Burbach. . Burbach ist klein, hat aber ein Klimaschutzkonzept und einen Klimamanager: Janis Dinter erläutert, was die Gemeinde für eine bessere Zukunft tut.

Mit nur rund 14.500 Einwohnern hat die Gemeinde Burbach sehr geringen Einfluss auf die weltweite Klimaproblematik. Trotzdem hat die Kommune ein umfangreiches Klimaschutzkonzept und mit Janis Dinter einen eigenen Klimamanager. Welchen Beitrag eine relativ kleine Gemeinde realistisch betrachtet leisten kann und ob die Mühen sich global betrachtet überhaupt lohnen – Florian Adam fragte nach.

Wenn man überlegt, wieviel CO2 allein ein einziges Kreuzfahrtschiff am Tag ausstößt: Was kann das – Sie verzeihen – kleine Burbach da ausrichten?

Dinter: Natürlich: die quantitative Hausnummer, mit der wir uns hier beschäftigen, schwebt bei mir im Hinterkopf immer mit. Ich freue mich über erfolgreiche Projekte. Aber abends frage ich mich schon manchmal: Was hat das global gebracht? Womit ich mich motiviere: Ich bin ja nicht der einzige, der sich damit befasst – nicht in Burbach, nicht in Deutschland und nicht international. Weltweit gibt es in vielen Kommunen, Kreisen, Vereinen Menschen, die sich für den Klimaschutz einsetzen.

Die Größe der weltweiten Aufgabe und die begrenzten Einflussmöglichkeiten vor Ort frustrieren Sie also nicht?

Ich versuche, das wie ein Arzt zu sehen. Wenn ein Arzt einen Tumor entfernt, kann ein Mensch länger und besser leben – ohne dass der Arzt aber insgesamt den Krebs besiegt hat. Man muss seinen persönlichen Einfluss nutzen.

Sensibilisierung und Information

Und dann baut irgendein Großunternehmen irgendwo auf der Welt Mist und haut das Doppelte Ihrer Erfolge an Schadstoffen raus.

Natürlich, ein Großkonzern kann mit einem Fingerschnipp die Arbeit von Jahren zunichte machen.

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Janis Dinter, 27, ist seit Sommer 2017 Klimamanager der Gemeinde Burbach.

Er hat Geografie im Bachelor und Master in Innsbruck studiert.

Worin genau besteht Ihre Arbeit als Klimamanager?

Einerseits in der Sensibilisierung der Bevölkerung und Industrie, etwa durch Vorträge und Infoabende. Wir möchten die Leute anregen und ihnen zeigen, was sie selbst machen können: im eigenen Haus, beispielsweise durch Dämmung, oder durch alternative Formen der Mobilität. Wir möchten das Thema in die Köpfe bringen. Da sind wir auch schon weit gekommen. Es dürfte nur wenige Burbacher geben, die nicht wissen, dass wir ausgewiesene Klimaschutzkommune sind.

Und andererseits?

Direktmaßnahmen. Was wir derzeit machen: Wir wollen ein Nahwärmenetz installieren. Ein Nahwärmekraftwerk, betrieben mit Holzhackschnitzeln, läuft seit zehn Jahren erfolgreich am Schulzentrum. Jetzt möchten wir auch eins im Wohngebiet unterhalb des Schulzentrums für bis zu 190 Häuser – wenn sich alle anschließen. Wir haben Antrag auf Fördermittel des Landes gestellt und hoffen auf eine Zusage in den kommenden Wochen.

Neues Nahwärmekraftwerk

Was kostet so ein Projekt?

Etwa 2,5 Millionen Euro. Die Förderung würde knapp die Hälfte ausmachen.

Das ist eine Menge Geld.

Aber das Nahwärmekraftwerk bringt handfeste CO2-Einsparungen. Wenn 80 Prozent der Haushalte mitmachen, sparen wir 1000 Tonnen CO2 pro Jahr. Und es ist sinnvoll, weil in diesem Bereich viele Leute noch mit Öl heizen – klimamäßig ganz übel. Holz aus nachhaltigem lokalen Anbau ist viel besser. Außerdem bleibt dann die Wertschöpfung in der Region. Ein positiver Nebeneffekt.

Heizen mit Holz – ginge das in ganz Burbach?

Ja.

Nicht im Ernst ...

Doch. Wir haben ein Holznutzungskonzept. Bei optimaler Ausnutzung würden die Kapazitäten ausreichen, um ganz Burbach zu versorgen.

