Hilchenbach. Vier Männer und eine Frau bewerben sich in Hilchenbach um die Nachfolge von Bürgermeister Holger Menzel
Vier Männer und eine Frau wollen Bürgermeister werden, vier Hilchenbacher und eine Kreuztalerin, drei Parteilose und zwei Parteimitglieder, die beide in der SPD waren und es jetzt nicht mehr sind. Das Bild auf dem Hilchenbacher Wochenmarkt ist bunt: Vier der fünf Kandidaten sind hier anzutreffen, die Kandidatin hat im Gegenzug den Dahlbrucher Nahkauf-Parkplatz konkurrenzlos für sich allein.
Wir stellen sie in der Reihenfolge auf den Stimmzettel vor, die erklärungsbedürftig ist: Edelgard Blümel und Karsten Barghorn stehen oben, weil sie von im Rat vertretenen Parteien nominiert wurden, Blümel vor Barghorn, weil CDU, UWG und FDP bei der letzten Wahl mehr Stimmen hatten als die Grünen. Dann kommen die Neuen, wozu auch die Linken gehören, die 2014 noch gar nicht zur Wahl standen. In der alphabetischen Reihenfolge der „Vorschlagsträger“, so will es das Wahlgesetz, kommt „D“ wie „Die Linke“ vor „K“ wie Kaioglidis und „L“ wie Limper.
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1 Edelgard Blümel
“Hammi“ steht auf dem Parkplatz vom Dahlbrucher Nahkauf. Sie hat das Nummernschild HAM behalten, als sie von Bönen nach Kreuztal zog. In Siegen war kein Nummernschild mit der 500 am Ende frei. Und die 500 sollte der rote Cinquecento schon behalten. Da ist die Beigeordnete aus Kreuztal, die in Hilchenbach von CDU, UWG und FDP als Bürgermeisterkandidatin nominiert wurde, schon eigen. Wer Edelgard Blümel in Hilchenbach kennenlernt, bekommt eine Gerbera in die Hand gedrückt. Sie mag Blumen, verwandelt ihre Dachterrasse Sommer für Sommer in einen üppigen, blühenden Garten. Sie lässt Blumen sprechen? Wohl eher nicht: Die Diplom-Verwaltungswirtin macht im Gespräch ihre Gegenüber selbst mit ihrem Fahrplan für Hilchenbach vertraut.
Im März hat die parteilose Kandidatin ihren Wahlkampf begonnen, die Ortsteile besucht, Geschäfte und Betriebe. „Der soziale Zusammenhalt und das große Engagement der Menschen hat mich beeindruckt“, sagt sie. Ehrenamt stärken und Fördergelder besorgen - die Aufgabe liegt auf der Hand. „Viele meinen, dass Hilchenbach auf der Stelle tritt.“ Sie werde Gas geben, verspricht sie dann. Bei Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung, aber auch bei der Dienstleistungsorientierung der Verwaltung. „Es gibt große Hemmschwellen, das Rathaus überhaupt zu betreten.“
Was die Innenstadt angeht, spricht Edelgard Blümel nach anfänglicher Zurückhaltung Klartext: Die Stadt hätte die Entwicklung von Handel und Gastronomie auf ihren historischen Marktplatz konzentrieren müssen. Der Gerberpark? „Eine Fehlplanung.“ Der Discounter neben an auf dem Grundstück der abgebrochenen Villa Kraemer? „Schade, dass der Park da weggekommen ist.“ Da müssten manche ihrer Unterstützer eigentlich schlucken.
Zur Person
Edelgard Blümel (60), geboren in Gelsenkirchen, ist Diplom-Verwaltungswirtin.
Sie hat ihre Laufbahn bei der Stadt Essen begonnen, war Amtsleiterin in Bovenden/Kreis Göttingen und Fachbereichsleiterin in Bönen/Kreis Unna. Seit 2014 ist Edelgard Blümel Beigeordnete (Stadträtin) für Schulen, Soziales und Sport in Kreuztal.
Die Wahlkämpferin bringt die Gerbera an die Frauen und an die Männer, die aus dem Laden kommen. Manche nehmen auch Flyer und den Kuli aus Papier. Oder den Gutschein für eine Kugel Eis aus einer der beiden Hilchenbacher Eisdielen – den besten weit und breit. Klar, sagt die 60-jährige gebürtige Gelsenkirchenerin, , ihren Beruf liebt sie fast von Jugend an – als Kind aus einer Beamtenfamilie hatte sie zudem eine sehr realistische Vorstellung von Verwaltungsarbeit. Was aber nicht bedeutet, dass sie dem Leben außerhalb des Rathauses nichts abgewinnt: Griechenland, und da die Insel Samos, ist ein Lieblingsreiseziel. Und Krimis sind eine Lieblingslektüre. Die stapeln sich gerade. Jan Seghers „Menschenfischer“ liegen obenauf. Wenn nur die Tage nicht so kurz wären. Ach was, sagt Edelgard Blümel, Wahlkampf macht Spaß. „Warten Sie mal, ich muss noch ein paar Blumen loswerden.“ Und schon hat die nächste Hilchenbacherin eine Gerbera in der Hand.
