Siegen. Ringen um Klimaschutz: Das letzte Mal in dieser Wahlperiode tritt der Rat Siegen zusammen – beschlossen wird eher wenig, aber Wahlkampf geführt.

Irgendwann geht Michael Groß der Hut hoch. „Wir signalisieren der Bevölkerung, dass wir alles fürs Klima tun wollen und bei jeder kleinen Entscheidung wird das Klimaziel abgelehnt – an jeder kleinen Stellschraube wird nicht gedreht“, poltert der Fraktionsvorsitzende der Grünen in der letzten Siegener Ratssitzung dieser Wahlperiode – eine Sitzung, die deutlich von Wahlkampf-Geplänkel geprägt ist. Denn es wird eigentlich kaum etwas beschlossen, dafür aber der politische Gegner beschossen.

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Streit um Richtlinie für Verkauf von Siegener Wohnbaugrundstücken

Michael Groß’ Ausbruch bezieht sich auf eine Richtlinie, nach der städtische Grundstücke für Ein- und Zweifamilienhäuser verkauft werden sollen. Das ist durchaus eilig, die Stadt hat nämlich Interessenten bis zum politischen Beschluss vertröstet. Bei der Auswahl der Käufer gibt es verschiedene Kriterien – Einheimische vor Auswärtige etwa. Die Grünen haben beantragt, diesen Wohnortbezug als Kriterium zu streichen, um Menschen, die nach Siegen ziehen möchten, nicht zu benachteiligen. Außerdem soll es sich positiv auswirken, wenn eine Einliegerwohnung gebaut und zehn Jahre fremd vermietet wird – und wenn ein hoher Energiestandard eingehalten wird.

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Damit sind die anderen zunächst gar nicht einverstanden. „Wir müssen auch bauwilligen Siegenern Grundstücke preisgünstig anbieten können“, sagt Ingmar Schiltz (SPD), Günter Bertelmann (UWG) gibt zu Bedenken, dass man die Fremdvermietung einer Einliegerwohnung überhaupt nicht überprüfen könne. „Dieser Katalog erinnert an die Warteliste auf einen Trabi“, findet der fraktionslose Dr. Wolfgang Sonneborn.

Klimaschutz bei allen Parteien in Siegen oben auf der Agenda

„Ich bin erschüttert und entsetzt“, ruft dann Michael Groß, wirft der SPD vor, Klimaschutz als ein oberstes Wahlkampfziel zu etikettieren und gleichzeitig einen höheren Energiestandard abzulehnen. Wo er gerade dabei ist, liest Groß auch Jamaika-Koalitionspartner CDU die Leviten: Bei jeder Entscheidung seit dem Grundsatzbeschluss vor etwa einem Jahr sei das Klimaziel nicht berücksichtigt worden. „So kommen wir beim Klimaschutz überhaupt nicht weiter.“

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Die anderen grummeln. Aus Stellschrauben dürften keine Schraubzwingen werden, sagt Ingo Janson (CDU), der geforderte Energiestandard sei eine zu große Belastung für Interessenten, sagt sein Fraktionskollege Henner Klaas. Man könne vertraglich regeln, was passiert, wenn sich ein Käufer nicht an die Vorgaben halte; wenn der soziale Faktor berücksichtigt werden solle, könne man als Stadt das Grundstück billiger verkaufen und gleichzeitig trotzdem etwas für den Klimaschutz tun, versucht Peter Schulte (fraktionslos) zu vermitteln.

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Und weil irgendwie alle Parteien den Klimaschutz ziemlich weit oben auf ihre Wahlkampfagenda gesetzt haben und es nur noch gut zwei Wochen bis zur Kommunalwahl sind, wird nach einer Sitzungsunterbrechung der hohe Energiestandard für den Hausbau beschlossen.

Fahrradabstellanlagen sind nicht gleich Fahrradboxen

Eine Anfrage der Linken, um den Radverkehr zu stärken. Zwischenzeitlich hat die Stadt eine Vorlage für 36 abschließbare Fahrradboxen in der Oberstadt erarbeitet – und hier sitze man gemeinschaftlich einem Irrtum auf, bemerkt Joachim Boller (Grüne): Fahrradboxen seien gedacht für Oberstadt-Anwohner, die im Haus keinen Platz zum Abstellen des Rads haben und längerfristig mieten wollen (und Touristen). Mit Abstellanlagen seien eher Metallbügel für Großveranstaltungen oder vor Supermärkten gemeint. „Das ergänzt sich, ist aber nicht das gleiche“, sagt Boller.

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Status: Der Arbeitskreis Radverkehr soll sich mit dem Thema beschäftigen.

Eine Anfrage der Grünen, auf sogenannte Drängelgitter – Pfosten und Gattern an Radwegen, „Umlaufsperren“ im Fachjargon – zu verzichten, weil die Radfahrer nicht schützten, sondern eine Gefahr seien. Eigentlich gedacht, um andere Verkehrsmittel vom Fahren auf dem Radweg abzuhalten und Radfahrer daran zu hindern, einfach auf die Straße zu fahren, bremsten die Sperren umgekehrt auch Radler aus, die von der Straße auf den Radweg einbiegen wollen, sagt Joachim Boller. Bei Gruppen, gerade mit unsicheren Radfahrern, führe das zu Staus auf der Autostraße. Und weil Fahrradanhänger einen Meter breit sein dürfen – und Drängelgitter entsprechend ebenfalls – werde kein Motorradfahrer daran gehindert, auf den Radweg zu fahren. Andererseits verhinderten sie eben auch, dass unachtsame Radfahrer ohne zu bremsen auf die Straße fahren

Volle Papiercontainer: Appelle helfen nicht

Eine Anfrage der UWG zu den notorisch überquellenden Haushalts-Papiertonnen und in der Folge auch der -container: Die Stadt solle prüfen, ob nicht häufiger geleert werden könne. Auch dieses Thema wird in den zuständigen Fachausschuss geschoben.

Gerade in der Oberstadt sei es das gleiche Problem wie mit den Fahrrädern, sagt Michael Groß: Die Leute hätten in ihren Häusern keinen Platz für Tonnen. Das Problem seien sperrige Kartonagen, eine Folge der vielen Online-Bestellungen, so Henner Klaas. Man solle doch das Problem bei der Wurzel packen und an die Bevölkerung appellieren, große Verpackungen zu zerkleinern, dann passe das auch in die Haushaltstonnen. Nichts anderes tut die Stadtverwaltung seit Jahr und Tag – mit überschaubarem Erfolg.

Häufigere Leerung bedeute auch mehr Kosten, warnt Ingmar Schiltz – die Container kosten gar nichts, sind halt nur oft überfüllt. Nicht nur mit Papier, merkt Stadtrat Arne Fries an.

Status: Die Verwaltung listet alle Drängelgitter auf und prüft sie, dann berät der Fachausschuss.

Siegener Grüne sehen Science Campus der Uni nach wie vor kritisch

Science Campus: Die Grünen beharren darauf: Der größere Flächenverbrauch der Universität am Haardter Berg – drei Hektar mehr – sei nicht gut begründet und der Waldverlust zu hoch, das geplante Laborgebäude (wir berichteten) könne auch woanders stehen. Stadtbaurat Henrik Schumann wird ungehalten: Mitnichten sei der Bebauungsplanentwurf nur auf Wald ausgeweitet worden, sondern auch auf Campus-Bestandsgebiet. Die Uni habe die Erfordernisse für das Laborgebäude intensiv geprüft und das auch ausgiebig begründet.

Status: Der Bebauungsplanentwurf ist mehrheitlich beschlossen und wird öffentlich ausgelegt.

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