Siegen. Die Notbetreuung an Siegener Kitas und Schulen wird immer mehr gefragt – weil die Not größer wird.

Die Zahl der Notbetreuungen in den Siegener Kitas wächst: 291 Kinder werden derzeit in Kindertagesstätten im Stadtgebiet, 43 in der Kindertagespflege notbetreut, zählt das städtische Jugendamt. Damit hat sich die Anzahl in den vergangenen drei Wochen fast verdreifacht.

Fast 90 Kinder sind hinzugekommen, denn seit Montag, 27. April, dürfen auch erwerbstätige Alleinerziehende zusätzlich zur erweiterten Liste der systemrelevanten Eltern-Berufe ihre Kinder bringen. „Vor drei Wochen waren 109 Kinder angemeldet. Die Zahl hat sich auch deshalb gesteigert, weil immer mehr Familien, die einen Anspruch haben, diesen jetzt auch nutzen“, stellt Siegens Sozialdezernent André Schmidt fest.

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Arbeitgeber spielen nicht mehr mit

Je länger die Kitas wegen der Corona-Pandemie geschlossen bleiben, desto weniger greifen bisherige Absprachen und Regelungen mit Arbeitgebern wie unbezahlter Urlaub oder andere Lösungen innerhalb der Familien, so Schmidt. „Es gibt lediglich noch fünf bis sechs von 68 Kindertagesstätten in Siegen, in denen keine Notbetreuung stattfindet.“

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In der städtischen Kita Gläserstraße in Siegen beispielsweise werden die ersten Kinder morgens um 6.30 Uhr gebracht, „individuell an die Bedarfe der Familien angepasst“, sagt Kita-Leiterin Sonja Neuser. Die Eltern arbeiten in der Altenpflege, in der Kinder- und Jugendhilfe, ein Vater als Lkw-Fahrer im Lebensmitteltransport. Fünf Kinder sind dort bislang in einer festen Not-Gruppe, die bunten Matschhosen ihrer Spielkameraden hängen verwaist am Haken im Kita-Flur.

Seit dem 16. März gilt in NRW das landesweite Kita-Betretungsverbot. „Eltern bringen ihre Kinder nur, wenn sie wirklich auf die Betreuung angewiesen sind“, sagt André Schmidt. „Wir stoßen bei den Eltern auf sehr viel Verständnis und ein hohes Verantwortungsbewusstsein. Viele fragen auch gezielt nach aktuellen Informationen“, ergänzt Sonja Neuser.

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Kinder haben Sehnsucht nach ihrer Kita

Wo sonst 58 Kita-Kinder in drei Gruppen spielen und toben, hängt jetzt ein buntes Plakat mit der Aufschrift „Liebe Kinder, wir vermissen Euch sehr“ im Fenster gut sichtbar zur Gläserstraße. „Wir versuchen mit den Eltern und den Kindern bestmöglich in Kontakt zu bleiben, telefonieren fast täglich“, sagt stellvertretende Kita-Leiterin Jessica Rühl. Zu Ostern haben die Erzieherinnen kleine Kita-Geschenke vor die Haustüren aller Familien abgelegt, derzeit arbeiten sie an einer Frühlingszeitung mit Bastel- und Backideen und den Kita-Liedern für die Daheimgebliebenen, ein „bisschen Kita-Alltag für zu Hause“, so Jessica Rühl. „Die Gefahr besteht, dass gerade die Kinder unter drei Jahren die Bindung an die Kita verlieren, wenn sie jetzt wochenlang zu Hause sind. Die etwas Älteren vermissen ihre Spielkameraden und den Kita-Alltag.“

Der Kindergarten sei ein wichtiger Bestandteil in der kindlichen Entwicklung, sagt die Erzieherin: die Auseinandersetzung mit Gleichaltrigen, das Gegenüber. Das breche für die Kinder über Wochen ab. Immer wieder kämen Eltern mit ihren Kindern in der Gläserstraße vorbei, schauten durch die geschlossenen Fenster, winken, die Erzieherinnen hängen Mut-Mach-Sprüche für die Kinder auf.

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Spagat mit Masken und Abstandsgeboten

Jeweils zwei Mitarbeiterinnen betreuen die Kita-Notgruppe in der Gläserstraße über zwei Wochen, dann werden sie von Kolleginnen aus dem „Home Office“ abgelöst. Sie alle arbeiten in einem täglichen Spagat zwischen Hygiene- und Abstandsregelungen des NRW-Familienministeriums und der gelebten Kita-Praxis: Händewaschen, Corona-Abstand, Husten- und Nies-Etikette – das verstehen vor allem die ältere Kinder schon gut, aber Mund- und Nasenschutz wie ein kompletter Verzicht auf körperlichen Kontakt zwischen Spielecke, Stühlchenkreis und Wickeltisch gehen nicht: „Kinder brauchen die helfende Hand“, so Jessica Rühl. „Im Umgang mit den Kindern ist auch die Mimik enorm wichtig. Da passt eine Gesichtsmaske einfach nicht.“

Gedanken machen sich die Mitarbeiterinnen auch um die älteren Kita-Kinder, die nach den Sommerferien in die 1. Klasse der Grundschulen wechseln. Denn vor allem in den letzten Monaten vor dem Schulwechsel finden in den Kitas wichtige Aktionen etwa zum Verhalten im Straßenverkehr oder gemeinschaftliche Ausflüge statt.

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Nächste Woche 24 Notbetreuungen mehr an Schulen

Apropos Siegener Schulen: Auch hier nimmt die Zahl der notbetreuten Kinder zu. Aktuell sind es 117, davon 96 in Grundschulen, zwölf in weiterführenden Schulen und zwei Kinder in Förderschulen. Für die kommende Woche sind 24 zusätzliche Notbetreuungen angemeldet, teilt die Schulverwaltung der Stadt Siegen mit.

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