Warum machen Sie’s nicht einfach?

Weil es sehr teuer ist. Es ist nur wirtschaftlich, wenn wir Fördermittel bekommen. Wir müssten sonst die kompletten Investitionskosten auf die Nutzer umlegen, damit es sich amortisiert. Da würde kaum einer mitmachen.

Ohne Fördermittel schlechte Karten

Wieso nicht?

Nur wegen des Klimaschutzes machen die Menschen so etwas in der Regel nicht. Viele sehen den Klimawandel inzwischen zwar als ernsthafte Bedrohung an. Aber wir sind noch nicht so weit, dass alle Menschen sagen: Ich zahle jetzt drauf. Das tut nur ein kleiner Teil. Wir müssen den Leuten gute Aussichten bieten: Wenn wir zum Beispiel vorrechnen, dass der Kauf einer Solaranlage sich lohnt, weil sie in zehn Jahren Plus macht.

Fördermittel sind aber unverzichtbar?

In vielen Fällen: Ja. Nur wenige Kommunen können es sich leisten, große Klimaschutzprojekte aus der eigenen Tasche zu stemmen.

Wann würde das neue Nahwärmekraftwerk in Betrieb gehen – und welche prozentuale Einsparung am Burbacher Gesamt-CO2-Ausstoß brächte es?

Spätestens im Winter 2021/22 müsste die Anlage stehen. Und diese 1000 Tonnen würden 0,5 Prozent der Burbacher CO2-Emissionen eliminieren.

Dafür hat das Projekt aber jahrelangen Vorlauf. Wenn Burbach bis zum Jahr 2050 seine Emissionen um 95 Prozent reduzieren möchte: Wäre es da nicht hilfreich, wenn die Antrags- und Fördermittelverfahren auf Landes- und Bundesebene beschleunigt würden?

Ja. Vorbehaltlos.

Wieviel bedeuten die 1000 Tonnen Reduktion eigentlich in deutschlandweiter Perspektive?

Ein Neunhundertmillionstel. Wenn man diese quantitative Dimension sieht, kann das entmutigend wirken. Alle wissen zwar, dass es höchste Eisenbahn ist. Aber es tut sich nicht viel.

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Im Klimaschutz lassen sich viele Dinge – noch – nicht Kraft Gesetz durchsetzen?

Wir sind auf den Good Will der Leute angewiesen, obwohl Klimaschutz im Interesse der gesamten Menschheit liegt. Und nicht nur der Menschheit. Solange wir von der Landes- und Bundespolitik keine Handhabe bekommen, um als Kommune große Maßnahmen auf jeden Fall umsetzen zu können, sind es oft nur kleinere Maßnahmen – mit der Dringlichkeit nicht angemessenen Effekten.

Wie steht Deutschland in dieser Hinsicht da?

Ich habe den Eindruck, dass auf Bundesebene die Gewichtung in die falsche Richtung gegangen ist. Vom Klimaschutzvorreiter sind wir dahin gekommen, dass andere Staaten in Europa uns den Rang abgelaufen haben.

Neue Wege aufzeigen

Trotzdem bemühen Sie sich jeden Tag aufs Neue.

Ja, denn ich tue ja was – das ist die Perspektive, die ich jeden Tag habe. Eines der schönsten Projekte in letzter Zeit ist das Hickenmobil: Ein Elektromobil für die südlichen Gemeinden. Ehrenamtliche holen die Menschen bei Bedarf ab und fahren sie herum. Für die Nutzer ist es kostenlos. Aber über den unmittelbaren praktischen Nutzen hinaus findet auch eine Sensibilisierung statt, die E-Mobilität rückt mehr ins Bewusstsein.

Welche Rolle hat die Industrie?

Eine große, klar. Burbach hat 2018 am Projekt Ökoprofit Siegerland teilgenommen, drei von 13 Unternehmen waren davon aus Burbach. Es geht darum, Ersparnisse durch Klimaschutzmaßnahmen auszumachen – von simplen Dingen wie LED-Leuchten oder modernen Heizungsventilen bis zu ganzen Produktionsstraßen. Ziel ist auch, dass möglichst viele Leute in der Firma daran mitarbeiten.

Und das Fazit der Mitarbeiter?

Die Abschlussveranstaltung war vor fünf Wochen, und das Fazit war durchweg positiv. Was mich dann besonders freut: Wenn die Leute nicht genervt sind und wenn ich sehe, was das für einen positiven Effekt auf die Menschen hat.

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