Siegen. . Der Film feiert am 12. April 2019 Premiere. Projektleiter Matthias Schäfer erklärt die Entstehung des Projektes. 40 Jugendliche nehmen teil.

„Gliese 667Cc“ ist ein soziokulturelles Filmprojekt, das im Siegerland gedreht wurde. Es ist eine Kooperation mit der Landesarbeitsgemeinschaft Kunst und Medien NRW (LAG Medien & Kunst) und der BlueBox Siegen. Mit rund 40 Jugendlichen haben die Filmemacher Matthias Schäfer und Dirk Hartmann den Film gedreht. Vor der Premiere am Freitag, 12. April 2019, im Kulturhaus Lyz spricht Filmemacher Matthias Schäfer im Interview mit Jana Wehmann über die Hintergründe des Projekts.

Gliese 667Cc, so heißt nicht nur der Film, sondern auch ein Exoplanet. Wie kam der Name zustande?

Matthias Schäfer: Bei dem Namen handelt es sich tatsächlich um den Planeten. Dieser Exoplanet spielt für den Protagonisten eine sehr wichtige Rolle. Er ist ein Sinnbild, für das, was der Protagonist sich wünscht, was er anstrebt. Er träumt aus seinem Alltag auszubrechen, und der Planet ist die ferne Welt, wo er sich hinflüchtet.

Können Sie die Handlung kurz zusammenfassen?

Es handelt sich um eine dystopische Geschichte, die in der nahen Zukunft oder auch Parallelwelt spielt. Wir haben uns extra nicht genau festgelegt, deswegen gibt es auch keine fliegenden Raumschiffe (lacht). Es ist eher ein ruhiger, sozialkritischer Film mit vielen Coming-of-Age-Momenten. In der Welt hat es ein Konzern geschafft, menschliche Kreativität spendefähig zu machen. Dieses Unternehmen wirbt damit seit Kurzem sehr stark im Fernsehen. Und genau dort verbringt unsere Protagonisten-Familie in der Regel ihren ganzen Tag. Unser kleiner Lenny, der Protagonist, lebt in einer vererbten Hartz-IV-Situation. Sein Traum ist es, aus dieser Welt auszubrechen. Lenny ist ein Bastler, ein Tüftler und denkt sich Geschichten aus, schreibt Comics oder „Graphic Novels“, wie er es im Film nennt. Seine Familie hat leider großes Interesse daran, seine Kreativität zu verkaufen, um an das schnelle Geld zu kommen. Es stellt sich die handlungstreibende Frage, ob er seine Kreativität verkaufen wird oder nicht.

Das heißt, die Zuschauer erwartet eine dystopische Welt?

Ja, es war schon der Plan, eine triste, dystopische Situation für die Hauptfigur zu schaffen.

In welches Genre kann man den Film einordnen?

Dystopien bewegen sich irgendwo zwischen Science-Fiction und Sozial-Drama, deswegen sind wir da auch angesiedelt. Allerdings erwartet man bei Science-Fiction immer Laserpistolen und ferne Welten – bei uns wird nur von den fernen Welten geträumt. Eigentlich bewegen wir uns im Bereich Coming of Age, also ein Subgenre des sozialkritischen Films. Aber natürlich haben wir auch versucht, etwas Humor mit ins Spiel zu bringen.

Warum ist die Kreativität das höchste Gut in der Zukunft?

Es ist nicht automatisch das höchste Gut, sondern es ist ein Gut, was aktuell noch keins ist. Wir verstehen das so: Die Kreativität ist etwas, das den Menschen einzigartig macht. Es geht ja nicht nur darum ein schönes Bild malen zu können. Sondern Kreativität zeichnet sich durch Problemlöse-Strategien aus und wie man das Leben bewältigt. Wir haben quasi ein abstraktes, geistiges Gut materialisiert.

Was soll mit dem sozialkritischen Aspekt vermittelt werden?

Das ist die berühmte Frage ,Was hat sich der Autor gedacht?’ (lacht). Mir persönlich ging es eigentlich nur darum, einen Film zu machen. Diesen Ansatz hatte fast das gesamte Team. Der Film soll keine Missionierungsarbeit leisten.

Woher stammt die Idee?

Ich gebe öfter Seminare rund um das Filmemachen in der Bluebox. Bei einem Skripting-Workshop ist die Idee als Abfallprodukt entstanden. Beim Warmschreiben ist damals der Satz gefallen ,Ich bin doch viel zu unkreativ, das ist vielleicht nichts für mich. Könnte ich mir Kreativität jetzt nicht einfach einverleiben’ und ich dachte mir nur ,Halt, stopp, das klingt doch super’. So war das eigentliche Abfallprodukt unsere zündende Idee. Im Rahmen dieses Workshops ist dazu ein Drehbuch entstanden.

Wie ging das Projekt dann los?

