Siegerland. Die rund 100 Chöre im Siegerland suchen in der Corona-Krise Wege, um ihre Probenarbeit fortsetzen zu können: mit teils sehr originellen Lösungen.

Das Corona-Virus hat auch das Chorleben im Siegerland auf den Kopf gestellt und viele lieb gewonnene Gewohnheiten von Sangesbegeisterten verändert. Etwa den wöchentlichen Chorbesuch. „Ich habe meine Mitsänger seit dem 7. März nicht mehr gesehen“, sagt Gert Bruch, aktives Mitglied der Bichelbacher Sangesfreunde in Gernsdorf, aber vor allem Vorsitzender des Chorverbands Siegerland, Dachorganisation von etwa 100 Siegerländer Chören. Das im März ausgesprochene Verbot aller sängerischer Aktivitäten in Vereinen wurde inzwischen zwar aufgehoben und es darf wieder geprobt werden. Die Auflagen jedoch haben es in sich.

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Siegerland: Corona-Regeln für Chöre

Weil Aerosole, feinste Bläschen der Atemluft und damit hauptverantwortlich für die Verbreitung der Viren, vor allem beim Singen ausgestoßen werden, gelten besonders große Abstandsregeln. Von Sänger zu Sänger nach links und rechts je drei Meter, nach vorne vier Meter. So hat es der Landesmusikrat Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit Virologen festgelegt. Bisheriges Proben, bei dem alle möglichst dicht beieinander sitzen oder stehen, damit sie gut aufeinander hören können, ist daher nicht möglich. Vor allem, weil die meisten Probenräume zu klein sind. Hinzu kommt, dass Chöre, die den Probenbetrieb wieder aufnehmen wollen, ihr Hygienekonzept dem zuständigen Ordnungsamt vorlegen und genehmigen lassen müssen.

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Lösungen für Chorproben in Siegen und Umgebung

Viele Chöre haben angesichts dieser hohen Hürden, vor allem jedoch, um ihre Mitglieder nicht zu gefährden, das Proben vorläufig eingestellt, darunter auch der traditionsreiche Gospeltrain.

Die Weidenauer Gospelformation Reach Out hat kürzlich erstmals wieder geprobt: Unter freiem Himmel.

Gert Bruch schätzt, dass nur noch 15 bis 20 Prozent „seiner“ Chöre einen halbwegs regelmäßigen Probenbetrieb haben. Darunter der gemischte Chor Vocale Arioso Netphen: Der ist von seinem angestammten Übungsraum ins größere Schützenhaus Sohlbach umgezogen. Chorleiterin Adelheid Fassbender hat ein Konzept entwickelt, das vom Ordnungsamt Netphen akzeptiert wurde: Bis zu zehn Vokalisten, das ist die Hälfte des Chores, dürfen an einer Probe teilnehmen, die auf eine Stunde beschränkt bleiben muss. Danach wird gründlich durchgelüftet, bevor die zweite Hälfte singen darf. Margret Welkert, seit sechs Jahren dabei, findet die großen Abstände untereinander überhaupt nicht problematisch: „Man singt zwar praktisch alleine. Das ist neu für mich und fordernd. Aber wir schulen uns durch diese Art des Singens. Unsere Chorleiterin hört sehr genau und achtet darauf, dass trotz der Abstände ein Chorklang entsteht.“

Michael Blume, einer der renommiertesten und erfolgreichsten Chorleiter, verfolgt unterschiedliche Konzepte. Seine Ü-60-Singers teilt er in zwei Gruppen und kann in einem großen Probenraum in Weidenau mit bis zu 15 Choristen arbeiten. Seinen Männerchor „Lahnvocal“, mit dem er durch die fulminanten Auftritte beim WDR-Wettbewerb „Der beste Chor im Westen“ deutschlandweit bekannt wurde, bittet er in voller Besetzung in die Volkshalle Feudingen. Dort ist genug Platz für alle. Und für Akzente, den gemischten Meisterchor, steht, allerdings nur bei gutem Wetter, ein besonderer Probenort bereit: in Bürbach im verwunschenen Garten einer Sängerin. Hier stimmen die Abstände, alle haben frische Luft, im Hintergrund plätschert ein Bach, Vögel zwitschern und die Nachbarn freuen sich über wunderschönen Gesang.

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Sorge um die Zukunft der Siegerländer Chorlandschaft

Doch wann es auch für die anderen Chöre wieder losgeht, steht in den Sternen. Sowohl Michael Blume als auch Gert Bruch sind pessimistisch: „Viele Chöre werden diese Krise nicht überstehen.“ Und die vom Land versprochene einmalige Hilfe von 400 Euro? Bruch: „Die ist, sofern sie überhaupt ankommt, ein Tropfen auf den heißen Stein.“

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