Siegen. . Der Siegener FDP-Europakandidat Guido Müller erzählt, warum ihm die EU am Herzen liegt. Aber er sagt auch: Reformbedarf ist da.

Im Grunde hat der Kandidat kaum Zeit. Seine Agentur läuft prächtig, sagt Guido Müller, das Töchterchen wird bald 5, der Sohn 2. Kürzlich hat er spätabends in Burbach Plakate geklebt, weil es da keinen Ortsverein gibt und es ja irgendjemand machen muss. Danach ging’s wieder an den Schreibtisch. Gleich muss er sich um das Rudelturnen in Weidenau kümmern, Müller ist nicht nur der liberale Südwestfalen-Kandidat für das Europaparlament, sondern auch Vorsitzender des TV Jahn Siegen. Kreistagsmitglied, Kabarettist, Parteifunktionär. „Ich bin ein Vereinsmeier“, sagt Müller über sich und dass die FDP, die ihn für die Region aufgestellt hat, rund 34 Prozent holen müsste, damit die Liste zieht und Müller Abgeordneter in Brüssel/Straßburg wird. Im Grunde ist er also chancenlos. Trotzdem tanzt er auch noch auf der Hochzeit mit den goldenen Sternen auf blauem Grund.

Schwerpunkte im Wahlkampf

Windenergie ist Teil des Energiemixes, gehört aber nicht in jede Region. Ich wünsche mir Brennstoffzellen und Weiterentwicklung von Speichertechnologien.“

„Wir brauchen Einwanderung. Aber entsprechend unserem Arbeitsmarkt. Die Vermengung von Einwanderung mit Kriegsflüchtlingspolitik und Asyl ist irreführend.“

Konstruktion mit Fehlern

Müller sitzt in grüner Steppweste und FDP-pinken Socken bei Nieselregen an Siegens Neuen Ufern und erzählt, warum er das alles macht, Wahlkampf, Stände, Podiumsdiskussionen. Auseinandersetzungen mit Bürgern, auch das Desinteresse vieler gegenüber der Europäischen Idee. Europa, die EU, hat derzeit nicht den besten Ruf. Das hat teils seine Berechtigung, findet Müller – „es gibt Konstruktionsfehler.“ Das Legitimationsdefizit, das Gesetzgebungsverfahren, das durch die Regierungen der Mitgliedsstaaten und nicht das Parlament bestimmt wird. Die Blockademöglichkeiten einzelner Staaten, wenn ein Land den Willen der 27 anderen ins Leere laufen lassen kann. Reformbedarf ist da. „Aber wir haben den langen Frieden und unseren Wohlstand nur wegen des gemeinsamen Binnenmarkts“, sagt Müller, der Wirtschaftsliberale. „Man führt keinen Krieg gegen Handelspartner.“ In den 80ern musste Müller fürs Trainingslager in Italien erst einmal einen Auslandskrankenschein beantragen, Lire besorgen und zwei Grenzkontrollen über sich ergehen lassen. „Wir haben in wenigen Jahren so viel erreicht“, findet er und kann oft nicht verstehen, warum die Menschen diese Errungenschaften nicht zu würdigen wissen, warum sie so unzufrieden sind, wenn sie im Wahlkampf mit ihm reden. Es gebe Grund zur Kritik, klar. Aber man könne Brüssel auch nicht für alles verantwortlich machen. Und das Positive an Europa überwiege.

Dezentraler Bundesstaat

Müller will, dass Jugendliche wieder Bock haben, mit dem Interrail über den Kontinent zu gondeln, um andere Länder, Menschen, Kulturen zu sehen. Dafür stehe Europa, nicht für gekrümmte Bananen und keine Glühbirnen. „Ich bin nach wie vor von Europa begeistert“, sagt er, vom Liberalismus, der sich nicht auf Wirtschaft beschränke. Dennoch: Es brauche sichere Außengrenzen und Integration, sagt Müller. Arbeitsmigration: Auf jeden Fall, klare Zuwanderung für Fachkräfte. „Es bringt nichts, über Nationalstaaten nachzudenken – als kleines Deutschland haben wir es gegen China und die USA schwer.“ Auch Nationalstaaten sind Konstrukte, wie die EU, nur eben älter. Müller plädiert für mehr Europa, denkt über einen dezentralen Bundesstaat EU nach, mit eigener Armee und Außenministerium. Europaweit gültigen Bildungsabschlüssen. Mehr Staat; keine wirklich liberale Forderung, aber er findet das richtig.