2 Karsten Barghorn
Der selbst gemachte Pflanzenkalender ist auf dem Wochenmarktstand der Grünen ein Renner. Reden möchte Karsten Barghorn aber gern auch über das Einkaufen, die Vorstellung der Grünen von einem regionalen Erzeugermarkt im Gerberpark, die Direktvermarktung landwirtschaftlicher Produkte, die Bindung von Kaufkraft in der Stadt und über die Demografie, den Bedarf an Wohnraum für alte Menschen. Bisher sei das ein Randthema, bedauert der Kandidat. Dabei werde das Altern der Gesellschaft „Auswirkungen auf das gesamte städtische Leben haben“.
Karsten Barghorn ist mittendrin. Dabei war er so lange draußen. Bis 2010 Stadtverordneter und Ortsvereinsvorsitzender der SPD, dann ein abrupter Ausstieg, als seine Ehefrau tödlich erkrankte. „Es gab viel Veränderung in meinem Leben.“ Er quittierte den sicheren Job bei der Diakonie, hatte eine Weile nichts als die 30 Schafe und sieben Ziegen, die auch heute wieder nur Nebenerwerb sind, versuchte einen Einstieg in die Gastronomie mit einem eigenen, in jeder Hinsicht regionalen und deshalb auch irgendwie schon grünen „Siegerländer Imbiss“, ist heute beim Dreis-Tiefenbacher DRK für die Migranten-Selbsthilfe zuständig
Auch mit der SPD hat er gebrochen, seit 2017 ist er bei den Grünen, hat ganz unten als stellvertretender sachkundiger Bürger im Sozialausschuss neu angefangen. Für den Rat kandidiert er in Dahlbruch-Mitte. „Das war früher auch mein Wahlbezirk.“ Den er direkt gewonnen hat, für die SPD.
Zur Person
Karsten Barghorn (59), geboren in Siegen, ist in Wittgenstein aufgewachsen und zog als 11-Jähriger mit seinen Eltern nach Dahlbruch.
Sein Abitur machte er am Jung-Stilling-Gymnasium in Hilchenbach.
Gearbeitet hat er in der Verwaltung und für die Wohnungslosenhilfe der Diakonie, nebenberuflich baute Karsten Barghorn eine Schafzucht auf. Beim DRK Dreis-Tiefenbach war er Ehrenamtskoordinator, aktuell arbeitet er für die Migranten-Selbsthilfe.
Und jetzt, Bürgermeisterkandidat für die Grünen? „Ich bin da relativ locker reingegangen“, sagt Karsten Barghorn. Die Grünen wollten nicht ohne eigenen Kandidaten in den Wahlkampf gehen – wie schief das gehen kann, habe er schließlich schon einmal bei der SPD erlebt. „Dann habe ich mir die anderen vier Kandidaten angeguckt. Und gesagt: Ich machs.“
3 Sven Wengenroth
Vor fünf Jahren stand er schon einmal hier, als Kandidat für die SPD und unterstützt von der CDU. Heute ist er Bürgermeisterkandidat der Linken. Zusammen mit Katrin Fey, die mit ihm die SPD-Fraktion verlassen hat und nun auch Nummer 2 auf der Linken-Kreistagsliste ist, sieht Sven Wengenroth sich in guter Ausgangsposition: Die Linken haben in Hilchenbach mit rund 15 Mitgliedern den größten von zwei Ortsverbänden im Kreisgebiet. „Nicht nur meckern, sondern Alternativen anbieten“, sagt er, „wir haben geliefert, und wir liefern noch.“
Einer der wenigen Werbeträger in diesem Wahlkampf der Linken ist das rot lackierte, ansonsten fahruntüchtige Fahrrad mit ein paar Flyern im Gepäckkorb und einem Plakat am Hinterrad. Die Siegener Fahrradwerkstatt von Klaus Reifenrath wird den Drahtesel nach der Wahl wieder fit machen. Das Geld, das sie sparen, wollen sie dem Push-Verein überweisen, dem sie schon einmal mit einem Monatsgehalt für den Jugend-Sozialarbeiter aus der Patsche geholfen haben. Nicht, dass sie im Geld schwämmen – aber durch die kompletten Diäten, die die beiden Stadtverordneten Monat für Monat abliefern, kommt schon was zusammen.
