Siegen. . Früherer Leiter der Burbacher Flüchtlingseinrichtung muss nach Verurteilung aussagen: Problemzimmer seien nicht zum Einsperren gedacht gewesen.
Ende März war der erste Versuch gescheitert, den früheren Leiter der Burbacher Flüchtlingseinrichtung als Zeugen im Hauptverfahren zu vernehmen. Auf Anraten diverser Verteidiger hatte sich der allein in die Siegerlandhalle gekommene 37-jährige S. entschlossen, doch lieber nur in Gegenwart eines Anwalts auszusagen. Am Donnerstag nun ist Rechtsbeistand Lars Leininger aus Köln dabei und hat einige Male Gelegenheit, seinem Mandanten aus schwierigen Momenten zu helfen.
Keine Erfahrung mit Asylbewerbern
Ein Aussageverweigerungsrecht hat S. nicht mehr, seit er im Januar rechtskräftig für 33 Fälle der Freiheitsberaubung zu 15 Monaten auf Bewährung und zu einer Geldstrafe in Höhe von 1200 Euro verurteilt wurde. Entsprechend antwortet er auf alle Fragen der Vorsitzenden Elfriede Dreisbach sowie von Oberstaatsanwalt Christian Kuhli, soweit er sich nach fünf Jahren noch an die Geschehnisse erinnert.
Er habe sich 2013 auf eine Anzeige als kaufmännischer Mitarbeiter beworben, berichtet S. noch einmal. Überraschend sei ihm dann die Leitung der neuen Einrichtung angeboten worden, ohne jede Erfahrung mit Asylbewerbern oder sozialen Berufen. Auch bei den Sozialbetreuern sei die Einstellungsvoraussetzung vor allem Sprachkenntnis gewesen, keine berufliche Vorbildung. In der Anfangsphase sei ihm ein Kollege aus Neuss zur Seite gestellt worden, um ihn zu beraten. Ansonsten habe er sich in vielerlei Hinsicht auf den ebenfalls angeklagten „obersten Sozialbetreuer“ verlassen, der ihm von seinem Arbeitgeber aufgrund jahrelanger Erfahrung nachdrücklich empfohlen worden sei.
Die berüchtigten „Problemzimmer“ seien auf dessen Anregung eingerichtet worden. Zu Beginn allerdings mit der klaren Absicht, Bewohner bei Konflikten oder in Fällen der Trunkenheit dorthin umziehen zu lassen. Sie zur Deeskalation einzusperren, sei nie ein Thema gewesen. Spätestens mit dem Umzug der Verwaltung aus dem ursprünglich genutzten Gebäude in ein anderes sei aber deutlich geworden, dass die am Schluss drei Zimmer für Disziplinarmaßnahmen genutzt und auch abgeschlossen worden seien. S. verortet diesen Zeitpunkt im März oder April. Auf Vorhalt des Oberstaatsanwalts, im eigenen Verfahren habe er von Januar gesprochen, korrigiert sich der Zeuge. Das sei ein schleichender Prozess gewesen, der könne auch früher begonnen haben.
Von Gewalt erst später erfahren
An das meiste von damals hat er keine konkrete Erinnerung, auch an seine Aussagen im Januar kaum noch. Sehr vieles könne er heute nur noch mutmaßen. An dieser Stelle gibt es Einspruch von Seiten eines Verteidigers, der moniert, dass Kuhli Tatsachen aus dem abgetrennten Verfahren vorhalte, über das den Anwälten kein Protokoll vorliege. Der Anklagevertreter erinnert daran, dass im Landgericht gemäß StPO grundsätzlich keine Aussagen protokolliert würden und der Mandant des Verteidigers gar nicht betroffen sei. Es gehe um den Gesamtkomplex, entgegnet der Jurist, was Kuhli wiederum ein lautes „Oh mein Gott“ entlockt. Der Zeuge jedenfalls kann keinen genauen Anlass mehr nennen, bei dem er bewusst mit einem anderen Angeklagten oder überhaupt Mitarbeiter konkret über das Thema Problemzimmer gesprochen hat. Auch nicht aus der Zeit, als es noch um die ursprüngliche Bedeutung als Deeskalationssphäre ging. Wenn er im Januar noch Namen nennen konnte, „dann habe ich aber sicher ,wahrscheinlich’ gesagt“. Von der Existenz der Zimmer habe letztlich jeder gewusst, „es gab keine Geheimnisse in der Einrichtung“. Dass allerdings die Vertreter der Bezirksregierung oder seine Vorgesetzten über die illegale Nutzung informiert waren, will er nicht behaupten. Er versichert noch einmal, von den Gewalttätigkeiten erst im Nachhinein erfahren zu haben. Im September sei er nach Weidenau auf die Wache gebeten worden, wo ihm das berüchtigte Video gezeigt wurde.
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