Siegen. . Die Geschäftsführung der Siegener Senioreneinrichtung weist Anschuldigung des sogenannten Union Busting zurück: Fehlverhalten der Mitarbeiter.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi wirft der Einrichtungsleitung des Christofferhauses vor, Betriebsratsmitglieder zu mobben und den Betriebsrat als solches abschaffen zu wollen. Das Seniorenheim gehört seit 2015 als eigene GmbH zur Novita Leben im Alter GmbH mit Sitz in Hohenwart (Bayern). Einrichtungsleitung und Geschäftsführung weisen die Vorwürfe zurück.

Die Gewerkschaft

„Einzelne Betriebsratsmitglieder wurden in den letzten drei Wochen täglich bombardiert mit seitenlangen Schreiben“, sagt Thomas Melin, Rechtssekretär bei Verdi Südwestfalen. Novita gehe mit rechtlichen Mitteln gegen die Mitarbeiter vor; sie würden zu Anhörungen vorgeladen, erhielten Abmahnungen. Einigen sei außerordentlich gekündigt worden. Weil dem der Betriebsrat zustimmen muss, was er nicht getan hat, sei Novita vor das Siegener Arbeitsgericht gegangen, damit dort die Zustimmung zur Kündigung erteilt werde. Das bestätigt das Unternehmen auch (siehe unten).

„Wir kennen dieses Phänomen als ,Union Busting’ aus den USA“, sagt Mehlin: „Mitarbeiter sollen mürbe gemacht werden, bis sie selber das Handtuch werfen.“ Juristisch hätten diese Vorwürfe vor keinem Arbeitsgericht Bestand, „man kann sich immer erfolgreich zur Wehr setzen – aber wer hält das aus?“ Bei den Vorwürfen gegen die Mitarbeiter handle es sich um angebliche Beschwerden von Bewohnern über die jeweiligen Pflegekräfte; zudem hätten sie sich für die Betriebsratsarbeit nicht ordentlich vom Dienst abgemeldet. „Formfehler“, sagt Mehlin. „Das ist alles an den Haaren herbeigezogen.“

In der Region sei das völlig neu, auch das Ausmaß habe er so noch nicht erlebt, sagt Mehlin: „richtig krass“. „Hier werden mit kriminellen Methoden Menschen systematisch kaputt gemacht.“ Die Gewerkschaft vermutet, dass das Gehaltsniveau gesenkt werden solle: Altbeschäftigte erhielten noch höhere Gehälter aus der Zeit vor der Novita-Übernahme, als sich die Gehälter an den Tarifverträgen im öffentlichen Dienst orientierten. „Da ist der Betriebsrat natürlich im Weg“, sagt Gewerkschaftssekretär Mehlin. Siegen sei unter zwölf Novita-Standorten die einzige Einrichtung mit einem Betriebsrat. Mehlin: „Das ist das gute Recht der Mitarbeiter. Damit muss der Arbeitgeber umgehen.“

Der Betreiber

„Es trifft zu, dass wir derzeit ein sogenanntes Zustimmungsersetzungsverfahren beim Arbeitsgericht in Siegen wegen der Möglichkeit des Ausspruchs einer fristlosen Kündigung gegen zwei Betriebsratsmitglieder betreiben“, teilt die Geschäftsführung der Novita Seniorenzentrum Siegen GmbH auf Anfrage mit. Ursache sei jeweils schwerwiegendes Fehlverhalten der betreffenden Betriebsratsmitglieder, „die bei jedem Arbeitnehmer zur sofortigen fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen würden.“ Denn zum einen sei durch dieses Verhalten die Bewohnerversorgung beeinträchtigt, zum anderen sei es unkollegial gegenüber den anderen Mitarbeitern, die die „unberechtigt abwesenden Mitarbeiter vertreten müssen.“

Hintergrund: Union Busting

„Union Busting“ meint die systematische Bekämpfung, Unterdrückung und Sabotage von Arbeitnehmervertretungen durch den Arbeitgeber, auch mithilfe illegaler Methoden. Häufig ist es Strategie, Betriebsräte innerhalb der Belegschaften zu isolieren, um eine Solidarisierung zu verhindern.

Auch in diesem Fall steht der Verdacht im Raum, dass eine auf Union Busting spezialisierte Anwaltskanzlei involviert sein soll.

Der Fall ist auch Thema DGB-Maikundgebung: Ein „weißer Block“ von Pflege-Mitarbeitern sammelt dazu Unterschriften.

Es treffe nicht zu, dass der Betriebsrat abgeschafft werden solle. Man achte die Beteiligungsrechte des Betriebsrats, verlange von den Betriebsräten aber auch, gesetzliche Regelungen zu beachten. So verstoße es gegen das strikte Neu­tralitätsgebot, wenn der Betriebsrat als verlängerter Arm der Gewerkschaft agiere, dies verletze den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit. Betriebliche Mitbestimmung sei ein wichtiges Instrument zur Beteiligung der Arbeitnehmer an der Unternehmensführung, dürfe aber nicht dazu führen, dass einzelne Betriebsratsmitglieder ihre Stellung zu eigenen Gunsten missbrauchen.

Gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels in der Pflege sei es keinesfalls Ziel von Novita, Mitarbeiter loszuwerden, betont die Geschäftsführung. Wenn allerdings ein Fehlverhalten im Raum stehe, eine „schwerwiegende Verletzung des Arbeitsvertrags“, und das Unternehmen den Eindruck habe, dass eine angemessene, gemeinschaftliche Zusammenarbeit nicht mehr möglich sei, beende man die Arbeitsverhältnisse wie jeder andere Arbeitgeber auch. Hier sei es auch durchaus üblich, sich anwaltlich beraten zu lassen.