Siegen. Richter hat Verständnis: Schwangere Angeklagte hatte große Sorge um ihre Kinder. Ankläger: Dann soll sie mit Kinderwagen keine Polizisten rammen.
Es ging hoch her im Kreuztaler Rathaus am 16. November 2018. Eine Nigerianerin fühlte sich schlecht behandelt, hatte Angst um ihre Kinder, sorgte für ordentlich Trubel. Mehrere Mitarbeiter von Sozial- und Ordnungsamt und Polizei mussten eingreifen, um die 25-Jährige aus dem Gebäude zu bringen, das sie trotz Platzverweis nicht verlassen wollte. Am Freitag, 13. September, stand sie vor dem Siegener Amtsrichter wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung.
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Das beeindruckt die Angeklagte wenig: Nach der Kündigung ihres Mannes habe sie im Amt Nachweise und Kontoauszüge vorlegen müssen, aber keine zusätzlichen Mittel bekommen. Sie habe Lebensmittel und Windeln für die Kinder benötigt und streitet ab, einen Polizisten gebissen zu haben. Auch, dass sie einem Beamten ihren Kinderwagen – mit Kind darin – gegen die Schienbeine gefahren hat.
Verletzungen kaum der Rede wert, wüste Beschimpfungen
Sie sei vielmehr „vom größten Polizisten in den Bauch geschlagen worden“, trotz erkennbarer Schwangerschaft. Drei Beamte hätten sie gepackt, wie hätte sie Widerstand leisten können, fragt sie den Richter. Die Polizei habe nicht sachlich mit ihr gesprochen: Sie habe ihr Handy verkaufen oder bei der Kirche betteln gehen sollen, klagt sie unter Tränen.
Das sehen diverse Damen vom Amt und auch die Polizisten etwas anders. Die Frau sei völlig unzugänglich gewesen, „wir haben mindestens 20 Minuten auf sie eingeredet“, sagt ein Polizist. Die Verletzungen seien kaum der Rede wert, die Angeklagte habe sie beschimpft, sie seien ja doch nur vor Ort, um Schwarze zu erschießen, so einer der Zeugen.
Intensiv für Kinder gekämpft, aber alle Grenzen überschritten
Schließlich gesteht sie und entschuldigt sich. Die Mandantin sei in großer Sorge um ihre Kinder gewesen, dass diese über das Wochenende nichts mehr zu essen gehabt hätten, habe sich hineingesteigert, so Amtsanwalt Markus Urner. Das wird berücksichtigt. Als Mutter, noch dazu schwanger, habe sie besonders intensiv für ihre Kinder gekämpft, so Amtsrichter Schmidt, dabei aber alle Grenzen überschritten.
Am Ende stehen sechs Monate mit Bewährung und 50 Sozialstunden. Der Verteidiger hatte eine Verwarnung beantragt, auf kulturelle Unterschiede verwiesen. Wenn sie so in Sorge um das Wohl ihrer Kinder gewesen sei, dürfe sie sie nicht mit dem Kinderwagen gegen die Polizei schubsen, sagt Urner. Er glaube nicht, dass solches Verhalten in einer Behörde in Nigeria geduldet würde.
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