Müsen. Die Coronakrise ist für Incutech aus Müsen zur Chance geworden. Ab August und bis Ende 2021 kauft der Bund hier wöchentlich 500.000 Schutzmasken

Die Müsener Firma Incutech befasst sich eigentlich mit der Be- und Verarbeitung von Schaum- und Kunststoffen, das Hauptgeschäft sind Schallisolierungen für die Autoindustrie. In der Coronakrise stellte das Unternehmen in Hilchenbach früh auf die Herstellung von Schutzmasken um und zog schließlich einen großen Auftrag der Bundesrepublik an Land.

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Frühe Umstellung auf Corona-Zeit

Halb aus Spaß, halb aber auch schon mit ernsten Hintergedanken, hatte Sven Achenbach, Geschäftsführer von Incutech, vor etwa acht Wochen mit einem Freund die Idee, Schutzmasken herzustellen. Die Coronakrise stand noch am Anfang, ein Shutdown der Autoindustrie war noch nicht wirklich in Sicht. Zunächst habe VW die Werke geschlossen, erinnert sich Achenbach, BMW folgte. Da BMW einer der größten Kunden von Incutech ist, war Achenbach in diesem Moment klar: „Wir müssen jetzt irgendwas machen“.

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„Wie können wir mit den Mitteln, die wir haben, kurzfristig ein vernünftiges Endergebnis erreichen?“, diese Frage stellte sich der Geschäftsführer – und kam zu dem Ergebnis sogenannte Entenschnabelmasken herzustellen, die optisch eher an Kaffeefilter erinnern – so sei auch die Idee für diesen Typ entstanden. Achenbach schrieb seine Kontakte und die Bürgermeister der Region an, um vorsichtig vorzufühlen und den grundsätzlichen Bedarf zu ermitteln. Freitags um 11 Uhr habe er entsprechende E-Mails herumgeschickt, erinnert sich der Geschäftsführer – bis 12 Uhr habe er 17.000 Bestellungen erhalten.

Ausschreibung: Schutzausrüstung für die Coronakrise

Zertifiziert sind die Masken noch nicht, das sei zunächst auch nicht angestrebt gewesen. Ist das Produkt erst zertifiziert, darf es nicht mehr geändert werden, erläutert Achenbach. Farbe, Form und Band der Maske müssen dann genau so bleiben, wie sie sind. Dieser Punkt sei nun erreicht, so dass die Zertifizierung beantragt wurde. Bis Mitte Mai rechnet er mit der Bestätigung der Zertifizierung. 30.000 Masken hat Incutech bereits verkauft, ausgeliefert wurden sie noch nicht. „Wir hätten wahrscheinlich auch 300.000 Stück verkaufen können“, vermutet Achenbach.

Zwei Maskentypen

Medizinische Mund-Nasen-Schutzmasken (MNS), auch OP-Masken genannt, werden normalerweise im medizinischen Bereich genutzt. Sie schützen nicht den Träger, sondern seine Kontaktpersonen.

Partikel-filtrierende FFP-Masken (filtering face piece) schützen dagegen auch den Träger, da sie Schadstoffe aus der Luft filtern. Sie kommen üblicherweise in Arbeitsbereichen zum Einsatz, bei denen der Träger mit gesundheitsschädlichen Stoffen in Berührung kommt, aktuell auch bei der Behandlung von Corona-Patienten.

Ein Glücksfall für das Müsener Unternehmen war dann die Ausschreibung des Bundes. Um die Versorgung mit Schutzausrüstung zu gewährleisten, stellte dieser die langfristige Abnahme von drei Produkten in Aussicht: Schutzkittel, FFP2-Masken und OP-Masken. Für letztere, die in der Herstellung am einfachsten sind, bewarb sich Incutech – und erhielt den Zuschlag. 500.000 Masken pro Woche nimmt der Bund der Hilchenbacher Firma ab August ab, garantiert bis Ende 2021.

Glücksfall in Hilchenbach

Für das Müsener Unternehmen, das bisher aus 20 Mitarbeitern besteht, bedeutet das in der Coronakrise nun eine finanzielle Verbesserung anstatt Kurzarbeit. Ein absoluter Glücksfall, „aber leider Gottes eine absolute Seltenheit in der Krise“, weiß Achenbach, der sich freut, für sein Unternehmen die Gunst der Stunde nutzen zu können, aber auch mit denen mitfühlt, die diese Chance nicht bekommen. Incutech kam dabei zugute, dass die Firma sowieso mit Materialien arbeitet, die für die Maskenproduktion genutzt werden können. Auch an das begehrte Meltblown-Material, das äußerst knapp geworden ist, kommt Incutech über einen befreundeten Lieferanten noch heran. Meltblown-Stoffe bestehen aus mehreren Lagen feinster Fasern, die die Atemluft besonders gut filtern.

Geschäftsführer Sven Achenbach und Produktionsleiterin Somia Achenbach zeigen verschiedene Maskentypen, die die Müsener Firma Incutech in der Coronakrise herstellt
Geschäftsführer Sven Achenbach und Produktionsleiterin Somia Achenbach zeigen verschiedene Maskentypen, die die Müsener Firma Incutech in der Coronakrise herstellt © Tim Haacke

Außerdem spielt Incutech nun in die Karten, dass bei einem Umzug aus Eisern an den Standort in Müsen vor nicht ganz einem Jahr die Betriebsfläche von 800 auf 4000 Quadratmeter vergrößert wurde. Dazu kommt die frühe Entscheidung von Achenbach, sich mit der Maskenherstellung überhaupt zu beschäftigen und auch tatsächlich damit zu beginnen.

Müsener Masken auf für Privatleute

Für das Unternehmen und seine Mitarbeiter, die zwischenzeitlich auch schon in Kurzarbeit waren, ist die Zukunft bis mindestens Ende 2021 gesichert. Nun steht sogar eine Aufstockung der Mitarbeiterzahl im Raum, eine Investition von 250.000 Euro in eine neue Maschine war möglich. Auf dem aktuellen Erfolg möchte sich Achenbach aber nicht ausruhen, sondern die Situation bestmöglich nutzen.

Auf bis zu 1.200.000 Masken möchte der Geschäftsführer die wöchentliche Produktionskapazität erhöhen, um dem Bund mehr liefern zu können, falls es nötig wird. Aber auch sonst könne er die Masken aktuell problemlos auf dem Markt loswerden, sagt Achenbach.

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Für Privatleute stellt Incutech außerdem in Handarbeit Masken her, die sich an den besser schützenden FFP2-Modellen orientieren. Als solche zertifizieren lassen möchte Achenbach dieses Produkt aber nicht, da es dann nicht mehr an Privatleute, sondern nur an systemrelevante Gruppen verkauft werden darf. Für den Verkauf hat Achenbach eigens eine neue Internetseite eingerichtet. Auf Verkäufe vor Ort ist der Zulieferer-Betrieb nicht eingestellt, auch aus Gründen des Infektionsschutzes möchte Achenbach Kundenverkehr vermeiden. Wenn Müsener vor der Tür stehen, dann gäbe er ihnen aber gerne ein paar Masken, verrät Achenbach.

Die Masken gibt es unter www.westfalenschutz.de

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