Netphen. Sebastian Zimmermann soll in Netphen für die CDU den amtierenden Bürgermeister Paul Wagener herausfordern. Wer ist Sebastian Zimmermann?
Sebastian Zimmermann geht auf großem Fuß. Größe 46 haben die Wanderstiefel, die ihm Benedikt Büdenbender nach seiner Nominierung zum Bürgermeisterkandidaten überreicht. Mit Sohlen der Härte C, laut Katalog für „schwere Trekking- und Hochgebirgstouren“. Weil 14 Monate Wahlkampf, wie Benedikt Büdenbender ahnt, auch über schwieriges Gelände führen können. Im übertragenen Sinne.
Wer ist Sebastian Zimmermann? Der Kandidat, soeben auch zum CDU-Stadtverbandsvorsitzenden gewählt, hat die Frage im Vorfeld schon gehört. Und stellt sie in seiner Bewerbungsrede deshalb gleich selbst, verbunden mit einer Gegenfrage: „Wer hilft mir, mich bekannt zu machen? Wer geht mit mir durch die Dörfer? Ich bin bereit.“
Einstieg als Ratsmitglied
Im Eschenbacher Bürgerhaus stellt sich die Frage nach dem Bekanntheitsgrad des neuen Hoffnungsträgers zumindest den Älteren nicht. Paul Legge war zwischen 1999 und 2004 Zimmermanns Sitznachbar im Netphener Rat: Da hätten die Alten es dem 18-Jährigen nicht gerade leicht gemacht. „Ich bin ausgesprochen froh über diesen jungen Kandidaten“, sagt Legge, „die anderen Parteien werden uns beneiden.“ Zimmermann ist inzwischen 38. Legge: „Ich hätte nicht gedacht, dass du schon so alt bist.“
Neuer Vorstand
Die Mitgliederversammlung hat einen neuen Vorstand gewählt. Stellvertreter von Sebastian Zimmermann sind Stefan Braun und – neu – Markus Böhmer, Schriftführer bleibt Hartmut Cremer. Zu Beisitzern gewählt wurden Harald Boch, Werner Büdenbender, Caroline Cont, Stephan Eichinger, Dr. Christian Stoffers, Nicole Kringe und Daniel Zimmermann.
Sebastian Zimmermann stellt sich vor. Dass er gleich am Anfang die Schlittschuhe unterm Weihnachtsbaum erwähnt, um die gute Infrastruktur des Ortes seiner Kindheit belegen, mag etwas unglücklich sein. Über die Eishalle spricht er dann aber auch nicht mehr. Sebastian Zimmermann also: 38, verheiratet, zwei Kinder. Zweiter Jahrgang des Gymnasiums, Schülersprecher, jüngster Ratsherr der Stadt. „Da konnte ich die Grenzen der Mitgestaltung erkennen.“ Immerhin: Dieser Generation gelang es, der Stadt einen Jugendtreff abzupressen. Wehrdienst mit weiterem ehrenamtlichen Engagement im Bundeswehrverband, Jura-Studium, sechs Jahre eigene Anwaltspraxis, heute Leiter der für Datenschutz zuständigen Stabsstelle an der Uni.
Auch interessant
Zimmermann spricht frei, wägt seine Worte ab, hat Mut zur Pause. Er sagt Sätze wie: „Zugehen auf Menschen ist besser, als wenn man übereinander redet, klagt oder sich verweigert.“ Und: „Die An- und Abwesenheit von Kultur entscheidet über die Art des Miteinander.“ Und ganz deutlich: „Häme, Diffamierungen und persönliche Beleidigungen sind völlig fehl am Platze.“ Dafür bekommt er einen Zwischenapplaus. Er werde Fragen stellen, wolle den Diskurs führen, sagt er – und weil er natürlich weiß, dass sein Publikum vor allem Handfestes erwartet, liefert er auch das: Stichworte zu Wirtschaftsförderung, Schulen, Tourismus. Und dann wieder: „Ich will Brückenbauer sein“, sagt er, „Material und Herstellungswege sind mir egal. Irgendwo reicht auch eine Kranbahn.“ Zum Beispiel in der Austraße in Dreis-Tiefenbach. Das sagt er zwar nicht. Aber jeder versteht’s.
Auftakt zum Wahlkampf
Die kleine Versammlung mit 36 Stimmberechtigten ist zur Geschlossenheit entschlossen, 32 stimmen bei beiden Wahlen für ihn, vier Gegenstimmen und Enthaltungen drücken den Rest an Vorbehalten aus. „Für uns geht der Wahlkampf heute los“, sagt Benedikt Büdenbender, der nach vier Jahren auf seinen Stadtverbandsvorsitz so selbstverständlich zugunsten des Bürgermeisterkandidaten verzichtet, dass er seinen Verzicht noch nicht einmal begründet. „Ich bin sicher, das Sebastian der absolut richtige Kandidat ist.“ Zum Anfeuern ist auch der Kreisvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Volkmar Klein gekommen, der Zimmermann gleich im Doppelpack mit dem ebenfalls soeben gekürten Landratskandidaten Arne Fries sieht: „Wir haben eine Chance, diese Wahl zu gewinnen.“
Kandidatur mit Risiko
Überraschend ist das nicht: Sebastian Zimmermann hat sich in den letzten Jahren erkennbar warm gelaufen für die neue Herausforderung.
Die CDU will mit dem jungen Kandidaten werben – objektiv bewegen sich beide, Zimmermann und Amtsinhaber Paul Wagener, in den besten Jahren, nur an unterschiedlichen Enden. Und dann soll Zimmermann für einen anderen, weniger konfrontativen Stil in der Politik stehen. Das allerdings könnte ein Risiko dieser Kandidatur sein.
Denn der Bürgermeister wird nun einmal nicht mehr vom Rat gewählt, der mit Paul Wagener so überhaupt nicht mehr zurechtkommt. Sondern von der Bevölkerung, die von solchen Interna nichts mitkriegt. Die sich auch nicht für Brückenbauer im übertragenen, sondern im Wortsinn interessiert. Die Kranbahn über die Sieg eben. Das wird spannend.
Steffen Schwab
Den Schlips hat Sebastian Zimmermann, der bis dahin am förmlichsten gekleidete Teilnehmer, irgendwann dezent abgelegt. Wer ist Sebastian Zimmermann? Auch der, der mit Guido „Fliege“ Müller (FDP) als die „Stresemanns“ auf der Lyz-Bühne steht. Jemand, der Theater nicht nur schätzt, sondern schon seit Schülerzeiten selbst spielt. Vor zwei Jahren hat er noch einmal den Cassio aus Shakespeares Othello gegeben, erzählt er am Rande, in der Bonner Brotfabrik.
Jan Becker, der Schauspieler, mit dem der im Apollo auf der Bühne gestanden hat, ist am Wochenende zu Besuch. „Das ist ein bisschen größer geworden.“ Jetzt spielt Becker ganz offiziell den „Kontrabass“ in der Kreuzbergstraße 44. Sonntag, 20 Uhr, in Zimmermanns Garten, Open Air. Auch das ist Sebastian Zimmermann. Netphen wird ihn kennenlernen.