Anfangs war uns gar nicht klar, dass wir den Film als Jugendprojekt umsetzen können. Wir wollten eigentlich einen hochprofessionellen Kurzfilm machen. Die ganze Arbeit hat dann aber doch etwas länger gedauert als gedacht. Wo Hollywood einen ganzen Film produziert, da haben wir noch nicht mal die Finanzierung durchbekommen (lacht). Im November 2017 haben wir einen Antrag bei der Filmstiftung NRW gestellt. Die Förderung haben wir allerdings aufgrund eines Formfehlers nicht bekommen. Über Kontakte sind wir dann an die LAG Kunst und Medien NRW gekommen. Die fanden die Idee echt toll. Über die LAG, die Stadt Siegen und das Kulturbüro des Kreises Siegen-Wittgenstein haben wir dann das Budget bekommen.

Und dann ging es mit dem Casting los?

Ja genau, das Casting haben wir im Frühjahr 2018 im Lyz veranstaltet. Da waren überraschend viele Leute da, wir konnten eigentlich so gut wie alle Rollen besetzen. Sogar den Komponisten haben wir gefunden.

Wie viele Teilnehmer haben Sie gefunden?

Also es haben rund 40 Jugendliche teilgenommen. Gesamtbeteiligt waren es bestimmt circa 65 Personen.

Wie alt sind die Jugendlichen ungefähr?

Der Hauptdarsteller zählt mit 14 Jahren zu den jüngsten. Man kann so zwischen 14 und 23 Jahren sagen.

Wie ging es dann nach dem Casting weiter?

Eine Woche nach dem Casting waren wir zum Teambuilding drei Tage im Stift Keppel. Dort haben wir die finale Auswahl für den Hauptdarsteller getroffen und gleichzeitig auch andere Departments, wie Ton oder auch Social Media, besetzt. Jeder durfte machen, worauf er Lust hatte. Die drei Tage waren eine Wahnsinnserfahrung. Das Wochenende gab den Push zum Starten.

Der Dreh fand im Sommer 2018 statt. Was musste vorher erledigt werden?

Wir hatten von der Stadt Kreuztal für zwei Wochen einen leerstehenden Bürokomplex in Ferndorf zur Verfügung gestellt bekommen. Dort mussten wir noch tapezieren und Teppich verlegen. Das Mobiliar haben wir bei Wohnungsauflösungen und im Sperrmüll geholt.

Wo haben Sie noch gedreht?

In Olpe haben wir bei der Firma Neuhaus und Partner gedreht. Der Eingangsbereich ist für die Agentur gedacht, und der Außenbereich der Agentur wurde am Staatstheater in Darmstadt gedreht. Sonst sind alle Szenen aus Siegen und der Umgebung: Das Gymnasium auf der Morgenröthe stellt die Schule im Film dar, das TV Studio der Uni Siegen dient als Fernsehstudio. Der Flur des Rathauses Geisweid bildet das Foyer eines Studios. Im Herbst haben wir sehr viel im Außenbereich gedreht. Wir waren zum Beispiel auf der Kreisabfalldeponie in der Fludersbach. In der Regel erkennt man die Orte wieder. Man muss sagen, trotz der tristen Atmosphäre wollten wir Siegen fotogen zeigen.

Wie teuer war das Film-Projekt?

Das Budget lag im fünfstelligen Bereich.

Ist etwas schief gegangen?

Dirk und ich verbringen die letzten 14 Tage 14 Stunden am Tag im Büro. Wir haben am vergangenen Wochenende den kompletten Film nachsynchronisiert. Bei manchen Locations war der Ton am Ende so schlecht, dass wir echt circa 80 Prozent nachvertonen mussten. Man muss aber sagen, das lag nicht an den Leuten, die am Set den Ton gemacht haben. Die haben ihre Aufgabe wirklich mit Bravour gelöst. Manche Räume waren einfach nicht für Originaltöne geeignet. Teilweise hatten wir draußen richtig Sturm, da war klar, dass der Ton schlecht wird. Das müssen wir uns selbst mit auf die Kappe schreiben, da mangelte es uns auch an Erfahrung. Ein Werbefilm ist halt was anderes als ein richtiger Spielfilm.

Freuen Sie sich auf die Premiere am 12. April 2019?

Ja, die Vorfreude steigt schon. Die 263 Plätze sind so gut wie ausverkauft.

Wie lange dauert der Film?

Rund 40 Minuten. Geplant war ein Kurzfilm mit circa 15 Minuten. Das Drehbuch hatte allerdings noch einen anderen Charakter, den wir aufgrund der Länge rausstreichen mussten. Und trotzdem sind es jetzt 40 Minuten geworden.

Wird der Film nach der Premiere noch in anderen Kinos zu sehen sein?

Ja, das hoffe ich sehr, allerdings haben wir noch keine festen Zusagen. Was möglich ist, ist das Open Air Kino.

Wollen Sie danach noch mal Projekte dieser Art machen?

Ja, das will ich doch hoffen, ich bereue nichts. Klar, es war stressig und es ist auch schade, dass gewisse Dinge gegen Ende nicht so ganz geklappt haben, aber es war einfach ein tolles Projekt. Ich freue mich sehr auf die Premiere.