Siegen. Sex und Drogen sind beides Tabu-behaftete Themen. Die AWO appelliert bei einer Fachtagung im Lyz appelliert für einen offeneren Umgang.

Lust und Rausch – „das ist ein spannendes und auch mutiges Thema“, sagte Dr. Gaby Bruchmann, Leiterin der LWL-Koordinationsstelle, zur Begrüßung bei der Fachtagung „In flagranti – Sucht und Sexualität“ im Lyz, mit der zudem das zehnjährige Bestehen der AWO Suchthilfe gefeiert wurde. Eine immer noch Tabu-behaftete Thematik, wenn auch nicht mehr so massiv wie noch in den 1980er Jahren, wie Andreas Müller, Landrat des Kreises Siegen-Wittgenstein, mit einem Beispiel unterstrich. „AIDS bekommt man nicht beim Schmusen“ hieß es 1988 auf einem Jugendkalender, mit dem Verweis auf Kondome. Als „jugendgefährdend“ hätten nicht wenige damals den Bezug zur Sexualität bezeichnet. „Das ist gerade mal 30 Jahre her“, erinnerte Müller.

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Heute würde die Gesellschaft zwar einen entspannteren Umgang mit Sexualität erleben, meinte Müller. Dennoch bestehe eine Notwendigkeit, Themen wie Sexualität und Drogen auch offener ansprechen zu können. „Ich freue mich, das Thema mehr in die Öffentlichkeit zu bringen“, verwies Dr. Gaby Bruchmann auf die künftigen Bemühungen, der Thematik mehr Raum und Offenheit in Beratungsangeboten zu geben.

Die richtigen Worte finden

Um das Thema Sexualität mit all seinen Facetten begreifen zu können, sei ein veränderter Umgang damit erforderlich. Eine Facette, die bei der Tagung im Zentrum stand: Die Verbindung von Sex und Drogen. Ein wichtiges Thema, das jedoch in der Suchtberatung und der Behandlung oftmals noch tabuisiert wird. Gemeinsam mit der Präventionsfachstelle des Kreises Siegen-Wittgenstein und der LWL-Koordinationsstelle Sucht (Landschaftsverband Westfalen-Lippe) hat die AWO Suchthilfe deshalb ein Programm für den Fachtag erarbeitet, das über den Tellerrand blicken lässt und gleichzeitig die regionale Bedeutung des Themas verdeutlicht. Häufige Unsicherheiten, die dieses Thema begleiten, wurden in verschiedenen Fachvorträgen hinterfragt.

Tel. Öffnungszeiten AWO

Montags bis Donnerstags
09.00 Uhr – 12.00 Uhr

Montags, Dienstags und Donnerstags 13.30 Uhr – 16.30 Uhr
0271 / 3868120

Welche Zusammenhänge zwischen Sucht und Sexualität gibt es überhaupt, fragte etwa zu Beginn Dr. Steffen Fliegel, Diplom-Psychologe und Sexualtherapeut aus Münster. „Mit Sexualität und Sucht treffen zwei miteinander in Beziehung stehende Themen aufeinander, die im Kontext von Beratung und Therapie eine immense Bedeutung haben.“ Sowohl beim Sex als auch beim Drogenkonsum würden gewisse Stimuli ausgelöst, so Fliegel, der im Anschluss den Tagungsgästen seine therapeutische Herangehensweise, diese beiden Themen im Gesamtkontext zu behandeln, erläuterte.

Ein wichtiger Aspekt dabei: Die Sprache. „Wie soll ich sprechen?“, fragte Fliegel in die Runde. Ein Thema, das den Geschlechtsverkehr beinhaltet, was erst langsam und über einen mit Scham behafteten Weg in den gesellschaftlichen Diskurs findet, birgt schon bei der Sprache eine erste Hürde. Diese soll in den Beratungsstellen in Siegen Wittgenstein künftig überwunden werden.

Angebotsportfolio stets ausgebaut

Der Grundstein dafür wurde bereits vor zehn Jahren mit der Gründung der AWO Suchthilfe gelegt, deren erfolgreiche Entwicklung auf der Veranstaltung skizziert wurde. So ist die Beratungsstelle seit ihrer Gründung 2009 stetig gewachsen und hat ihr Angebotsportfolio immer weiter ausgebaut. „Etwa 50 Prozent der Klienten, die in Siegen betreut werden, haben Probleme mit Alkohol“, erklärte Cornelia Hartmann, seit 2018 Leiterin der Suchthilfe. Aber auch die Zahl der Klienten mit einem problematischem Cannabiskonsum und einem problembehafteten (Glücks-)Spielverhalten sei in den vergangenen Jahren stetig gestiegen, so Hartmann weiter.

Elf-köpfiges Mitarbeiterteam im Einsatz

Grundsätzlich steht die Suchthilfe der AWO allen hilfesuchenden Menschen mit problematischen Konsum oder problematischen Spielverhalten offen. Hier finden Hilfesuchende eine umfassende Beratung. Möglich macht das ein elfköpfiges Mitarbeiterteam, dass sich aus Sozialpädagogen, Sozial- und Suchttherapeuten, Psychologen und Heilerziehungspflegern zusammensetzt.

„Unser Programm reicht von offenen Beratungsgesprächen, ambulant betreutem Wohnen für Suchtkranke oder psychisch Kranke, Beratung von Inhaftierten in der JVA Attendorn, ambulante Nachsorge, über diverse Selbsthilfegruppen zum Beispiel für Glücksspieler bis zu einer Online-Suchtberatung“, sagt Cornelia Hartmann. Zudem werden Präventionsveranstaltungen und Workshops in Schulen und Betrieben durchgeführt. Die ratsuchenden Menschen kommen aus allen gesellschaftlichen Schichten.

Zielführende Zusammenarbeit

Der Erfolg der Arbeit beruht auch auf mehreren wichtigen Kooperationen wie mit dem Kreis Siegen Wittgenstein, dem Jobcenter, dem Jugendamt und weiteren unterstützenden Diensten. Dadurch entsteht ein breitgefächertes Netzwerk, das unterschiedliche Kompetenzen zur Verfügung stellt. Erst im April startete eine ambulante Rehabilitation für suchterkrankte Menschen.

Hier werden die Klienten von erfahrenen Therapeuten, Psychologen und einer Ärztin therapeutisch begleitet. Im Kreis Siegen Wittgenstein und Olpe ist dieses Angebot aktuell einmalig.

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