Siegen. In Siegener Innenstadt möchten Gegner der Corona-Beschränkungen ins Gespräch kommen. Sie möchten nicht als Extremisten dargestellt werden

Sieben Forderungen sind es, mit denen am Samstag auf der Bahnhofstraßenbrücke in Siegen demonstriert wird. Gut zwei Dutzend Menschen sind dort zusammengekommen, um für Meinungsfreiheit und Datenschutz einzutreten, gegen Zensur im Internet, eine Impfpflicht und Einschränkungen des Grundgesetzes, wie sie zur Bekämpfung der Corona-Pandemie durch die Regierung verhängt wurden. Sie wünschen sich eine weniger einseitige Diskussionskultur und möchten vor allem nicht in bestimmte Schubladen und Ecken gedrängt werden.

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„Ich habe noch nie demonstriert“, sagt Michael Stier, der durch die Erkrankung einer Mitstreiterin in die Rolle des Sprechers geraten ist. Die Entwicklungen der vergangenen Monate hätten ihn auf die Straße getrieben, weil er sich Sorgen mache. Um die Demokratie,die öffentlich-rechtlichen Medien, die aus seiner Sicht und der seiner Kollegen ihre Arbeit nicht mehr vernünftig machten. Ständig die gleichen „Experten“, keine abweichenden Meinungen, das birgt für Stier die Gefahr, dass sich immer mehr Menschen Informationen anderswo suchten, frustrierter würden.

Corona-Demonstranten in Siegen: Randgruppen nicht repräsentativ

Er verstehe nicht, dass einerseits ausgewogene Berichte oft nur in „alternativen Medien“ verfügbar seien. Andererseits „löscht YouTube kritische Videos“, kritisiert der Siegerländer. Es sei nicht Aufgabe dieser Plattformen, mit Zensur einzugreifen, wenn keine Hassbotschaften oder ähnliches verbreitet werde. Wenn von Extremisten die Rede sei, die sich unter den Demonstranten befänden – „extreme Leute gibt es doch bei jeder Demo“. Wahrheiten würden aber nicht unwahr, wenn sie von solchen Menschen ausgesprochen würden, findet Stier grundsätzlich. Und moniert zugleich, dass die Medien gerade solche Randgruppen herausfischten und als repräsentativ hinstellten.

Interesse an Kundgebung eher überschaubar

Mehr als die Hälfte des abgesperrten Areals auf der Brücke Bahnhofstraße ist frei. Innen sitzen einige auf dem Asphalt, andere tragen ihre Schilder und Transparente, die meisten halten Abstand, aber nicht alle. So richtig kennen sie sich eigentlich untereinander auch nicht, bemerkt Michael Stier. Weshalb er gar nicht sagen könne, ob nur Aktivisten im Demo-Bereich stehen, oder auch Passanten.

Interessanterweise ist ziemlich viel los zwischen 15.30 und 17.30 Uhr, offizielle Demo-Zeit. Die Café-Tische rundum sind voll, die Menschen flanieren ziemlich dicht gedrängt vorbei. Was die Polizisten eher gelassen betrachten, ein Demonstrant regt sich dennoch auf. Eigentlich machten sich all diese Leute strafbar, wenn es nach der aktuellen Politik gehe, die praktisch alle Menschen zu Verbrechern stemple, ereifert er sich.

Das Interesse insgesamt ist eher typisch und damit übersichtlich für eine solche Veranstaltung in Siegen: Die Masse der Passanten rauscht wie so oft vorbei, gönnt den Leuten innerhalb des Absperrbandes höchstens einen kurzen Blick von der Seite. Immerhin gelingt es Michael Stier und einigen anderen, ihr Ziel zu erreichen, sie kommen mit einigen Passanten ins Gespräch, können sich über ihre Vorstellungen austauschen. Und das Grundgesetz als Taschenbuch verteilen, für das doch eigentlich alle sein müssten.

Die Siegener Demonstration ist für 100 Leute angemeldet, 50 Prozent mehr, als die Stadt für den 1. Mai vor dem Rathaus zugelassen hat. Trotzdem findet ein anderer Teilnehmer die Einschränkungen nicht mehr hinnehmbar. „Wir wollen zum Zustand zurück, den es davor gab“, fordert der Jurist, der seinen Namen nicht nennen will: „Warum, dann müsste ich Ihnen ja vertrauen?!“

Corona-Maßnahmen der Regierung seien nicht mehr angemessen

Michael Stier lässt sich auf Fragen von Passanten ein. Ihm passt es nicht, durch aus seiner Perspektive ungerechtfertigte Pauschalisierungen in der Berichterstattung diskreditiert zu werden. Wie solle denn eine vernünftige Debatte entstehen, „wenn ich mich erst immer rechtfertigen muss“, sagt er. Seine Glaubwürdigkeit stehe stets direkt in Frage. Er erklärt, warum er mit der Spendentätigkeit von Bill Gates Probleme hat und bittet, sich tiefer mit den Themen zu beschäftigen. Weil dies in den von ihm kritisierten Medien nicht passiere. „Ich will niemanden überzeugen“, sagt Stier. Dafür reiche die Zeit gar nicht.

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Er habe auch die Maßnahmen der Regierung am Anfang durchaus gut und angemessen gefunden, „als wir alle noch nicht mehr wussten“. Nun aber sei für ihn der Punkt gekommen, Dinge zu hinterfragen. Alle sollten kritischer auf die Dinge schauen. Aus einem anfangs stillen Protest weniger Leute werde immer mehr, ist er überzeugt. Und das könne im ungünstigsten Fall auch in negative Formen umschlagen, an denen er selbst kein Interesse habe, wenn die Politik nicht einlenke.

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