Siegen. Der Rote 1. Mai erstreitet die Kundgebung in Siegen, der DGB weicht auf die Bildschirme aus.

„Ich bin Arbeiter und weiß, was in den Betrieben los ist“, begründet Ekkard Büdenbender vom Kreisverband der Linken, warum er an diesem Tag der Arbeit 2020 unbedingt auf der Straße sein will. Die Veranstalter des „Roten 1. Mai“ haben sich ihre Demo in Siegen gerichtlich erstritten, wenngleich sie in deutlich verkleinerter Ausgabe auf dem Kornmarkt abgehalten wird.

Der Rote 1. Mai

Nur ein Teil der sonst vertretenen Organisationen ist vor Ort. Eine Mahnwache gibt es da, in einem abgesperrten Bereich vor dem Rathaus, in den genau 50 Personen eingelassen werden dürfen, die sich in eine Liste zur etwaigen Nachverfolgung von Ansteckungsketten eintragen müssen. Gut noch einmal so viele stehen rundherum und schauen zu.

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Das Kapital bekomme die Milliarden, die Arbeiter würden ausgebeutet, hätten auch in dieser Zeit keine Ruhe, rufen Büdenbender und sein Kreuztaler Parteifreund Dirk Jakob den Anwesenden zu, die zwischendurch applaudieren oder trillern.

Zwei Mai-Demos

1993 rief das Bündnis „Heraus zum 1. Mai“ erstmals zu einer Mai-Demonstration in Siegen auf. Die Initiativen sahen ihre Interessen vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) nicht vertreten.

Im Laufe der Jahrzehnte entwickelte sich ein kooperatives Nebeneinander. 2017 luden DGB und Roter 1. Mai erstmals zum gemeinsamen Pressegespräch ein, stimmten Veranstaltungszeiten ab und teilten sich den Veranstaltungsort

Jakob musste eine lange Liste von Regularien vorgetragen, was in Corona-Zeiten zu beachten ist: das Verbot von Schals oder Halstüchern vor dem Gesicht. Nur medizinische Masken seien erlaubt. Selbst die habe die Polizei verbieten wollen, merkt Ekkard Büdenbender an. Aber sie seien nötig zum Schutz der Krebskranken und Älteren, die teilnehmen wollten. Das zeige nur einmal mehr, dass der Staat „mehr Angst vor seinen Bürgern hat, als vor einem Virus“. Typisch sei auch, dass die Landesregierung ausgerechnet jene mit Zwangsdiensten besonders belasten wolle, die in der Gesundheitsbranche ohnehin schon am Limit arbeiteten.

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Für Kündigungsschutz und Recht auf Arbeit

Es solle eine abgespeckte Version der gewöhnlich viel größeren Mai-Demo sein, sagt Büdenbender und hält seine Rede kurz. Weitere Ansprachen oder Musik seien nicht geplant. Dirk Jakobs lädt die Anwesenden ein, bei Bedarf ans Mikro zu gehen. Unter anderem warnt Monika Richter für das Pflegebündnis vor weiterer Kommerzialisierung des Gesundheitswesens und erinnert angesichts der aktuellen Vorschriften zu Masken an die nach wie vor ignorierter Gefahr durch resistente Keime oder die ignorierten Toten vergangener Grippejahre. Auch Jugendvertreter ergreifen das Mikro und fordern ein Recht auf Arbeit und Kündigungsschutz.

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Die Gewerkschaften

Während der „Rote 1. Mai“ unter den Bedingungen, die Corona erlaubt, in die Stadt geht, bleibt der DGB im Netz. Für den Tag der Arbeit schließt sich auch der DGB Südwestfalen dem bundesweiten Tag der Arbeit in den sozialen Medien an: Es gibt Statements, Talks und Musik über den Tag verteilt im Videostream. Auch von IG-Metall-Vorsitzendem Jörg Hofmann, der beim Arbeitnehmerempfang am Vorabend des Maifeiertags Hauptredner gewesen wäre, gibt es nur eine Videobotschaft.

Ingo Degenhardt im Videostream: „Viele haben Existenzängste.“
Ingo Degenhardt im Videostream: „Viele haben Existenzängste.“ © DGB

„Viele haben Existenzängste“, sagt DGB-Kreisvorsitzender und Regionsgeschäftsführer Ingo Degenhardt, „wichtig ist jetzt die Solidarität von uns allen.“ Eine „bleibende Lektion“ der Krise sei die Erkenntnis, „dass wir ein Gesundheitssystem brauche, das ausreichend und auf Dauer finanziert ist“. Öffentliche Daseinsvorsorge „Profitdenken und vermeintlichen Sparzwängen“ zu unterwerfen, stellte sich nun als „Riesenfehler“ heraus. SMS-Betriebsrat Stephan Klenzmann setzt ein Fragezeichen hinter die verschiedenen Ansätze des Staates, Menschen durch die Krise zu helfen: „Im Großen und Ganzen steht jeder für sich allein da.“

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Gesundheit nicht dem Markt überlassen

Klenzmann spricht über die Forderungen der Wirtschaft, über den Einsatz der rumänischen Erntehelfer und über das Schicksal der Menschen in den Lagern in Griechenland: „Die Gesundheit des einzelnen – im Zweifelsfall egal.“ Auch der IG-Metaller richtet den Blick auf die Zeit nach Corona. Gesundheitssystem, Pflege, Nahverkehr, Bildung und Schlüsselindustrien „gehören ins Gemeineigentum überführt und nicht dem Markt überlassen“, fordert Stephan Klenzmann: „Wir befinden uns in einem entscheidenden Augenblick, wir müssen uns einmischen.“

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