Kreuztal. Mit dem Ende der Wahlperiode hört auch Karl-Heinz Schleifenbaum auf; 45 Jahre war er im Kreuztaler Rat, davon 36 als SPD-Fraktionschef.

Bis zum letzten Tag dieses Monats ist Karl-Heinz Schleifenbaum noch im Amt. Dem neuen Rat, der sich nächsten Donnerstag konstituiert, gehört der Littfelder nicht mehr an. Seine letzte öffentliche Wortmeldung im Rat liegt inzwischen gut einen Monat zurück. Der SPD-Fraktionschef unterstützte den Antrag der Grünen, dass die Stadt dem Städtebündnis „Sicherer Hafen“ beitritt. Er sei, wie seine Fraktionskollegen, „bestürzt und beschämt“ über das Elend der Geflüchteten in Griechenland, sagte er.iframe newsletter wp siegerland anmeldemaske

Karl-Heinz Schleifenbaum hört mit der Kommunalpolitik in bewegten Zeiten auf. Weil es der Kalender vorgibt. Mit bald 76 ist es Zeit für den Ruhestand, sagt er beim Gespräch in seiner Anwaltskanzlei an der Siegener Straße, die er zum Jahresende ebenfalls verlassen wird. Eigentlich wirkt er immer noch ein bisschen jung. Das hat der Sport gemacht, sagt der ehemalige Handballer, der seinem TV Littfeld auch nach dem Rückzug aus dem Vorstand verbunden blieb. Und, in der Politik, der Umgang mit jungen Menschen. In der Weihnachtssitzung des neuen Rates wird Karl-Heinz Schleifenbaum offiziell verabschiedet: nach 45 Jahren im Rat, davon 36 als Chef der SPD-Ratsfraktion.

Das Augenmaß suchen

Von sich selbst sagt Karl-Heinz Schleifenbaum, dass er die Wadenbeißereien in der politischen Aus­einandersetzung nicht mag. „Ich war nie der Typ dafür, ich habe nie die Konfrontation als Mittel zum Zweck gesucht.“ In seinen Haushaltsreden erhebt er Jahr für Jahr die Forderung zum Wirtschaften „mit Augenmaß“. Das klingt so langweilig – wie Karl-Heinz Schleifenbaum nicht ist.

Seinem langjährigen Gegenpart von der CDU schenkte er jedenfalls nichts: Der fünf Jahre jüngere Jochen Billich, bis 1999 20 Jahre lang CDU-Fraktionschef, scheute keinen Angriff gegen die ewige Mehrheitsfraktion. „Jochen liebte die spielerische Konfrontation. In den ersten Jahren ging es härter zur Sache“, bestätigt Karl-Heinz Schleifenbaum, „aber diese Art der Debatte hat der CDU nie genutzt.“ Der SPD-Fraktionschef hält es mit Altbürgermeister Helmut Nölling, den er auf Siegerländer Platt zitiert – übersetzt etwa: „Allzu scharf schneidet nicht.“ Karl-Heinz Schleifenbaum kann diese Sätze, die auch ein Vermächtnis sein können: „Der Andere kann auch mal Recht haben.“ Und: „Ein guter Kompromiss ist besser als eine hauchdünne Mehrheit.“

Sich über Flick zerreißen

Die kommunalpolitische Laufbahn Karl-Heinz Schleifenbaums lässt sich ohne den Namen von Friedrich Flick nicht erzählen: des Großindustriellen aus Ferndorf, der als Kriegsverbrecher verurteilt wurde und dann noch einmal in den 1980er Jahren mit der Parteispendenaffäre die Bundesrepublik erschütterte. Hilmar Selle, der Landtagsabgeordnete, der schon als künftiger Wirtschaftsminister gehandelt wurde, stolperte gleich zwei Mal über den Ehrenbürger. Ende 1980 nach fünf Jahren als ehrenamtlicher Bürgermeister der Stadt Kreuztal, Ende 1984 gerade einmal nach 100 Tagen als ehrenamtlicher Landrat Siegen-Wittgensteins – vorgeworfen wurden ihm die Verquickung von Politik und Geschäft und Geldtransfers aus dem Hause Flick.