Die Linken wollen eine dritte Fachkraft in der Jugendpflege sehen, wollen sozialen Wohnungsbau ankurbeln und die Stadt durch eine eigene Kommunale Entwicklungsgesellschaft handlungsfähig machen. „Anders lassen sich große Projekte gar nicht mehr realisieren“, sagt er, „auch das Drama um den Gerberpark hätte man längst beenden können.“ Indem man zum Beispiel aus dem dahinsiechenden Einkaufszentrum ein Gesundheitshaus macht.
Zur Person
Sven Wengenroth (46), geboren in Siegen, ist gelernter Koch, war für zwölf Jahre Soldat bei der Bundeswehr, hat ein Studium als Diplom-Verwaltungswirt abgeschlossen.
Er arbeitete im Rechnungsprüfungsamt der Stadt Siegen. Seit 2018 ist Sven Wengenroth Prüfer beim Bundesverwaltungsamt.
Dass er regelrecht aufblüht, wenn es um kommunales Vergaberecht oder um Haushaltswirtschaft geht, lässt den 46-jährigen Diplom-Verwaltungswirt gelegentlich spröde erscheinen. Dabei hat er doch gerade erst den Sprung in die große Welt gemacht, sichtet als Prüfer des Bundesverwaltungsamts die Belege des jüdischen Museums in Berlin ebenso wie der Villa Massimo in Rom, natürlich immer an Ort und Stelle. Er habe weiterkommen wollen, erklärt Sven Wengenroth, warum er dem städtischen Rechnungsprüfungsamt in Siegen den Rücken gekehrt hat. Das Unterwegssein? Nichts Besonderes – „ich war ja zwölf Jahre bei der Bundeswehr“. Ein Mensch für Blütenträume ist der Hilchenbacher nun mal nicht: Als Bürgermeisterkandidat, sagt er, sei er wohl Außenseiter. Aber einen Sitz mehr im Rat für die Linken – das wäre doch auch schon was.
4 Kyrillos Kaioglidis
Die Grillzangen von den Roten, damit die Wurst nicht schwarz wird, sind der Hit am SPD-Stand. Ihr Bürgermeisterkandidat ist Kyrillos Kaioglidis, der Wirtschaftsförderer aus dem Rathaus ist nicht weit weg und doch auf Distanz. Nichts Rotes im Flyer, bis auf den fettgedruckten Hinweis, dass die SPD seine Kandidatur unterstützt. „Ich bin kein Parteimensch“, erklärt der 49-Jährige seine Kandidatur als Einzelbewerber, „das hätte mir keiner abgenommen.“
Natürlich, sagt er, wünsche er sich eine starke SPD-Fraktion im Rat, die ihm als Bürgermeister den Rücken stärke. Deshalb nehmen ihn UWG, FDP und vor allem auch CDU in den letzten Wochen stärker aufs Korn. „Spätestens nach der Wahl beruhigt sich das wieder“, sagt Kyrillos Kaioglidis, der dank seiner Position im Rathaus für den Wahlkampf aus dem Vollen schöpfen kann: Es gibt halt kaum einen Ortsteil, für den er nicht ein Projekt benennen kann, an dem er gearbeitet hat oder noch arbeitet – und wenn es gar nichts anderes gibt, dann ist es eben der Anschluss ans schnelle Internet. Und es gibt auch kaum jemanden von Gewicht in Vereinen und Gewerbe, den er nicht schon dienstlich kennen gelernt hat und nun für seine Reihe der „Hilchenbacher Gesichter“ porträtieren darf. „Warte mal, ich muss mal kurz Hallo sagen.“ Tante Elsbeth, wie er sie anspricht, kennt „Kyri“, wie sie ihn hier alle nennen, schon aus Kindertagen.
Bernhard Grauer ist mit seiner Drehorgel gekommen, um dem Kandidaten („Weil ich seinen Sohn auf der Ginsburg verheiratet habe“, erklärt der Auch-Standesbeamte) zu unterstützen. Dass gerade die „Weißen Rosen aus Athen“ von der Rolle laufen, ist Zufall. Passt aber. Die Eltern stammen aus dem Norden Griechenlands, aus einem Landstädtchen nordöstlich von Thessaloniki. Waren Gastarbeiter der ersten Generation. Kyrillos Kaioglidis wurde in Deutschland geboren, machte am Jung-Stilling-Gymnasium sein Abi, stieg in die Gastronomie der Eltern ein, sattelte zum Reiseverkehrskaufmann um und absolvierte nebenbei das Studium zum Betriebswirt. Klar ist Papa, der mit 85 immer noch zwischen beiden Ländern pendelt, „ein bisschen stolz“, sagt der Sohn. Seine Stimme hat er jedenfalls am 13. September – als EU-Ausländer wird der Vater mit dem griechischen Pass in Hilchenbach mitwählen.
