Kaum ein Bereich wird von unseren Leserinnen und Lesern so schlecht beurteilt wie der ÖPNV. Und so sehen das die Kreistagsfraktionen.

Im Frühjahr haben Leserinnen und Leser dieser Zeitung den Heimat-Check gemacht und ihrer Stadt ein Zeugnis ausgestellt. Wir haben die lokale Politik mit den Ergebnissen konfrontiert und Parteien und Ratsfraktionen um Stellungnahmen gebeten.

Beim Thema Öffentlicher Nahverkehr schneidet das Siegerland im Urteil aus allen Städten und Gemeinden schlecht ab – am schlechtesten in Siegen selbst mit der Durchschnittsnote 4,08, die zugleich die in allen 14 Kategorien negativste Beurteilung darstellt. Im Siegerland-Durchschnitt kommt eine 3,55 zusammen – dieses Urteil wird nur noch beim Blick auf den Wohnungs- und Baugrundstücksmarkt unterboten. Begründungen gibt es viele: Busse sind unpünktlich oder fallen aus, die Verbindungen sind zu ungünstig, die Fahrpreise zu hoch.

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Bernd Brandemann, CDU: Es geht um passgenaue Verbesserungen

Das Urteil ist absolut verständlich. Buslinien sind ausgefallen, der Nahverkehrsplan wurde nicht eingehalten. Auch zum Ärger der CDU. Die Erwartungen an zuverlässige Busse und Bahnen wurden enttäuscht. Covid 19 bremst den notwendigen Trend für mehr Bus oder Bahn, das eigene Auto gilt als Pandemie-sicherer. Neues Vertrauen muss entstehen. Ziele der CDU: Den Nahverkehrsplan pragmatisch prüfen und aus Ergebnissen des erwarteten Gutachtens die Schlüsse ziehen. Es geht um passgenaue Verbesserungen für Siegen/Kreuztal wie für den ländlichen Raum – sowie deren Verknüpfung und digitale Vernetzung. Neue Angebote müssen bedarfsorientiert und die Knotenpunkte „angenehme Orte“ sein.

Michael Sittler, SPD: Ich halte einen günstigeren Tarif für zwingend notwendig

Davon ausgehend, dass ein funktionierender ÖPNV ein wichtiger Bestandteil der Daseinsvorsorge ist, kann ich die geäußerte Kritik durchaus nachvollziehen. Zum einen ist das Tarifsystem zu kompliziert und die Nutzung im Kreis Siegen-Wittgenstein zu teuer. Zum anderen ist der ÖPNV zurzeit aus unterschiedlichsten Gründen unzuverlässig. Ich halte einen günstigeren Tarif für zwingend notwendig, um das durch die Corona-Pandemie verlorene Vertrauen in den ÖPNV zurückzugewinnen und Bürgerinnen und Bürgern den Umstieg vom motorisierten Individualverkehr zum ÖPNV schmackhaft zu machen. Der Verkauf der VWS war ein großer Fehler. Dieser Fehler muss aus meiner Sicht in absehbarer Zeit korrigiert werden.

Christiane Berlin, Grüne: Nachtbus und Schnellbus für jeden Ort ohne Bahn

Der Heimatcheck bestätigt uns darin, dass es bei Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Barrierefreiheit, engerer Taktung, kürzeren Bestellfristen für Taxibusse und Preisgestaltung viel Luft nach oben gibt und spiegelt die unterschiedliche Situation in den Kommunen. Selbst wenn nicht überall Busse in hoher Taktfrequenz fahren können, gibt es viel Entwicklungspotenzial. Jeder Kernort sollte an das Nachtbussystem angeschlossen, schienenferne Räume durch regionale Schnellbuslinien mit dem Schienennetz verknüpft und alle Ortsteile mit Rufbussen eingebunden werden. Die Prüfung der Re-Kommunalisierung könnte Einfluss auf ein zuverlässiges und preisgünstiges Angebot haben.

Guido Müller, FDP: Menschen sollen über 0-Euro-ÖPNV direkt entscheiden

3,55 ist ja nicht mal mehr befriedigend. Das wundert mich in unserem großen Flächenkreis nicht. Wer ehrlich ist, muss auch erklären, dass der ÖPNV das Auto und Motorrad nicht ersetzen kann. Der Mangel an Busfahrern und das Ausfallen von Fahrten tragen zur schlechten Note natürlich auch bei. Da hilft auch keine Kommunalisierung des Verkehrsunternehmens. Eher schon die Beantwortung der Frage nach einem „kostenfreien ÖPNV“, den wir alle solidarisch bezahlen müssten. Wollen wir das? Mein Vorschlag: Lassen wir die Menschen in Siegen-Wittgenstein direktdemokratisch selbst darüber entscheiden Hängen wir ein Preisschild daran und trauen wir den Bürgern mehr Selbstbestimmung zu!

Hans Günter Bertelmann, UWG: Verbesserung ist Mammutaufgabe für die nächsten Jahre

Mit dem Urteil 3,55 für den ÖPNV wird deutlich, dass die Bürgerschaft mit dem aktuellen Angebot eher unzufrieden ist. Für uns als UWG bedeutet dies konkret, dass wir die Verbesserung der Nahverkehrsinfrastruktur als Mammutaufgabe der nächsten Jahre verstehen und uns dafür einsetzen, dass Bus- und Bahnverkehre hinsichtlich Taktung und Preisgestaltung aufeinander abgestimmt werden müssen, mehr in Qualifikation des Fahrpersonals bei tarifgerechter Bezahlung investiert werden muss, bei allen Straßenausbaumaßen der Ausbau von Busspuren berücksichtigt werden sollte, mit der Einführung eines Jahrestickets (365€ -Ticket) für Geringverdiener die Auslastung des ÖPNV erhöht wird.

Ullrich Georgi, Linke: Kostenloser ÖPNV könnte denUmstieg befördern

Die Kreistagsfraktion Die Linke ist nach wie vor der Auffassung, dass attraktive und preisgünstige Verkehrsangebote durch Busse und Bahnen durch ein auf Gewinnerzielung orientiertes Unternehmen nicht erbracht werden können. Wir treten daher für eine Rekommunalisierung der VWS ein. Ein für die Fahrgäste kostenloser ÖPNV, mindestens aber eine Netzkarte für 10 Euro pro Monat könnte ein wirksames Mittel sein, den Umstieg vom Pkw zu Bus und Bahn zu befördern. Eine bessere Koordination von Bus- und Bahnstrecken zum Beispiel durch ein S-Bahn-Netz im Sieg-Ferndorf- und Weißtal sowie die Verbesserung der Umstiegsmöglichkeiten von Pkw oder Fahrrad zum ÖPNV würden schon jetzt zur Verbesserung beitragen.

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