Siegen. Fast zeitgleich mit Amazon gründet Mathias Mankel mit Magnus Muth eine Buchhandlung in Siegen. „Qualität und Service sind das A und O“, sagt er.
Fast zeitgleich mit der Gründung des Online-Riesen Amazon eröffneten Mathias Mankel und Magnus Muth 1995 eine Campus-Buchhandlung an der Universität Siegen, auf dem Adolf-Reichwein-Campus am Haardter Berg. Im Laufe der Jahre kamen weitere Filialen hinzu (siehe Steckbrief). Ein Vierteljahrhundert später trotzen sie dem übermächtigen Konkurrenten aus den USA mit einem Konzept, das auf Qualität und Individualität setzt. Im Interview mit Martin Horn erzählt Mathias Mankel, warum seine Mitarbeiter das A und O des Erfolgs sind und warum die klassische Buchhandlung auch in zehn Jahren noch Bestand haben wird.
Herr Mankel, Sie betreiben seit über zwanzig Jahren mit Magnus Muth die Buchhandlung MankelMuth. Wie ist es damals dazu gekommen?
Mathias Mankel: Die Entstehung der ersten Buchhandlung war im Prinzip reiner Zufall, eine Idee, die klassischerweise bei einem Bier in der Kneipe entstanden ist. Dass im Laufe der Jahre mehrere Filialen dazugekommen sind, hängt eher mit unserem kaufmännischen Ansatz zusammen.
Den Sie durch ihr Studium mitgebracht haben.
Ich habe ursprünglich VWL in Bonn studiert und bin Anfang der 1990er Jahre nach Siegen gewechselt, um noch BWL hinzuzunehmen. Der Kollege Muth war zu der Zeit Student für Politik, Geschichte und Literaturwissenschaften an der Uni Siegen. Er hat mich dann eines Tages beim Bier gefragt, was ich davon hielte, eine Buchhandlung aufzumachen.
War das auch Ihre Zielsetzung?
Meine Zielsetzung war die, nach dem Studium irgendwann was Selbstständiges zu machen. Ich komme aus einer Unternehmerfamilie, mein Vater war Bauingenieur und hatte eine Baufirma in Siegen. Insofern war mir das selbstständige Arbeiten in Fleisch und Blut übergegangen. Aus diesen Überlegungen hat sich das ein stückweit verselbstständigt. Ich kannte das Konzept einer Campus-Buchhandlung bereits aus Bonn und war gewillt, es in Siegen zu probieren. Wir sind dann beim Rektorat und Studentenwerk vorstellig geworden und haben sie mit unserer Idee überzeugen können. Letztendlich haben wir ein Erbbaurecht für 99 Jahre für das Grundstück erhalten. Ein fast einzigartiges Modell in Deutschland. Nur in Bochum gibt es wohl eine vergleichbare Situation. 1995 ging es dann mit der ersten Buchhandlung an der Universität los. Wir sind damals direkt elektronisch gestartet.
Was heißt das?
Wir haben sofort mit Computern gearbeitet und die Bestell- und Suchvorgänge darüber gesteuert. Viele Kollegen hatten noch die Schlagwortkataloge in Buchform. Wenn Sie da was gesucht haben, wurden die großen, in Leder eingebundenen Bücher genommen, riesige Wälzer, in denen dann entsprechende Titel gesucht und im Anschluss fernmündlich über Telefon bestellt wurden.
Wie kam es dann zur Expansion Ihrer Buchhandlungen?
Zum einen hat die Buchhandlung auf dem Campus einen Nachteil gehabt: In den Semesterferien blieben die Studenten und damit der Großteil der Kundschaft fern und so etwas wie ein Weihnachtsgeschäft gab es auch nicht. Zum anderen gab es Ende der 1990er Jahre eine Konzentration Richtung der Innenstädte, mit großen Flächen. Denken Sie an Thalia oder Hugendubel. Wir haben uns damals überlegt, ob wir das auch machen sollen, die City-Galerie hat uns auch eine Fläche angeboten. Wir haben aber abgelehnt.
Warum?
Wir haben uns überlegt, wie wir uns die Zukunft vorstellen, die des Buchhandels sowie unsere persönliche, und sind dann zur Überzeugung gelangt, dass große Flächen sich nicht dauerhaft halten werden. Wir haben dann gesagt, es wäre besser, in kleinere Bereiche zu gehen, um kleinere Flächen individueller zu betreuen. So sind wir nach Weidenau gekommen und haben dann im Prinzip immer zwei Jahre gewartet, um ein neues Geschäft aufzubauen.
Sie haben bei einer Studie des Instituts für Management- und Wirtschaftsforschung (IMWF) in der Kategorie „Vorbildlich erfüllte Kundenwünsche 2019“ sehr gut abgeschnitten. Woran machen Sie das fest?
