Geisweid. . Önder Sahin, Selimiye Moschee in Geisweid, über den Ramadan und wie Muslime in Siegen das Fastenbrechen erleben: „Alle sind willkommen“.

Ramadan ist der Fastenmonat der Muslime. In dieser Zeit dürfen sie nur nach Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang essen und trinken. In diesem Jahr begann Ramadan am Sonntag, 5. Mai, und endet am Dienstag, 4. Juni. Jana Wehmann hat mit Önder Sahin, Vorstandsmitglied der Selimiye Moschee in Geisweid, über diesen besonderen Monat und seine Herausforderungen gesprochen.

Warum fasten Muslime?

Önder Sahin: Muslime fasten zunächst, weil es ein Gebot Gottes ist. Deshalb wird im Fastenmonat Ramadan gefastet. Dieses Gebot ist eine der fünf Säulen im Islam. Zweiter Gedanke beim Fasten ist natürlich auch, dass wenn man fastet, erfährt man am eigenen Körper, was es bedeutet zu hungern und zu dursten. Man soll Empathie empfinden mit denjenigen Menschen, die kein Essen und Trinken im Überfluss haben wie wir. Aus dieser Erfahrung heraus soll man auch spendenfreudiger sein.

Wie lauten die fünf Säulen?

Das tägliche Gebet, das Fasten, die Pilgerfahrt nach Mekka, die Armenabgabe und das Glaubensbekenntnis sind die fünf Säulen des Islam.

Wie genau kann man sich das Fasten im Ramadan vorstellen?

Das Fasten beginnt mit der ersten Morgendämmerung, momentan gegen 3.30 Uhr, bis zum Zeitpunkt des Sonnenuntergangs, das ist gegen 21.30 Uhr. In dieser Zeit ist es absolut tabu, zu essen, zu trinken und zu rauchen. Man soll sich außerdem möglichst gemäßigt verhalten. Man soll einfach noch ruhiger und ausgeglichener sein als sonst im Leben. Auch das gehört zu Ramadan.

Gibt es weitere Gründe, wieso man fasten sollte?

Wie schon erwähnt, es ist zunächst eine der fünf Säulen. Aber gleichzeitig ist es auch eine Reinigung des Körpers. Es ist nachgewiesen, dass der Körper entschlackt. Zudem ist es auch eine mentale Reinigung. Denn wenn man den ganzen Tag fastet, denkt man natürlich öfter über den Sinn des Lebens nach. Man macht sich Gedanken darüber, was man gut oder eben nicht so gut macht in seinem Leben.

Wer darf fasten?

Grundsätzlich ist das Fasten absolute Pflicht für jeden Muslim. Die religiösen Pflichten im Islam beginnen aber erst mit Eintritt in die Pubertät, also grob ab 13 Jahre. Kinder im Grundschulter werden natürlich befreit. Genauso gilt das auch für das tägliche Gebet, Kinder müssen nicht beten. Wer fällt außerdem nicht unter das Fastengebot? Dazu gehören Kranke, die in kurzen Abständen etwas essen und trinken müssen oder auch regelmäßig Medikamente einnehmen müssen. Befreit sind auch schwangere Frauen, weil sie in einer besonderen Situation sind, wo der Körper diese Kräfte braucht. Befreit sind außerdem Menschen, die auf einer langen Reise sind. Sobald allerdings die Gesundheit gefährdet sein sollte, kann man sofort aufhören.

Wieso dürfen Reisende nicht fasten?

Das kommt aus der Geschichte. Zu Zeiten des Propheten waren Kamele die gängigsten Transportmittel. Da war man sehr lange unterwegs. Viele unserer Landsleute reisen auch heute noch in den Sommermonaten in die alte Heimat und sind oft tagelang mit dem Pkw unterwegs. Dabei ist es natürlich schwer ohne Essen und vor allem ohne Trinken auszukommen und sich auch noch auf den Verkehr zu konzentrieren.

Was genau ist das Fastenbrechen?

Fastenbrechen ist eigentlich das Abendessen. Das ist etwas wörtlich übersetzt, „das Fasten wird gebrochen.“ Man unterbricht die Einschränkungen, denen man tagsüber unterlegen ist. Mit dem Zeitpunkt des Sonnenuntergangs ruft der Muezzin zum Abendgebet auf und das Fastenbrechen beginnt, das heißt ab diesem Zeitpunkt darf man wieder essen und trinken.

Gibt es zum Fastenbrechen eine besondere Mahlzeit?

Die Mahlzeiten sind die gleichen wie sonst auch. Es gibt keine speziellen Mahlzeiten, die zubereitet werden. Es wird nur empfohlen, weil es unser Prophet Mohammed auch so machte, mit einem Stück Dattel anzufangen und ein Glas Wasser zu trinken.

Wieso genau eine Dattel?

Zur Zeit des Propheten gab es sehr viele Menschen, die keine warme Mahlzeit einnehmen konnten, beziehungsweise es sich nicht erlauben konnten. So haben sie praktisch als Grundnahrungsmittel nur Datteln und Wasser gehabt, daher kommt diese Tradition.

In Ihrer Gemeinde laden sie jeden Abend zum Fastenbrechen ein. Wie genau kann man sich das öffentliche Fastenbrechen vorstellen?

