Siegen. Ein 26-Jähriger steht vor Gericht, weil er große Mengen Rauschgift in seiner Wohnung gebunkert haben soll. Gehandelt hat er aber nie – sagt er.
Mit Drogen gehandelt habe er nie, versichert der Angeklagte. Obwohl Staatsanwältin Tabea Schneider dem 26-jährigen Siegerländer K. eben dies vorwirft. Dreimal sogar in der Anklageschrift, die sie am Dienstag verliest. Allerdings hat die 1. Strafkammer diese nur in einer verkürzten Fassung zugelassen.
Die ersten beiden Vorwürfe werden in Beihilfe umgewandelt. Da soll der junge Mann am 28. Juni 2017 1,5 Liter Amphetamin in seiner damaligen Weidenauer Wohnung vorrätig gehabt und für einen Bekannten verkauft haben. Für den 7. Juli des gleichen Jahres wird ihm ähnliches mit 100 Gramm Cannabis vorgeworfen, das er dann für 400 Euro verkauft haben soll.
Experimente mit Hawaiianischer Holzrose
Zu beiden Fällen werde er keine Angaben machen, erklärt der momentan wohnungslose Angeklagte, bei dem schließlich am 11. April 2018 noch einmal 100 Gramm Cannabis gefunden wurden. Dazu kommen an die 1000 Gramm des LSD-verwandten Mittels LSA in verschiedenen Aggregatzuständen.
K. gibt zu, gut 500 Gramm Samen der Hawaiianischen Holzrose gekauft zu haben, mit der Absicht, das Rauschmittel zu extrahieren. Das sei allerdings „ein gescheitertes Experiment“ gewesen, mit dem er einfach nicht weiter gekommen sei. Auch 35 fertige LSA-Trips auf Blättchen für die Zunge und 20 Stück Würfelzucker, die unter anderem mit dem Mittel Ergin getränkt waren, wurden bei einer Wohnungsdurchsuchung sichergestellt, neben einer Feinwaage, Verpackungsmaterial, diversen Messern und einer Machete. Ein Beamter erwähnt zusätzlich noch Schreckschusswaffen, die aber nicht Teil der Anklage sind.
100 Gramm Cannabis „für Eigenbedarf“
Die LSA-Funde habe er nie angerührt, sich weitgehend von halluzinogenen Drogen ferngehalten, versichert K. dem Gericht. Die Waffen hätten eher aus Spaß in der Wohnung gelegen, „sie waren aber nicht zum Schutz oder so der Drogen bestimmt!“ Das Cannabis schließlich sei auch nur zum Selbstverbrauch bestimmt gewesen. Beim täglichen Kauf auf der Straße koste der Stoff gut das drei- oder vierfache.
Er habe im Frühjahr 2018 250 Euro für die 100 Gramm bezahlt und damit ein gutes Geschäft gemacht. Was die Vorsitzende Richterin Elfriede Dreisbach stark irritiert. Sie wisse von einem durchschnittlichen Grammpreis von 10 Euro, der aus der Erfahrung des Gerichts selbst bei größeren Mengen nicht derart reduziert werde. K. bleibt bei seiner Aussage, auch nach kurzem Gespräch mit Verteidiger Wolf Heller. „Muss wohl ein ganz besonderer Freundschaftspreis gewesen sein“, vermutet der Anwalt.
Angeklagter lehnt Gespräch mit Sachverständigem ab
Einer der Polizeibeamten geht später dennoch bei 100 Gramm von einer zu großen Menge für den Eigengebrauch aus. Ein typischer Joint werde gewöhnlich mit 0,1 bis 0,3 Gramm „gebaut“. K. widerspricht. Er habe regelmäßig 0,8 bis 1,2 Gramm genommen, am Tag durchaus schon einmal fünf Gramm gebraucht. Auch jetzt konsumiere er noch, stehe aber mit der Drogenberatung in stetem Kontakt und strebe nun seine allererste Entgiftung und Therapie an.
Eine solche Maßnahme hält der Sachverständige Dr. Thomas Schlömer aus Schmallenberg für nötig und erfolgversprechend. Er hat den Angeklagten begutachtet, allerdings nur aufgrund der Akten und der Beobachtungen in der Hauptverhandlung. Eine tiefergehende Exploration wurde von K. abgelehnt, auch die meisten Fragen des Arztes will er nicht beantworten.
Mobiltelefon lässt Netzwerk auffliegen
Immerhin ist zu erfahren, dass K. in einer Beziehung lebt und auch schon andere hatte: „Ich bin ein Beziehungsmensch!“ Schlömer diagnostiziert mit Vorsicht eine starke Cannabis-Abhängigkeit sowie einen multiplen Substanzgebrauch. Die Einsichtsfähigkeit des K. zu den Tatzeiten hält er für nicht eingeschränkt.
Die Polizei war auf die Spur des Angeklagten gekommen, als jener Mann aufflog, für den er in den ersten beiden Anklagepunkten verkauft haben soll. In dessen Mobiltelefon stießen die Beamten auf ein ganzes Netzwerk aus ihrer Sicht Beteiligter, zu denen auch K. gehörte. Der hatte nach den Erkenntnissen eine „Bunkerwohnung“, in der auch Pilze gezüchtet worden seien.
Fortsetzung am 17. September
In den Textnachrichten ist mehrfach zu lesen, dass in K’s Wohnung Drogen hinterlegt wurden, einmal auch ‚Pep’ gekocht wurde. Über tatsächliche Verkaufshandlungen könne er nur vermuten, schränkt ein Polizist im Zeugenstand ein. Der mutmaßliche Komplize ist auch geladen, lässt aber eine Krankmeldung für die ganze Woche vorlegen.
Ein weiterer Zeuge fehlt ebenfalls, was die ursprüngliche Planung des Gerichts über den Haufen wirft. Sie wird nun am 17. September fortgesetzt. Eigentlich wäre heute schon das Urteil angedacht gewesen.
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