Siegen. . Die Qualität der Beleidigungen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Siegener Verwaltung sich anhören müssen, wird schlimmer.
Die Ausfälligkeiten gegenüber Siegener Verwaltungsmitarbeitern werden heftiger. „Wir stellen fest, dass der Ton rauer wird“, sagt Dirk Helmes, Leiter der Abteilung Personal und Organisation. Die Stadt geht das Problem auf mehreren Wegen an, appelliert aber vor allem an Vernunft und Anstand der Bürger.
Wie übel ist es?
Es sei weniger die Quantität, die zugenommen habe, als die Qualität, sagt Dirk Helmes. Diejenigen, die zu unangemessenem Verhalten neigen, würden immer unflätiger und aggressiver, sagt der Personalchef, immer häufiger kämen auch Begriffe aus den untersten Beleidigungs-Schubladen. Nach wie vor gelte allerdings, dass „der Großteil der Bürgerinnen und Bürger nett ist und gerne zu uns kommt – und sich freut, wenn wir helfen können.“ Zu körperlichen Angriffen sei es bisher nur „äußerst selten“ gekommen.
Sich für Arbeitnehmer einsetzen
Unter raueren Umgangsformen haben viele Branchen zu leiden: Außer der Verwaltung zunehmend auch Rettungskräfte, Einzelhandel und Gastronomie.
„Wir bleiben aber ein attraktiver Arbeitgeber“, betont Dirk Helmes von der Stadt Siegen. Einerseits reagiere die Verwaltung und schütze die Belegschaft, andererseits „hat man bei uns riesige Möglichkeiten“.
Nach dualem Studium oder Ausbildung stehe ein Einsatz in sehr unterschiedlichen Bereichen offen: von der Kämmerei über Kultur, Sozial- oder Schulamt bis zu „Sport und Bäder“.
Welche Abteilungen kriegen die Aggression ab?
Naturgemäß sind vor allem die Kolleginnen und Kollegen betroffen, die viel Bürgerkontakt haben. „Wir sind eben nicht nur ein kommunaler Dienstleister, der etwas anbietet, sondern auch eine Ordnungsbehörde“, sagt der Personalchef. Es sei durchaus verständlich, dass Menschen sauer seien, wenn sie beispielsweise ein Knöllchen bekommen – die Frage sei aber, wieso diese Wut sich gegen Verwaltungsmitarbeiter richten sollte, wenn der Knöllchen-Empfänger doch derjenige ist, der falsch geparkt hat. So nachvollziehbar eine gewisse Erregung also in manchen Fällen sein mag – auch wenn das keine Ausfälligkeiten rechtfertige – so „gibt es auch viele Bereiche, wo ich es wirklich nicht verstehe“, betont Dirk Helmes und gibt ein Beispiel: Wenn jemand eine Woche vor dem Urlaub merkt, dass sein Pass abgelaufen ist, sei es völlig unangebracht, Krawall zu schlagen, wenn man mit einem vorübergehenden Passersatz aus irgendwelchen Gründen hadert. „Auch wir können die Arbeit der Bundesdruckerei nicht beschleunigen.“
Hilft unflätiges Genörgel wegen eines Bescheids, eines Knöllchens oder einer sonstigen Verwaltungsentscheidung irgendwie weiter?
„Nein“, sagt Dirk Helmes. „Denn das ändert ja an der Entscheidung nichts. Bei uns wird von gut ausgebildeten Fachkräften qualifiziert ein Verwaltungsvorgang durchgeführt. Da kann man mit Brüllen nichts erreichen.“ Das hieße nicht, dass es nicht in Einzelfällen zu Fehlern und „berechtigtem Ärger“ kommen könne. „Aber wieso ausrasten? Einfach normal ansprechen, und dann wird das gelöst. Reden hilft.“
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Wie unterstützt die Verwaltung Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Umgang mit aggressiven Bürgern?
„Wir fahren eine Null-Toleranz-Linie: Wer sich danebenbenimmt, muss die Konsequenzen tragen“, sagt Dirk Helmes. Für alle Mitarbeiter wird außerdem Deeskalationstraining angeboten. Es gibt betriebliche Ansprechpartner für persönliche Belastungen, außerdem wird vieles innerhalb der Teams aufgefangen. Und seit fast vier Jahren ist jeder Bildschirmarbeitsplatz im Haus mit einem Alarmknopf ausgestattet. „Wir haben uns damals als einzige Kommune im Kreis dafür entschieden“, erläutert der Personalchef. Diese Funktion werde zwar nur sehr selten gebraucht, habe aber psychologisch einen guten Effekt – weil Kollegen und Kolleginnen ein Gefühl der Sicherheit haben, wenn sie wissen, dass sie jederzeit unkompliziert Hilfe rufen können. „Wir sind uns des Problems bewusst“, sagt Dirk Helmes.
Was erwartet die Verwaltung von den Bürgerinnen und Bürgern?
„Einfach einen normalen Umgang“, unterstreicht der Personalverantwortliche. „Und Respekt vor den Menschen, die hier arbeiten. Die haben alle eine qualifizierte Ausbildung durchlaufen, die machen das seit Jahren.“ Gerade in den sozialen Medien sei es verbreitet, die Kompetenz von Verwaltungsmitarbeitern per se anzuzweifeln, auch „Tiernamen sind völlig normal“. Das schlechte Image, räumt Dirk Helmes ein, stamme aus einer Zeit, als Verwaltung noch ein anderes Selbstverständnis hatte. Inzwischen habe aber eine Entwicklung von der Ordnungsverwaltung über die Dienstleistungs- zur Bürgerkommune stattgefunden, die die Menschen aktiv in Prozesse einbinden möchte. „Da hat sich viel verändert.“