Netphen. Im Heimatmuseum in Netphen erzählen Stempel und Fotos Geschichte(n) von der Post, den Briefmarkenfreunden – und dem ersten Omníbus der Welt.

Ohne das Busjubiläum gäbe es den Verein der Briefmarkenfreunde in Netphen nicht. Nicht das Jubiläum, das im nächsten März ansteht. Nicht die 125 Jahre, nachdem der erste motorisierte Linienomnibus der Welt von Deuz nach Siegen fuhr. Auch nicht die 100 Jahre, die 1995 gefeiert wurden. Sondern die 75 Jahre, die im Juli 1970 mit den Netphener Verkehrsfesttagen begangen wurden.

Eduard Ley, Briefmarkensammler, wünscht sich zu diesem Anlass einen Sonderstempel – und fand Gleichgesinnte, die mit ihm im Oktober 1969 einen Verein gründeten. Zum 50-Jährigen der Briefmarkenfreunde hat Wilfried Lerchstein, heute Vorsitzender der Briefmarkenfreunde, im Netphener Museum eine Ausstellung zur Geschichte des Postwesens im Netpherland gestaltet.

Wilfried Lerchstein ist Vorsitzender der Briefmarkenfreunde Netphen.
Wilfried Lerchstein ist Vorsitzender der Briefmarkenfreunde Netphen. © WP | Steffen Schwab

Stempel-Geschichten

Eduard Ley hat über Jahrzehnte Stempel und Schmuckumschläge gestaltet. Eine Auswahl aus der Vereinssammlung hat Harald Gündisch, Lerchsteins Mitstreiter im Briefmarken- und im Heimatverein, für die Ausstellung aufbereitet. Zusammengekommen sind Erinnerungen an besondere Tage der Ortsgeschichte: die Eröffnung der Obernautalsperre 1972, die Eröffnung des „Eisstadions“ und die „Einweihung“ des längst in einzelne Platten zerlegten Brunnens im „Geschäftspark“ 1976, die Eröffnung der Rettungswache 1980 (wo heute Rewe-Petz steht), die 750-Jahrfeier 1989, die Erhebung zur „Stadt Netphen“ am 1. Januar 2000. Durchaus Stücke mit Seltenheitswert: Während die „Handwerbestempel“, an denen sich Einlieferungsdatum und –uhrzeit der Sendung einstellen ließen, etwa einen Monat „liefen“, gab es den Sonderstempel mit dem festen Datum – eigentlich – nur an einem Tag.

Wilfried Lerchstein dokumentiert Postgeschichte. Ein Medium dafür sind die Stempel, die es erst seit den 1850er Jahren für Netphen gab, das anfangs noch „Netphe“ abgekürzt wurde, und auf denen zwar Tag und Monat, aber noch nicht das Jahr angegeben war. Zuerst bekam Netphen ein eigenes Postamt, dann folgte 1872 Hainchen. „Der Hainchen-Stempel ist selten“, sagt Lerchstein, denn dieses Postamt wurde schon 1876 nach Deuz verlegt. Damals wurde ein Brief übrigens nicht nur vorn auf der Briefmarke, sondern auch auf der Rückseite am Zielort gestempelt. So wird es möglich, Laufzeiten nachzuvollziehen. Bayern-Königsberg/Ostpreußen in einem Tag. „Das erstaunt heute noch.“

Post-Geschichten

Die Anfänge: Seit 1906 kommt die Post mit der Kleinbahn, die ein eigenes Bahnpostabteil hat. An den Bahnhöfen werden die aus Weidenau kommenden Sendungen abgeladen, von hier beginnen die langen Touren der Zusteller. „Die haben am Anfang noch nicht einmal ein Fahrrad gestellt bekommen“, berichtet Wilfried Lerchstein. Das haben sich die Briefträger selbst gekauft. Wie auch sonst hätten sie die Pakete, die sie auf dem Gepäckträger festbinden, von Netphen bis nach Hohenroth und von Deuz bis zum Lahnhof schaffen sollen?

