Siegen. Ein Prozess vor der 2. großen Strafkammer: Drei junge Männer sollen Stoff, Geld und mehr von einem bekannten Dealer aus Siegen erbeutet haben.
Am Abend des 4. Juli 2017 stürmen mehrere Männer gewaltsam in die Wohnung eines stadtbekannten Siegener Drogendealers. Die genauen Hintergründe können am ersten Verhandlungstag der 2. Großen Strafkammer als Jugendkammer nicht herausgearbeitet werden. Einer der drei Angeklagten, W. (20) spricht davon, sie hätten den Mann „abziehen“ wollen, im Wissen, dass stets sehr viele Drogen in der Wohnung waren. Ein anderer (23) erklärt, er sei mitgekommen, weil das Opfer dafür bekannt gewesen sei, skrupellos an Minderjährige zu verkaufen und diese damit in Lebensgefahr zu bringen. Der dritte Angeklagte (20) streitet alles ab.
Auf mehr Drogen gehofft
Zunächst berichtet der Initiator W. über seine Beweggründe, den eigenen Dealer zu überfallen. Er habe sich nicht maskiert, weil er davon ausging, dass ein Drogenhändler nicht zur Polizei gehen könne. „Das ist so dämlich“, sagt Staatsanwalt Philipp Scharfenbaum, für am Ende 37 Gramm Marihuana eine Mindeststrafe von fünf Jahren Gefängnis zu riskieren. W. wisse heute, dass die Aktion „Scheiße“ gewesen sei. Dass es zur Anzeige gekommen sei, habe daran gelegen, dass nicht nur Drogen, sondern auch eine Spielkonsole, eine Plastikwaffe und 150 Euro mitgenommen wurden. Nebenbei bestätigt er, Zorn gegen das Opfer gehabt zu haben, weil dieser Ecstasy-Pillen an Kinder verkauft hätte.
Verkauf an und Bilder von Kindern
Den Verkauf an Kinder nennt der 23-jährige Mitangeklagte K. als Hauptgrund, der ihm damals von W. genannt worden sei. „Ich fühlte mich stark, als großer Macker, der ich eigentlich nicht war“, schildert der gebürtige Franke offen, wenngleich für das Gericht zu verharmlosend. Etwa, wenn er berichtet, dass der erste Schlag vom Opfer gekommen sei. Natürlich habe der Überfallene ein Recht gehabt, sich zu wehren, sagt die Vorsitzende Richterin Sabine Metz-Horst. „Ich weiß, ich war im Unrecht“, nickt der Angeklagte. Er habe auf den Schlag reagiert.
Donnerstag geht’s weiter
Der Hausmeister hat die Männer weglaufen sehen. Ein möglicher Mittäter verweigert die Aussage, hat aber dem anderen Zeugen auf dem Flur mehr oder minder bestätigt, einer der vier Beobachteten gewesen zu sein. Der Überfallene selbst, wegen seiner Drogengeschäfte verurteilt, wird am Donnerstag vernommen.
Als der Wohnungsinhaber nach einer Pistole griff, reagierte er mit einem Elektroschocker. Während der dritte Angeklagte C. das Opfer mit dessen Schreckschusswaffe in Schach hielt, hätten W. und er die Wohnung durchsucht. Dann habe er unter dem Bett einen Karton mit Fotos gefunden, die unter anderem kleine Mädchen auf dem Bett gezeigt hätten. „Da konnte ich mich nicht mehr beherrschen“, sagt der 23-Jährige. Ein- oder zweimal auch noch mit dem Elektroschocker auf den Kopf, was eine blutende Platzwunde verursachte. „Ich konnte nur an meine kleine Schwester denken, wenn der so etwas passierte“, sagt W. weiter, dem heute alles sehr leid tut.
Sorge um eigene Zukunft
Der dritte Mann, der als einziger zur Tatzeit noch Jugendlicher war, will nicht dabei gewesen sein. Was die Vorsitzende angesichts diverser ausgewerteter Chats für mehr als fraglich hält. C. gibt zu, in die Absprachen verwickelt gewesen zu sein.
Der gebürtige Rumäne entschuldigt sich damit, damals allein und auf der Suche nach Freunden gewesen zu sein. Richterin und Staatsanwalt können verstehen, dass der Mann Angst hat, seine Zukunftschancen zu verlieren. Dabei gehe es um Jugendstrafe, versucht Metz-Horst zu beruhigen. „Ich habe nichts damit zu tun“, schüttelt C. den Kopf und bleibt bei der Aussage. Gegen ihn spricht, dass die goldene Schreckschusswaffe aus der überfallenen Wohnung bei ihm gefunden wurde. C. will sie später gefunden haben.
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