Kreuztal. Die gebürtige Kreuztalerin Katharina Afflerbach erzählt, wie drei Bergsommer ihr Leben verändert haben. Das stößt auf großes Interesse.
Das Geläut von Kuhglocken drängt sich in den Vordergrund der Sprachnachricht. Katharina Afflerbach, die Texterin, hat gerade nichts zu schreiben dabei. Sie ist wieder Sennerin auf der Alp. Bei den Aebys. Zehndervorsass heißt die Alp. Das ist im Hengstschlund, erklärt die gebürtige Kreuztalerin auf Nachfrage. Na gut, also irgendwo im Kanton Bern in einem Tal zwischen den Gipfeln. Im Juni, zum Alpaufzug, war sie dieses Jahr schon da, hat die Tiere mit auf die Berge hinauf begleitet, und Ende September, zum Alpabzug, kommt sie auch noch einmal für zwei Wochen, „das ist besonders viel Arbeit.“ Oder auch früher, je nach dem, wie lange das Grün oben in den Bergen ausreicht.
Wieder auf der Alp
Morgens um halb sechs die Ziegen melken, dann sich den ganzen Tag lang um Kühe, Rinder und Schafe kümmern, Zäune reparieren, vermisste Tiere suchen – das hat Katharina Afflerbach drei Bergsommer lang gemacht, 2014, 2015 und 2016. Vorher hat sie ihren Job als Marketingdirektorin einer Hotelkette gekündigt, ihre Wohnung in Köln aufgelöst und die Möbel zu Hause in Kreuztal eingelagert. Keine Glitzerwelt mehr mit schönen Bildern einer Urlaubsillusion, keine Traumschiff-Phantasien mehr für Kreuzfahrtreedereien, für die sie vorher in Köln und Hamburg gearbeitet hat.
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Nein, aussteigen und auf der Alp neu anfangen – das war es nicht, was Katharina Afflerbach angetrieben hat. Die Alp ist kein Heidi-Land, die Arbeit dort ist hart, und die kurzen Sommer in den Bergen zwischen 1400 und 1900 Höhenmetern können auch schon mal grauselig sein, mit zwei Grad Kälte, Nebel und schon wieder ersten Schneeflocken. Bei der Familie Aeby, ihrer Tochter und den beiden Jungs, lernt die gebürtige Kreuztalerin in ihren Bergsommern, worauf es ankommt: die eigenen Kräfte zu spüren und zu entwickeln, mit Natur und Kreatur zu leben, und nicht gegen sie.
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Auf Platz 19 der Spiegel-Bestsellerliste
„Bergsommer“ hat sie ihr Buch genannt, das im vorigen Jahr erschienen ist und das sie auch zu Hause in Kreuztal vorgestellt hat. Jetzt, bei ihrem Besuch auf der Alp, erreicht sie die Nachricht, die sie gern weitererzählt: Der „Bergsommer“ hat soeben Platz 19 auf der Spiegel-Bestsellerliste erreicht, in der Rubrik Sachbuch/Paperback. Im Corona-Jahr 2020 ist die Neugier auf Alternativen zum Hochgeschwindigkeitsleben offenkundig gewachsen. Katharina Afflerbach, die nach dem Abo in Kreuztal und während ihres Studiums in Siegen auch für diese Zeitung als freie Reporterin gearbeitet hat, ist zu Recht auch stolz: „Das passiert ja nicht oft, dass jemand aus dem Siegerland auf der Spiegel-Liste erscheint.“
Idee: Workshops in den Bergen
Katharina Afflerbach hat längst wieder eine Wohnung in Köln, hat sich mit ihrer beruflichen Selbstständigkeit als Texterin und Coach etabliert. Und inzwischen eine Idee, wie die Berge in Zukunft eine Rolle spielen können, die verschiedenen Lebenswelten unter einen Hut zu bringen: Sie will Bergwanderführerin werden. „Das kann ich mit meinen Trainings und Workshops super kombinieren“ – für die Teilnehmenden eine Chance, ebenfalls, wie damals Katharina Afflerbach, einen anderen Blick auf ihr Leben zu werfen. Im Oktober ist die Aufnahmeprüfung für die Ausbildung: „Ich muss 1000 Höhenmeter in zwei Stunden schaffen.“
Was wirklich wichtig ist
Ein Stück Alp hat sie in Köln inzwischen fest etabliert: ihre monatlichen „Fondues for Live“. In ihre Wohnung lädt Katharina Afflerbach zum Fondue mit Käse aus der Schweiz ein – wildfremde Menschen lernen sich dabei kennen und schmausen für einen guten Zweck, für Ärzte ohne Grenzen oder Amnesty, für ein Kinderhospiz oder ein Patenkind in Zimbabwe. Mittlerweile richtet sie auch richtige Dinners for Live aus, die während des Lockdown auch per Zoom funktioniert haben, oder als Ableger ein „Wandern for Live“. Mit anderen Menschen eben, die ebenfalls den Blick auf das richten wollen, was wirklich wichtig ist.
Wichtig? Bei der nächsten Sprachnachricht wird es noch einmal richtig laut. Nicht wie das Läuten der Kuhglocke, die die Aebys ihrer Hilfs-Sennerin geschenkt haben und die gerade auf einem Studiotisch beim NDR stand, der eine ganze Sendung mit der Kreuztalerin gemacht hat. „Die Schweine rufen“, berichtet Katharina Afflerbach, „die müssen dringend gefüttert werden.“
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