Mittelhees. Amprion lässt Masten anstreichen: Die Bürgerinitiative ärgert sich über den großzügigen Umgang mit Farbe.Die Reinigungsaktion sei misslungen.

Noch ist der Himmel tiefblau. Aber die Sonne steht schon tief an diesem Nachmittag. Wer mit Mundschutz und beschlagener Brille auf dem Weg zwischen Junkernhees und Hof Wurmbach unterwegs ist, passt auf: Hier eine Reiterin, dort wieder ein paar Radfahrer, dann ein Spaziergänger mit Rollator. Es ist so voll, wie es die Stadtverwaltung und die Bürgerinitiative gern beschreiben, wenn sie auf die Bedeutung dieses Naherholungsgebietes hinweisen. Des aus ihrer Sicht gefährdeten Naherholungsgebietes: Denn Amprion hält daran fest, die Höchstspannungsleitung hier entlangführen zu lassen und nicht etwas weiter weg durch den Wald.

Erst rot, dann grün

Im Sommer war hier Nebel. Farbnebel. „Die waren wochenlang hier“, berichtet Ansgar Klein von der Bürgerinitiative Junkernhees über die Kolonnen, die Farbe auf die Masten der jetzt hier verlaufenden Leitung gebracht haben, bevor die 30-Meter-Teile durch doppelt so hohe Nachfolger ersetzt werden. „Da waren Wolken ohne Ende“, bestätigt Kleins Mitstreiter Sascha Reller, „hier war alles voll Farbe.“ Erst die rote Grundierung, dann die grüne Deckfarbe. Am Ende war auch der Weg bunt. Und die Wiese. Vermutlich auch der Fischweiher weiter unten. Ansgar Klein sieht darin wenig Präzision: „Wie wird das erst werden, wenn die da unten ein Umspannwerk bauen?“

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Zwischen der Bürgerinitiative und Amprion entwickelt sich ein Schriftwechsel, ausgehend von der Frage aus Kreuztal, welche Chemikalien da womöglich ins Erdreich gelangt sein könnten. Das seien Stoffe, die – einmal ausgehärtet – so ungefährlich seien, dass sie über den normalen Hausmüll entsorgt werden können, antwortet der Stromnetzbetreiber. Nachfrage aus dem Heestal: „Wie sieht es im nicht ausgehärteten Zustand aus, wenn Weidetiere oder Insekten damit in Kontakt geraten?“

Höchstspannung

Begonnen wurde mit dem Leitungsbau bereits im ersten Abschnitt zwischen Dortmund und Hagen sowie zwischen Landesgrenze und Dauersberg bei Betzdorf. Die Gemeinden Mudersbach und Brachbach haben gegen den Planfeststellungsbeschluss geklagt und den Prozess verloren.

Für die Abschnitte zwischen Hagen und Iserlohn und zwischen Iserlohn und Attendorn steht das Planfeststellungsverfahren an.

Für den Abschnitt Attendorn-Landesgrenze, der auch durch Kreuztal und Siegen verläuft, steht der Planfeststellungsbeschluss noch aus. Wegen der Änderung des Mastentyps wird der Plan noch einmal offengelegt.

Weil Amprion darauf nicht antwortet, geht die Sache schließlich auch an das Umweltamt des Kreises. Das fragt dann seinerseits bei Amprion nach und berichtet anschließend nach Kreuztal: „Bei den eingesetzten Beschichtungsstoffen würden nach vollständiger Aushärtung und bei bestimmungsgemäßem Gebrauch keine toxikologischen Inhaltsstoffe an die Umgebung abgegeben.“ Auch hier fragt die Bürgerinitiative nach, der Kreis antwortet erneut: Man habe sich die Örtlichkeit angesehen, es gebe keine Anhaltspunkte für die Gefährdung von Boden oder Wasser. Und: „Ein mehrere tausend Euro teures Gutachten zur Bodenuntersuchung kann meines Erachtens der Firma nicht aufgegeben werden.“

Kritik an Reinigungsaktion

Sascha Reller von der Bürgerinitiative steht vor dem Mast 322 und zitiert weiter aus der Mail aus dem Kreishaus: Bei Amprion gebe es Richtlinien, wie bei Korrosionsschutzarbeiten vorzugehen sei: „Die Einhaltung dieser Richtlinien darf ich zunächst einmal unterstellen.“ Wenn das so sei – Sascha Reller lacht: „Dann brauchen wir ja überhaupt keine Behörden mehr.“

Vor dem Mast 322 sind auf dem Weg noch leichte Farbspuren zu sehen, die Asphaltdecke selbst sieht rissig aus. „Im Winter werden sich Pfützen bilden. Wenn die gefrieren, bricht der Asphalt auf“, fürchtet Ansgar Klein. Denn Amprion hat sich bei der Bürgerinitiative nicht nicht entschuldigt: „Wir werden die Verunreinigung durch den von uns eingesetzten Dienstleister beseitigen lassen.“ Und das hat der dann auch mit einem Sandstrahler getan. Auf Weg und Wiese. „Aufgeraut wie mit Schmirgelpapier“, stellt Ansgar Klein fest. Gemerkt hat Klein sich den Hinweis, die übliche Vlies-Abdeckung vor dem Anstreichen sei auf dem „stark frequentierten Weg“ nicht möglich gewesen: Besser könne die Bedeutung des Naherholungsgebietes kaum dokumentiert werden.

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Jetzt gehts wieder ums Umspannwerk

Der nächste Akt des Dramas im Heestal ist in Sicht: Auf Forderung der Bezirksregierung hat Amprion noch einmal untersuchen lassen, ob der Neubau des Umspannwerks auf der Dänischen Wiese gegenüber von Schloss Junkernhees nicht doch entbehrlich ist. Das Ergebnis, zu dem Stadt und Bürgerinitiative bis Monatsende Stellung nehmen sollen, überrascht die Gegner nicht: Der Ausbau des Umspannwerks in Altenkleusheim ist für Amprion keine Alternative, so wenig wie vorher schon die Verlegung der Stromtrasse in den Wald und damit auch mit mehr Abstand an Meiswinkel vorbei. Wie das weitergehen kann, wird am Dienstag beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zu erleben sein. Dort wird über die Klage der Herdecker Bürgerinitiative Semberg gegen den Bau der Leitung verhandelt. In Herdecke stehen die Masten schon.

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