Zur Person
Kyrillos Kaioglidis (49), geboren in Troisdorf, lebt seit 1971 in Hilchenbach. Nach dem Abitur am Jung-Stilling-Gymnasium absolvierte er eine Ausbildung zum Reiseverkehrskaufmann und ein Studium zum Betriebswirt, Fachrichtung Tourismus.
2005 fing Kyrillos Kaioglidis als Fachkraft für Tourismus und Stadtmarketing bei der Stadt an. Seit 2016 leitet er die Stabsstelle Stadtmarketing, Tourismus und Wirtschaftsförderung. Außerdem ist er Vorsitzender des Aktionsrings und Geschäftsführer des Tourismus- und Kneippvereins.
Als 2004 die Olympischen Spiele in Athen stattfanden, kam Kyrillos Kaioglidis gerade richtig: Er vermittelte Hotels, machte Stadtführungen – „es war eine tolle Zeit“. Als er zurückkam, war die Tourismusstelle bei der Stadt Hilchenbach ausgeschrieben. Damals, berichtet er, „war ich der erste Ausländer im Rathaus“ – abgesehen von einem österreichischen und einem italienischen Kollegen bei den Stadtwerken. „Viele können meinen Namen mittlerweile sehr gut aussprechen“, stellt er fest. Seine Karriere könnte weiter gehen als bis zum Leiter einer Stabsstelle des Bürgermeisters. „Es lag nahe, dass ich meinen Hut in den Ring werfe“, sagt er. Auch wenn, wie er einräumt, die Kandidatur in seinem Lebenslauf sicher nicht vorbestimmt war. Auf der Drehorgel läuft mittlerweile das „Ännchen von Tharau“.
5 Uwe Limper
Es geht immer noch um die Wertstoffcontainer und ihren Platz in Vormwald. Irgendwie ist das wichtiger als die übrige Stadtpolitik. Er werde beim nächsten Treffen der Dorfältesten vorbeischauen, verspricht Uwe Limper und gibt der Bürgerin eine Rose mit. Der Mann aus dem Ordnungsamt ist ganz nah dran an den Themen, die Ärger machen können.
Ilias Gintikas, sein Nachbar, leistet dem Einzelbewerber Gesellschaft auf dem Wochenmarktstand. Von ihm sind die Fotos, die Uwe Limper im Wahlkampf einsetzt. Früher als alle anderen ist der 57-Jährige gestartet – dass er es diesmal wissen will, hat er für sich schon direkt nach der letzten Wahl entschieden. Er kennt das Leben draußen, der gelernte Schlosser hat lange in Handwerk und Industrie gearbeitet. Und er kennt die Innenseite der Macht in der Stadt: als Personalrat, als langjähriger Vize im Bauhof. „Die Menschen wollen Veränderung“, sagt Uwe Limper, und die will er liefern: indem er mit den Menschen spricht, sie fragt und sie zum Mitmachen und Zusammenrücken anregt. „Gemeinsam kriegen wir auch was bewegt.“
Zur Person
Uwe Limper (57), geboren in Siegen, einer Ausbildung zum Schlosser in Handwerk und Industrie gearbeitet. 1996 kam er zum Bauhof, wurde stellvertretender Leiter und wechselte dann in die Ordnungsbehörde.
Nebenberuflich betreibt Uwe Limper mit seiner Familie das von ihm vor zwei Jahren eröffnete Fahrradgeschäft „Hirad“.
Dass es am Ende fünf Kandidaten werden, die sich zur Wahl stellen, damit hat Uwe Limper nicht gerechnet. Dass er gegen die von Parteiapparaten erzeugte Energie der Mitbewerber im Wahlkampf nur begrenzt mithalten kann, ist ihm bewusst: „Meine Familie ist meine Unterstützung.“ Auf verlorenem Posten sieht Uwe Limper sich dennoch nicht: Schließlich kennt er die Themen von den Straßenbaubeiträgen bis zum Kulturellen Marktplatz, mit denen er realitätsnah umzugehen gedenkt. „Ich mache keine Versprechungen“, sagt er, schon gar keine, „die nicht finanzierbar sind.“ Aus Gesprächen mit Bürgern hört er heraus, dass er damit nicht verkehrt liegt: „Ich bin zuversichtlich.“
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