So eine Resonanz in der heutigen Zeit zu erfahren ist schön und macht uns stolz. Das haben wir natürlich auch an die Kollegen weitergegeben, denn sie sind mit dem Erfolg untrennbar verbunden.
Inwiefern?
Wir haben in unseren Geschäften nur gelernte Buchhändler. Ich habe jede einzelne Filiale selbst aufgebaut und meine Mitarbeiter geholt und sie auch ausgebildet. Im Vergleich zu anderen Buchhändlern haben wir einen extrem hohen Personalschlüssel, weil wir der festen Überzeugung sind, dass hohe Qualität und Service das A und O sind in der heutigen Zeit. Die Möglichkeiten, die man im Internet hat, sind natürlich bequem, keine Frage. Aber das sind halt alles gerechnete Zahlen. Sie bekommen dann Vorschläge, aufgrund von Algorithmen. Die können jedoch die persönliche Empfehlung nicht ersetzen. Meine Mitarbeiter stellen sich individuell auf die Kunden ein, dadurch entsteht in der Regel ein Wiedererkennungswert. Das ist ein Grund, warum wir uns so lang und gut gehalten haben. Das ist in der heutigen Zeit schwer umsetzbar.
Warum?
Weil es nämlich bedeutet, dass man sich permanent prüfen und vergleichen muss. Im Bereich der Buchhandlung ist es Fluch und Segen zugleich, dass es die Preisbindung gibt. Das heißt, dass überall das Buch gleich teuer ist, egal, ob Sie es bei Amazon oder bei uns kaufen. Das soll dazu dienen, dass die Kultur des Buches gewahrt wird, dass jeder die Möglichkeit der Partizipation erhält. Der Nachteil dabei ist, ich kann die erhöhten Preise, die beispielsweise durch die Logistik anfallen, nicht über die eigene Preisgestaltung ausgleichen. Deswegen ist es für uns wichtig, dass wir die Umsätze durch eine hohe Qualität und neue Betriebswege steigern.
Mögen Sie zum Beginn des Jahres einen kleinen Blick in die Zukunft werfen?
Alle Leute kaufen nur noch bei uns, und Amazon wird auf das zurückgefahren, was es ist: nämlich ein Logistiker, dem es im Prinzip völlig egal ist, ob er Wurst oder Bücher verkauft, Hauptsache der Gewinn ist hoch und muss nicht versteuert werden (lacht). Unsere Maßgabe ist die, dass wir unseren Beitrag leisten. Dass wir nach wie vor mit Schulen, mit Kanzleien, mit Kindergärtnern, mit Privatleuten, mit allen zusammenarbeiten und wir einen Teil dieser Kultur ablichten können. Es gibt gewisse Hinweise, dass das E-Book oder Hörbücher problematisch sind. Ich glaube aber, dass jeder, der mal ein gut empfohlenes Buch gelesen hat, auch davon nicht wegkommen wird.
Erinnert an die Beziehung vom Leser zur (Papier)-Zeitung.
Das ist die haptische Wahrnehmung, die meiner Meinung nach noch Jahrzehnte funktionieren wird. Wenn Sie einen Inhalt zu begreifen versuchen, ist es so, dass Sie über die ganze Seite viel schneller etwas erkennen und aufnehmen können. Während Sie, wenn Sie auf ein Laptop oder Smartphone gucken, immer nur einen kleinen Ausschnitt des Gesamten bekommen und Sie sich gar nicht so schnell innerhalb dieses Textes zurechtfinden können. Diese Dinge machen mich hoffnungsfroh, dass es auch dauerhaft dabei bleibt.
Zur Person: Mathias Mankel
Der gebürtige Siegerländer Mathias Mankel hat von 1989 bis 1994 in Bonn und Siegen Volkswirtschaft studiert.
Seinen späteren Geschäftspartner Magnus Muth hat er bereits Mitte der 1980er Jahre kennengelernt. Beide waren Schüler des Evangelischen Gymnasiums in Siegen-Weidenau.
1995 eröffneten sie die erste Buchhandlung auf dem Campus der Universität Siegen. In den Jahren darauf folgten weitere Filialen in Betzdorf, Kreuztal, Weidenau und Bad Berleburg. Weitere Informationen unter mankelmuth.buchhandlung.de
Kurz und knapp: Mathias Mankel
Ein gutes Buch ist für Sie...
eine Tür zur Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, das meine Sinne berührt und mich mein Leben lang begleitet.
In 20 Jahren werden Bücher... noch immer wichtiger Bestandteil der Kultur und Lehre sein und uns Momente der Entspannung und des Träumens schenken, was in dieser Form wohl kein anderes Medium vermag.
Lesenswert sind...
unbedingt die deutschen Klassiker, weil sie in Sprache und Intensität eine Magie schaffen können, die uns für immer verzaubert.
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