Karl-Heinz Schleifenbaum war da schon im Rat. Seit 1975, als die SPD erstmals nach der Bildung der Stadt Kreuztal im Jahr 1969 mit Hilmar Selle den Bürgermeister stellte. Fraktionsvorsitzender wurde er 1984. In der Wahlperiode, in der seine Fraktion in die Zerreißprobe geriet, wegen Flick. Kreuztal fand bundesweite Aufmerksamkeit, als der Rat 1988 den Antrag der Grünen ablehnte, das Friedrich-Flick-Gymnasium umzubenennen. „Die Fraktion war gespalten“, erinnert Karl-Heinz Schleifenbaum. Die Linie verlief zwischen ihm, der für die Umbenennung war, und Bürgermeister Karl-Heinz Thomas, der wie so viele andere loyal zu dem großen Wohltäter der Stadt stehen wollte. „Das hat mich belastet“, sagt Karl-Heinz Schleifenbaum, „das war eine emotional schwierige Zeit.“

2008 erst trat das „Städtische Gymnasium Kreuztal“ an die Stelle der Schule mit dem belasteten Namen. Bürgermeister Rudolf Biermann hatte die Debatte vorangetrieben, deren Ergebnis ihn – so zumindest die Annahme vieler Menschen in Kreuztal – ein Jahr später das Amt kostete. Diesen Einsatz um den persönlich hohen Preis, sagt Karl-Heinz Schleifenbaum heute, „muss ich Rudolf Biermann hoch anrechnen.“

Lieber nicht handwerken

Karl-Heinz Schleifenbaum kam 1944 in Littfeld zur Welt, wuchs dort auf, besuchte die Realschule in Kreuztal und machte 1964 sein Abitur am Jung-Stilling-Gymnasium in Hilchenbach. Er hätte die Schreinerei des Vaters weiterführen können. „Das wäre ein Drama geworden.“ Karl-Heinz Schleifenbaum spricht sich selbst kein handwerkliches Geschick zu. Er studierte Jura in Bonn, erlebte die Revolte von 1968 und den Machtwechsel von 1969. 1972 trat er der SPD bei, 1975 kandidierte er erstmals für den Rat. „Ich wollte mitgestalten.“ Und das konnte er, immer mit der stärksten Ratsfraktion, die er seit 1984 führte. Beruflich war Karl-Heinz Schleifenbaum da längst fest im Sattel. Nach dem Referendariat – unter anderem auch bei Stadtdirektor Dr. Hans Christhard Mahrenholz im Hilchenbacher Rathaus – und einigen Jahren bei Rechtsanwalt Willibald Lerg in der Roonstraße machte er sich 1978 mit der eigenen Kanzlei selbstständig.

Kreuztal gestalten

„Trostlos“ – so hat Karl-Heinz Schleifenbaum die Kreuztaler Innenstadt in den 1970ern in Erinnerung. „Heute hat die Stadt ein Gesicht.“ Mit Rotem Platz und Bibliothek, den Villen in Dreslers Park und der Stadthalle. Vor allen aus Krombach wurde der Wohlstand der Stadt finanziert. „Wir haben uns mehr leisten können als andere.“ Nur auf ein Hallenbad hat die wohlhabende Kindelsberg-Stadt verzichtet. Beinahe, so erinnert Karl-Heinz Schleifenbaum, wäre es noch zu einem Freizeitbad in Krombach gekommen, beheizt mit der Abwärme der Brauerei. Bis der große Gewerbesteuerzahler auf den Trichter kam, dass er diese Energie auch für die eigene Produktion einsetzen könnte.

Nur von 1999 bis 2009 musste die SPD bisher zurückstecken: Die CDU gewann mit Rudolf Biermann zwei Mal die Bürgermeisterwahlen, bevor Walter Kiß als SPD-Kandidat im zweiten Anlauf übernahm. „Fast tragisch“ nennt Karl-Heinz Schleifenbaum es im Rückblick, dass Stadtdirektor Kurt Erdmann 1999 bei der ersten Bürgermeister-Direktwahl nicht gewinnen konnte. Unter Kurt Erdmann habe die Stadt „eine sehr fruchtbare Zeit“ erlebt – der folgenden CDU-Führung lastet der SPD-Politiker Stagnation und finanzielle Talfahrt an. Karl-Heinz Schleifenbaum kann auch anders.

Sich verabschieden

Und wenn er jetzt nicht aufhören würde? Schule würde wohl ein Thema sein, das er auch in Zukunft oben auf den Tagesordnungen sieht. „Wir müssen mehr benachteiligte Kinder mitnehmen“, fordert Karl-Heinz Schleifenbaum, „nur mit Digitalisierung ist das Thema nicht erschöpfend behandelt.“ Die Gründung der Gesamtschule im Jahr 1992 war so ein Wurf, den Karl-Heinz Schleifenbaum meint: „Ein Stück mehr Bildungsgerechtigkeit.“

Schule – das ist auch der „Littfelder Schulkrieg“, der zur Gründung einer evangelischen Bekenntnisgrundschule führte, nur weil man die katholische Grundschule nicht vom Dörnberg nach Littfeld umsiedeln konnte. Und das ist auch die Ernst-Moritz-Arndt-Realschule, die ihren problematischen Namen immer noch hat. „Man kann nicht an allen Fronten gleichzeitig Kriege führen.“ Wieder so ein Schleifenbaum-Satz. Und jetzt ist Feierabend. Zeit für Bücher, die drei Enkelkinder, ein bisschen Sport. „Das wird eine neue Erfahrung sein.“


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