In keinem Ort des Siegerlandes bekommt die Gastronomie von den Bewohnern so schlechte Noten wie in Netphen. Zu Recht?

Im Frühjahr haben Leserinnen und Leser dieser Zeitung den Heimat-Check gemacht und ihrer Stadt ein Zeugnis ausgestellt. Wir haben die lokale Politik mit den Ergebnissen konfrontiert und um Stellungnahmen gebeten: Beim Thema Gastronomie ist Netphen mit der Durchschnittsnote 3,78 Schlusslicht des gesamten Siegerlandes.

Dabei möchte die Stadt den Tourismus auch als wirtschaftliches Standbein ausbauen: In den letzen Jahren versuchte sie, sich als „Drei-Quellen-Stadt“ (von Sieg, Eder und Lahn) einen Namen zu machen. Auch in den Debatten um die Zukunft des Freizeitparks spielte immer wieder die Attraktivität für Gäste eine Rolle. Mit einem gut ausgebauten Radwegenetz hat Netphen sich einen Manen gemacht. Mit dem Rothaarsteig, dem Kelten- und dem Sonnenweg ist Netphen auch ein attraktives Ziel für Wanderer. Woran liegt es also, dass die Gastronomie auf keinen grünen Zweig kommt?

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Sebastian Zimmermann, CDU: Durch Tourismus neue Geschäftsmodelle

Eine gute Gastronomie ist wichtig für die Lebensqualität, die Geselligkeit und den Austausch untereinander. In einigen Ortsteilen haben wir ein sehr gutes Angebot, aber leider nicht mehr flächendeckend. Durch Corona sind viele zudem in Schieflage geraten. Diese gilt es aufzufangen. Wir wollen Netphens Identität als Wohn-, Freizeit- und Sportstadt nutzen und aktiv Gastronomen mit einbinden. Durch die Steigerung der touristischen Attraktivität durch Wander- und Mountainbiking-Angeboten und Übernachtungsmöglichkeiten sollen sich neue Geschäftsmodelle für Gastronomen ergeben. Das Netpher Einkaufszentrum soll mehr zum Verweilen einladen und mit Gastronomieangeboten versehen werden.

Manfred Heinz, SPD: Billigkultur sorgt für Verarmung beim Angebot

In der Corona-Krise ist die Gefährdung für den wirtschaftliche Betrieb von Gastronomie noch einmal gefährlich angestiegen. Der Normalverdiener (zumal als Familie) ist aber kaum in der Lage, die Gastronomie häufig zu beanspruchen. Wenn wir zu Recht hohe Qualität der Lebensmittel und gute Löhne für die Beschäftigten fordern, wird der Preis für das Produkt zwangsläufig hoch. Unsere „Billigkultur“ setzt andere Konsumakzente und sorgt damit für eine Verarmung beim Angebot.

Die kommunale Politik kann in diesen marktwirtschaftlichen Prozess nur indirekt eingreifen. Wir können über Anregungen für den Tourismus, über Grundstückspolitik und Standortbeeinflussung für eine zusätzliche Nachfrage sorgen.

Klaus-Peter Wilhelm, UWG: Bewertung hätte besser ausfallen sollen

Die Bewertung sollte eigentlich besser ausfallen, denn auch in Netphen haben wir, gerade wenn es um Speisegaststätten geht, hervorragende Betriebe, die man nur empfehlen kann. Die große Zahl der Gäste sprechen für sich und schlechte Beurteilungen haben wir so gut wie nicht vernommen. In Dreis-Tiefenbach und Netphen haben wir zwei gute Eisdielen. Dann gibt es in einigen Ortsteilen noch Imbissbetriebe, die von uns schlecht bewertet werden können. Kneipen im herkömmlichen Sinne gibt es nur noch wenige, und wo wir ganz schlecht aufgestellt sind, sind Cafés. Einfluss haben wir hier wenig, denn was Brauereien oder Verpächter nicht schaffen, da hat auch die Politik nicht allzu viel Möglichkeiten.

Helga Rock, Grüne: Biergarten im Zentralort wäre wünschenswert

Auch hier geht es wohl in erster Linie um den Zentralort Netphen. In einzelnen Ortsteilen gibt es ein gutes gastronomisches Angebot, das hoffentlich in all seinen Facetten auch nach der Coronapandemie vorhanden ist. Im Zentralort konnte sich leider bislang keine umfassendes gastronomisches Angebot etablieren. Der Rat der Stadt Netphen hat hier nur einen bescheidenen Einfluss. Wünschenswert wäre unseres Erachtens ein Angebot mit einem Biergarten, das zum Beispiel das Element Wasser mit berücksichtigt, so dass dieser Betrieb ein „Alleinstellungsmerkmal“ hätte und ein Angebot für Mittags- und Abendgeschäft darstellen könnte.

Louis Roth, FDP: Stadt muss attraktive Plätze für Bürger schaffen

Leider haben wir seit den 80iger Jahren immer wieder Restaurantschließungen im gesamten Stadtgebiet. Meist werden diese durch Fastfood-Restaurants ersetzt. Letztlich ist es eine städtische Aufgabe, Bereiche wie Gärten oder Parks für Bürgerinnen und Bürger zu schaffen, in denen sie sich länger aufhalten möchten. Sobald man einen solchen Bereich für Bürgerinnen und Bürger etabliert hat, sind diese attraktiver für Restaurants und sonstige Gastrobetriebe. Leider sind solche Bereiche in Netphen kaum vorhanden oder haben nicht die nötige Anziehung für Bürgerinnen und Bürger. Wir werden ein größeres Augenmerk auf solche Bereiche lenken und hoffentlich somit zu einem breiteren Gastronomieangebot in Netphen beitragen.

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