Kreuztal. . Städtische Gymnasium Kreuztal feiert ein halbes Jahrhundert. Lange hat die Stadt für die Neugründung gekämpft. Schulfestwoche vom 3. bis 9. Juli.
Das Städtische Gymnasium Kreuztal wird, ebenso wie die Stadt, 50 – die Neugründung von 1969 kommt nun auch in ihre besten Jahre. Und ist trotzdem eines der jüngsten Gymnasien im Siegerland: Danach kamen nur noch die Niederscheldener Morgenröthe, Netphen und Wilnsdorf. Das Jubiläum ist Thema der Schulfestwoche vom 3. bis 9. Juli 2019, ein Gala-Abend ist für den November geplant, ebenso eine Ausstellung in der Stadtbibliothek.
Herbert Hoß arbeitet sich durch die Jahresberichte, lässt die Schulfilme digitalisieren, die frühere Schülergenerationen mit so anspielungsreichen Titeln wie „Schulfigurenreport“ oder „Zärtliche Chaoten“ auf 16-Millimeter-Film oder VHS-Video produziert haben. Wenn es nicht um einen neuen Film oder die Ausstellung ginge, brauchte er diese schulgeschichtlichen Quellen nicht. Denn Herbert Hoß ist selbst schon 1979 als Referendar an die Schule gekommen und dort, bis auf ein zwölfjähriges Intermezzo am 1989 neu gegründeten Gymnasium Netphen, auch geblieben. 2009 wurde er Schulleiter, nach Günther Schweitzer und Christoph Heilmann erst der dritte in diesem Amt.
Die ersten Jahre
Erinnerungen an die ersten Jahre? „Ich musste erst mal auf der Karte gucken, wo Kreuztal war“, erinnert sich Hoß, als ihm, dem in der Eifel geborenen frisch gebackenen Referendar, die Stelle im Siegerland
zugewiesen wurde. Die Kreuztaler wollten den jungen Lehrer nach bestandener Prüfung behalten, an einem Montag im Februar 1981 trat er den Dienst an. „Ich wurde sofort Klassenlehrer der 6e.“ Das „e“ steht für die 5. Parallelklasse – das Kreuztaler Gymnasium, derzeit mit (noch) nur acht Jahrgängen 775 Schüler stark, hatte in Spitzenzeiten mehr als 1100 Schüler.
1978 hatte die Schule gerade ihre ersten Abiturienten entlassen, die Aufbauphase war gerade abgeschlossen. Der Ausbau von Mathe und Naturwissenschaften wurde ein großes Thema, der erste PC wurde angeschafft. „Der hatte 60.000 Mark gekostet.“ Stark war die junge Schule auch im Sport, aus Kreuztal kamen 1982 die Bundessieger im Handball. Und dann gab es auch immer Lehrer mit Freude am Musischen. Einmal, 1987 beim „Besuch im Schloss“, hat Herbert Hoß auch selbst mitgespielt. Regisseur Gerd Sprenger, der die Theater AG fast 30 Jahre geleitet hat, war der kleine König. „Und ich war sein Diener.“
Was bis dahin geschah
Die Chronik reicht zurück ins Jahr 1962. Das Amt Ferndorf will ein Gymnasium, die Amtsvertretung stellt 1,5 Hektar in der Stählerwiese als Bauplatz zur Verfügung. Der umworbene Träger, der Kirchenkreis Siegen, macht nicht mit: Er errichtet sein „Evau“ in Weidenau. Die Kreuztaler Politik wendet sich an das Land, bewirbt sich um ein staatliches Jungengymnasium. Düsseldorf verweist auf das Aufbaugymnasium im nahen Hilchenbach, zuerst soll Neunkirchen an die Reihe kommen.
1967 klopft das Amt Ferndorf erstmals bei seinem wohlhabenden Bürger an. Friedrich Flick lehnt zunächst ab, Schulen zu betreiben, so sagt er, sei doch wohl Aufgabe des Staates. 1969 hat ihn die junge Stadt Kreuztal überzeugt: Friedrich Flick errichtet eine Stiftung, stattet sie mit drei Millionen Mark aus. Am 1. August 1969 werden die ersten Sextaner und Sextanerinnen am Friedrich-Flick-Gymnasium eingeschult, – ein privates Gymnasium in Trägerschaft der Stiftung. Zum 1. Januar 1970 steigt die Stadt als Schulträger ein, drei Jahre später ist Auszug aus der Roonstraße und Einzug in den Neubau in der Stählerwiese.
