Siegen. Ältere Patienten haben ein größeres Risiko, nach einer Operation ein Delir zu entwickeln. Das Marien-Krankenhaus beugt bei der Narkose vor.
Plötzliche Orientierungslosigkeit. Verwirrung. Erschöpfung - oder Hyperaktivität. Schwere Krankheiten und Operationen bleiben bei Älteren oft nicht ohne Nebenwirkung, dem sogenannten Delir. Doch es gibt Mittel und Wege, sich davor zu schützen, auf die die Klinik für Anästhesiologie im St. Marien-Krankenhaus Siegen zur zweiten Jahreshälfte besonders aufmerksam machen möchte.
Schwere Operationen oder Infekte können vor allem bei älteren Menschen ein Delir auslösen. Die Betroffenen sind verwirrt, unvermittelt müde oder so hyperaktiv wie nie zuvor. „Die Ursachen für ein Delir können unterschiedlich sein und es kann sich relativ breit im klinischen Bild zeigen“, sagt Prof. Dr. Werner Hering, Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie im St. Marien-Krankenhaus Siegen.
Symptome zwischen Extremen
„Es gibt mehrere essenzielle Merkmale eines Delirs“, erklärt der Chefarzt. „Es treten Symptome auf, die vorher nicht vorhanden waren – und zwar akut und nicht schleichend wie bei einer Demenz.“ Der Zustand des Patienten wandelt sich in kurzer Zeit und schwankt im Laufe eines Tages: „Mal wirken sie ganz klar, dann sind sie plötzlich weggetreten und kaum noch ansprechbar“, schildert Prof. Hering. Wichtig ist dann zunächst, dass die Symptome überhaupt jemand bemerkt. „Vor allem bei eher in sich gekehrten, apathisch wirkenden Patienten wird ein Delir oft nicht erkannt.“ Deshalb gibt es im St. Marien-Krankenhaus Siegen ein eigenes Präventionsprogramm und durch vielfältige Aktivitäten versucht die Klinik von Prof. Hering auf die Problematik aufmerksam zu machen.
Die Operation als Auslöser
Ein Delir entwickelt sich durch einen Auslöser - das kann ein operativer Eingriff sein, ein anstrengender Krankenhausaufenthalt oder auch eine Infektion. Wie oft ein Delir auftritt, ist unklar. „Die Spanne reicht über alle Krankenhauspatienten hinweg von 5 bis 35 Prozent“, sagt Prof. Werner Hering. „In den Risikogruppen, also bei Patienten über 65 Jahren oder Patienten mit Demenz, findet sich teilweise eine Delir-Häufigkeit von bis zu 70 Prozent.“ Im Vordergrund habe die Optimierung der Orientierungsfähigkeit zu stehen, damit sich die Patienten besser zurechtfinden. Je schneller Patienten wieder in ihr vertrautes Umfeld entlassen werden könnten, desto hilfreicher sei es. „Nach Operationen ist das oberste Ziel, eine möglichst rasche Mobilisierung zu erreichen“, sagt Prof. Hering. „Hierzu müssen gerade ältere Menschen aktiv angehalten werden.“ Denn die gewohnte Umgebung und eine gute Orientierung der Patienten können dazu beitragen, dass die Symptome nachlassen. In der Regel verschwinden sie spätestens nach einigen Wochen von selbst. Ein Delir kann in Ausnahmefällen aber auch zu anhaltenden kognitiven Problemen führen - vor allem, wenn es unerkannt bleibt. Im St. Marien-Krankenhaus Siegen wird nach Eingriffen zum Beispiel ein Delir-Screening vorgenommen. „Dabei werden Patienten auf das Vorliegen kognitiver Einschränkungen untersucht“, erklärt der Anästhesist. Außerdem sei es sehr wichtig, alle eingenommenen Medikamente zu erfassen.
Individuelles Narkosemanagement
Nur bei einem umfassenden Bild ist es möglich, besondere Maßnahmen zur Prävention zu ergreifen. „Wenn ein erhöhtes Delir-Risiko besteht, kann man das beim Narkosemanagement berücksichtigen“, sagt Prof. Hering. Die Maßnahmen dazu würden individuell zugeschnitten.
Beruhigungsmittel bekommen die Patienten nicht. Stattdessen soll eine enge Betreuung durch eine Pflegekraft die Angst vor der Behandlung nehmen. „Es ist wichtig, den Patienten möglichst wenig zu ängstigen - denn Stress und Angst sind große Faktoren bei der Entstehung eines Delirs.“
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