Wir sind eine relativ große Gemeinde mit 500 Mitgliedern und haben uns eine professionelle Gastronomie-Küche eingerichtet. Wir können uns den Luxus leisten, dass wir im Fastenmonat Ramadan einen Koch aus der Türkei einfliegen lassen. Dieser bekocht uns jeden Abend. Im Schnitt geben wir jeden Abend 500 Mahlzeiten aus. Mit dem Ruf zum Abendgebet beginnen die ersten mit dem Essen. Man stellt sich wie bei einer Großkantine an, bekommt das Essen serviert und sucht sich anschließend einen freien Platz.

Und das findet jeden Abend im Ramadan statt?

Ja genau, jeden Abend im Ramadan veranstalten wir ein gemeinsames Fastenbrechen.

Darf jeder an Ihrem Fastenbrechen teilnehmen?

Sicher, da darf wirklich jeder vorbeikommen. Einige Obdachlose haben das schon mitbekommen, die kamen sehr oft. Aber es kommen auch Leute aus der Nachbarschaft, die normalerweise weniger mit der Moschee zu tun haben. Es ist jeder willkommen. Keiner wird gefragt, welcher Religion er angehört. Auch viele Flüchtlinge kommen vorbei und nehmen an unserem gemeinsamen Abendessen teil. Die größte Gruppe sind vielleicht sogar Studenten. Meistens bleibt noch Essen übrig, das wir in Verpackungen mit nach Hause geben.

Ist es schwer den ganzen Tag zu fasten?

Das werde ich jedes Jahr zu Ramadan auf der Arbeit gefragt (lacht). Nein, auch wenn es für Außenstehende so aussieht als wäre man am Limit – es ist zu schaffen. Momentan fastet man sogar 18 Stunden, aber man hält es wirklich gut durch. Es gibt sogar einige Studien, die Diätvarianten untersuchten, und ergaben, dass eine 16 Stunden Diät sehr gesund für den Körper ist.

Sie meinen das Intervallfasten?

Ja genau, das soll sehr gut für den Körper sein. Es wirkt entgiftend und entschlackend. Diese Erfahrung machen auch wir persönlich.

Ist das Fasten auch beim ersten Mal so einfach?

Kleine Kinder orientieren sich ja am Verhalten der Familie, so ist das auch beim Fasten. Wenn kleine Kinder also aus Spaß mitfasten möchten, können sie das stundenweise machen. So werden sie langsam heran geführt. Aber ganz wichtig: Das darf wirklich nur ohne Zwang passieren. Kinder müssen das nicht, und dürfen deshalb nicht gezwungen werden.

Viele Jugendliche sind dann mit Sicherheit stolz auf sich, wenn sie es zum erstem Mal geschafft haben, oder?

Ja, absolut. Meine Kinder haben es an einem Wochenende zum ersten Mal ausprobiert. An einem Samstag, oder Sonntag schläft man aus und schont sich am Tag, so sind die Tage ja auch kürzer. Als sie es dann das erste Mal geschafft haben, waren sie besonders stolz auf sich.

Gibt es ein festes Datum für Ramadan?

Nein, gibt es nicht. Die islamische Zeitrechnung geht nach Mondphasen. Daher ist ein Monat im islamischen Kalender einen Tag kürzer als der übliche Kalender. Deswegen wandert der Fastenmonat Ramadan von einem Jahr zum nächsten um circa zehn Tage im Kalender nach vorne. Wir haben dieses Jahr am 6. Mai begonnen und nächstes Jahr würden wir dann grob zehn Tage früher beginnen, also Ende April.

Das heißt, Ramadan kann zu jeder Jahreszeit stattfinden?

Ja, genau das wandert komplett. In meiner Kindheit habe ich es erlebt, dass Ramadan mitten im Winter war. Im Winter sind die Tage deutlich kürzer und man kann zum Beispiel schon ab circa 16 Uhr essen und trinken.

Was kann man sich unter der 27. Nacht von Ramadan vorstellen?

Das ist die sogenannte Kadr-Nacht, also heilige Nacht. Das ist die Nacht, in der die ersten Suren des Korans übermittelt worden sind. Wann genau diese Nacht ist, weiß man allerdings nicht. Der Prophet hat nur gesagt, dass sie in den letzten zehn Tagen des Fastenmonats stattfindet. Traditionell wird es allerdings in der drittletzten Nacht von Ramadan gefeiert. In dieser Nacht hält man sich in der Moschee auf und betet sehr viel. Man holt Gebete, die man in der Vergangenheit versäumt hat, nach. Es soll eine ruhige Zeit der Einsicht sein. Wenn man diesen einen besonderen Tag erwischt, dann sind die Taten so bedeutend, als hätte man 1000 Monate (praktisch sein ganzes Leben) mit Gebeten verbracht.

Was genau ist das Zuckerfest?

Das ist das Fest am Ende von Ramadan. Der Name hat sich etwas eingebürgert, der korrekte Begriff lautet Ramadan-Fest. Das Fest feiert man ab dem ersten Tag nach Ramadan und dauert drei Tage. In dieser Zeit schenkt man kleinen Kindern sehr viel Süßigkeiten, daher auch die Bezeichnung „Zuckerfest“.

Würden Sie es Nicht-Muslimen empfehlen Ramadan mitzumachen?

Nicht den ganzen Monat, das wäre zu viel (lacht). Aber einige Tage kann man auf jeden Fall ausprobieren. Denn wie gesagt, es ist wissenschaftlich erwiesen, dass es den Körper reinigt. Aber ich glaube auch, es wäre schön zu erkennen, wie es seinen muslimischen Freunden beim Fasten geht, wenn man so will, ein „Solidaritätsfasten.“