Die Schule und ihre Namen
Der Name ist Geschichte? „Das Bild ist weg, der Name schwingt schon noch“, spürt Herbert Hoß, zumindest bei den Ehemaligentreffen. „Ich habe eine dicke Flick-Akte, da wird man noch mal ran müssen.“ Es waren nur wenige Jahre, in denen der Stifter keine Belastung für das Schulleben war. Hoß erinnert sich an das Schuljahr 1983/84, als er SV-Vertrauenslehrer war: „Da gab es eine Schülergruppe, die sich mit dem Namen beschäftigte.“ Unten in der Stadt rumorte es da schon gewaltig: 1984 lehnte der Rat den Antrag der Grünen ab, dem als Kriegsverbrecher verurteilten, 1972 verstorbenen Industriellen die Ehrenbürgerwürde zu entziehen. 1988 fand sich im Rat keine Mehrheit für den Antrag der Grünen, das Gymnasium umzubenennen. Ende 2007 nahm eine Initiative ehemaliger Schüler („Flick ist kein Vorbild“) den 60. Jahrestag des Nürnberger Urteils zum Anlass, in der Stadt nachzufragen. Am 6. November 2008 beschloss der Rat für die Schule einen neuen Namen: „Städtisches Gymnasium Kreuztal.“
Seit 2002 ist Herbert Hoß wieder in Kreuztal, erlebt die intensiver werdenden Auseinandersetzungen mit – auch das polnische Fernsehen berichtet fassungslos aus Kreuztal. „Es spielte gar keine Rolle, ob ich dafür oder dagegen war“, sagt er, „die Debatte wäre für die Schule nicht mehr länger durchzuhalten gewesen.“ Und für den Schulleiter selbst auch nicht.
Er hat viel Post bekommen. Nicht nur solche Briefe wie den von der 6b: „Wir wissen, dass Sie im Moment eine schlimme Zeit durchmachen. Aber wir wollen, dass Sie wissen, dass die ganze Klasse hinter Ihnen steht.“ Es gab auch Postkarten wie diese: „Sie sind ein Gesinnungsgenosse des Kriegsverbrechers F. Flick.“
Dass es nicht die Schule ist, die über ihren Namen bestimmt, sondern die Stadt, ist in diesem aufgeheizten Klima nicht von Belang. „Geld ist nicht alles“, sagt Hoß über viel vorgetragene Argumente, dass es nach der Umbenennung keine Unterstützung aus dem Haus Flick mehr geben werden. „Viel schmerzhafter war für mich, dass versucht wurde, der Schule einen Ruf anzuhängen“ – eben den, Jugendliche im Geiste ihres Namensgebers zu erziehen. Herbert Hoß erinnert sich an den Tag nach der Ratssitzung. „Dass es auf einmal so still war, das war das Erstaunlichste.“
Die Aussichten
Im Schulzentrum war das Gymnasium Nachbar von Haupt- und Realschule. 1992 nahm die Gesamtschule den Platz der Hauptschule ein. „Das wurde mit Misstrauen gesehen“, erinnert sich Schulleiter Herbert Hoß an frühe Diskussionen im Lehrerzimmer – immerhin trat ein Mitbewerber in
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die Arena, der ebenfalls das Abitur als Schulabschluss anbot.
„Wenn Schulen um ihre Existenz bangen, werden sie kreativ“, sagt Hoß mit einem Schuss Ironie. „Die Unterstützungsangebote sind vielfältiger geworden.“ Er wäre nicht Mathematiker, wenn er den Wandel nicht mit Zahlen belegen würde: Heute schaffen 1,5 bis 3 Prozent eines Jahrgangs die Versetzung nicht. Damals blieben 8 Prozent sitzen, bei 500 Schülern in der Sekundarstufe 1 sind das 40 pro Schuljahr. „Wir sprechen über 40 Lebensjahre“, rechnet Herbert Hoß vor – die damals Jahr für Jahr von Zeugniskonferenzen kassiert wurden. „War denn jeder schlecht, der als 14-Jähriger gerade mal nicht die Kurve kriegte?“
Die Idee des Schulzentrums hat sich in den Augen von Herbert Hoß nicht überlebt: „Die Zusammenarbeit war immer gut“, bei Integration, Inklusion und zeitweise auch in den gymnasialen Oberstufen . Aber: „Bauen würde ich heute anders. Schule muss das, was sie erreichen will, durch das Gebäude darstellen.“ Und das tut sie in Kreuztal noch nicht: Freiheit, Großzügigkeit brauchen Platz. „Der hat uns immer gefehlt.“ In diesen Wochen nimmt die Stadt die Planung für eine Erweiterung des Schulzentrums auf. „Ich gucke schon mal, was es an schönen Dingen gibt.“ Als Vorstandsmitglied der westfälisch-lippischen Direktorenvereinigung kommt Herbert Hoß rum.
Die Zukunft? „Ich glaube, dass diese Schulform ihren Bestand haben wird“, sagt Herbert Hoß, „das Gymnasium wird es noch relativ lange geben.“
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