

Gewerbegebiete: Die Planung für die Ostheldener Höhe ist tot. Optionen könnte es noch interkommunal mit Olpe und Wenden geben. Der neue, von der Bezirksregierung zu erstellende Regionalplan wird das zeigen. „Ich weiß nicht, was da drinstehen wird.“

Und noch viel mehr: Umweltschutz: Eberhard Vogel hat die Umweltberatung in seinem Dezernat und verweist auf Handfestes: Energiesparen, Radwegekonzept, öffentlicher Nahverkehr. Denkmalschutz: „Sorgenkinder“ nennt Eberhard Vogel das Schloss Junkernhees und den Kreuztaler Hof von 1855. Feuerwehr: „Da haben wir eine Menge getan.“ Kitas, Kunstrasenplätze... – die Aufzählung kann noch lang werden.

Plus und Minus

Da ist Zündstoff: Die Krombacher Brauerei prägt Krombach – viel Einfluss nehmen kann da der Stadtplaner nicht. Bei der Planung eines Hochregallagers gingen Bürger auf die Barrikaden. „Das war sehr umstritten“, erinnert Eberhard Vogel. Die Brauerei verzichtete von sich aus. Mutmaßlich auch mit einem der wichtigsten Unternehmen in der Stadt hat das Gestank-Problem im Littfetal zu tun. „Darauf habe wir als Stadt keinen Einfluss.“ Anders als beim eigenen Klärwerk am Fuße des Mühlbergs, wo das Krombacher Abwasser letztlich landet. Da sind die Aktivkohlefilter nun eingebaut, „das wird vor Weihnachten fertig.“ Bleibt die aktuelle Auseinandersetzung über die Amprion-Höchstspannungsleitung und das in Junkernhees geplante Umspannwerk: „Für Kreuztal eine unsägliche Geschichte.“

Das zahlt sich aus: Roter Platz. Marburger Straße, Buschhütten, Schul- und Sportcampus, Radwegekonzept, Barriereatlas, Bender-Gelände – Gelegenheiten für die Menschen in der Stadt, bei Planungen mitzureden, gab es in den letzten Jahren reichlich. Wobei der Stadtbaurat den formlosen Stadtspaziergang mit Leuten mehr schätzt als die formale Vortrags- und Diskussionsveranstaltung im Saal. „Für mich ist das persönliche Gespräch wichtig.“ Weshalb er dem schnell entgleisenden Online-Pingpong in diesem Corona-Jahr nicht viel abgewinnen kann. Eine „Notlösung“ sei das halt, sagt er, „der Dialog fehlt mir.“ Auch in der Sache sind die Anregungen aus der Bürgerschaft wichtig, zum Beispiel die daraufhin erfolgte Korrektur der Planung für den Roten Platz, der grüner wurde als anfangs geplant. „Im Nachhinein finde ich das sehr richtig.“ Beete mit Bodendeckern und Büschen sollten es dann aber auch nicht werden. „Lieber große Straßenbäume.“

Noch ein Thema

Er selbst, nach der Pensionierung: „Ich habe noch überhaupt keinen Plan.“

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