21,7 Kilometer lang ist der Weg für den Boten im Deuzer Landzustellrevier 1 von Deuz über Grissenbach, Nenkersdorf, Walpersdorf, Lahnhof und zurück über Nauholz und Beienbach. Sein Kollege im Revier 2 geht über Salchendorf und Helgersdorf nach Irmgarteichen und Hainchen insgesamt 16,9 Kilometer weit. 52 Stunden in der Woche arbeitet Heinrich Schmick, der am 1. April 1922 zum Postschaffner befördert wird und dessen Uniformmantel und –mütze Teil der Ausselung geworden sind.

Von 1002 bis 57250

Netphens erste „Postleitzahl“ war die 1002. Damals, um 1850, hat die Post die Postämter einfach in alphabetischer Reihenfolge der Ortschaften nummeriert. Siegen hatte 1395.Bis Januar 1970 hatte Netphen die Postleitzahl 5901, dann bis 1975 die der Stadt Hüttental zugeordnete 5931, nach der Bildung der Großstadt Siegen 5902. In den ersten Jahren wurden noch die Zustellbezirke unterschieden. 5902 Netphen 1 war Netphen, 2 Dreis-Tiefenbach, 3 Deuz und 4 Hainchen.Seit 1993 gilt die 57250.

Mit der „Landverkraftung“ bekamen Herz-, Ungling- und Eckmannshausen zum 1. Januar 1933 eigene Poststellen. Die „Kraftpostlinie“, die die Post brachte und auch Personen beförderte – Gepäck kostete extra -, fuhr von Kreuztal mit einem Abstecher über Müsen nach Hilchenbach, hinauf zur Kronprinzeneiche, herunter durchs Dreisbachtal und zurück über Unglinghausen und Kredenbach nach Kreuztal.

Die Abschiede: Wilfried Lerchstein dokumentiert nicht nur die Anfänge des Postwesens im Netpherland, sondern auch so manches Ende. Am 30. Oktober 1993 werden die Poststellen in den „-hausen“-Dörfern geschlossen. Weil alle aber noch den Stempel mit der am 1. Juli eingeführten fünfstelligen Postleitzahl bekommen haben, sind diese Abdrucke gefragte Sammlerstücke. „Ich selbst habe da seinerzeit leider nicht dran gedacht“, bedauert Lerchstein. Nicht rechtzeitig genug hat er auch die letzte Unglinghausener Posthalterin um die Postfahne gebeten: Die kleinen Vertretungen des Staates waren allzeit bereit, schwarz-rot-gold mit Posthorn zu hissen. Die Fahne ist nun nicht mehr auffindbar.

Am 25.Mai.1968 wurde im Bahnhof Netphen zum letzten Mal Bahnpost abgefertigt.
Am 25.Mai.1968 wurde im Bahnhof Netphen zum letzten Mal Bahnpost abgefertigt. © Sammlung Eduard Ley

„Ich bin froh, dass ich mit vielen noch rechtzeitig gesprochen habe.“ So konnte Lerchstein noch viel über die Postämter und Posthilfsstellen, wo der Briefträger die Post fürs ganze Dorf ablegen konnte, herausfinden, Fotos sammeln - wobei längst nicht mehr jede Person identifiziert werden konnte und wo es schon Detektivarbeit bedarf, zeitliche Einordnungen vorzunehmen. Dabei helfen die Briefkästen an den Poststellen: Die blauen aus der Kaiserzeit sahen anders aus als die roten im 3. Reich.

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Die Post

In einer Vitrine steht die Urkunde, die der Bund Deutscher Philathelisten dem Postamt Netphen verliehen hat: „Philathelistisches Postamt“. Das Prädikat bekamen die Beamten 1981 dafür, „dass sie Sammlerwünsche mit viel Geduld abgearbeitet haben“, erklärt Wilfried Lerchstein und lässt ein wenig Selbstironie durchhören. Denn Briefmarkensammler können auch mal anstrengend sein. 1989 ließen sich übrigens die Oberen von Post und Gemeinde bei der Eröffnung des neuen Postamtes im Einkaufszentrum fotografieren. Keine zehn Jahre später wurden auch diese Schalter für immer geschlossen. Übrig blieb dort das Verteilzentrum, von dem die Landzusteller ausschwärmen, wie schon vor über 100 Jahren. Nun aber mit gelben Elektro-Scootern.

Öffnungszeiten: dienstags, mittwochs, freitags 16 bis 18, 1. Sonntag 15 bis 17, 2. Sonntag mit Briefmarkentausch von 10 bis 12 Uhr.

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