Netphen. Die Wilnsdorferin Zohra Soori-Nurzad ist nach Kabul gereist. In einer Ausstellung zeigt sie Eindrücke vom Leben der Frauen und Kinder dort.


Eine voll verschleierte Frau geht durch die Straßen Kabuls, eingefangen und verfolgt von einer Kamera, die verborgen auf Dächern und Balkonen im Einsatz ist, später auch etwas offener in einem anderen Teil der Stadt. Das Video entstand 2014 und ist unter dem Titel „Die afghanische Frau - Immer in Angst“ als Teil der Ausstellung „Zohra Soori-Nurzad Fotografien“ zu sehen, die jetzt im kleinen Sitzungssaal des Rathauses in Netphen eröffnet wurde. Weitere Stücke sind wie immer auch im Steuerbüro Friedrich nebenan zu betrachten.

Zwei Welten

Zohra Soori-Nurzad hat selbst das Wagnis auf sich genommen, durch die Straßen von Kabul zu laufen, wurde trotz Burka immer wieder von Männern angesprochen und belästigt, am Ende sogar verhaftet, weil es keine Genehmigung für das Filmen gab. „Sie haben mir Prostitution vorgeworfen“, sagt die junge Frau, die seit 1995 im Siegerland lebt, in Wilnsdorf Abitur machte und nach ihrem Lehramtsstudium in Siegen wohnt.

Anlass für den absurd klingenden Vorwurf: Sie hatte sich im Verhörraum die Verschleierung über den Kopf gezogen, „um besser mit den Beamten sprechen zu können. Dabei konnten sie meinen Körper sehen…“ Am Ende durfte sie gehen, sie hatte Glück. Auch danach noch einige Male. Bereut hat sie die Aktionen nicht: „Ich spüre dann einfach, dass ich lebe.“

Die Jahre in Deutschland haben sie geprägt, die Heimat hat die 33-Jährige aber nicht vergessen. Bis die Lage vor einigen Jahren zu gefährlich wurde, ist sie immer wieder zu den Verwandten gefahren, hat fotografiert und gefilmt, Spuren gesucht, von der eigenen Vergangenheit und den Jahren davor. Sie wollte wissen, wie es war in ihrer Heimat vor dem andauernden Krieg, in einer Zeit, da die Menschen vielleicht ärmer waren, aber in vielerlei Hinsicht nicht viel anders aussahen und lebten, wie die in Deutschland.

Examen

Das alles ist Teil dieser Ausstellung, die auf ihre Examensarbeit von 2015 zurückgeht: „Fotografische Blicke auf die Frau in Kabul/Afghanistan – Kritik eines medialen Tabus“. Sie wirft einen kritischen Blick auf die „reale sozialpolitische und kulturelle Situation der Frauen und Kinder in Afghanistan in Vergangenheit und Gegenwart“.

Erste Rückkehr

2010 war Zohra Soori-Nurzad erstmals wieder im Land ihrer Geburt, machte auf der Fahrt zu den Schwiegereltern eine ganze Serie von Fotos aus einem Taxi. Ein Teil davon ist zu sehen, dazu gibt es einen Audiomitschnitt aus dem Wagen. Ein Jahr später begann die eigentliche künstlerische Verarbeitung, mit dem Bild „Hope for a better future“, das trostlose weiße Gebäude zeigt, fast schwarzweiß, in deren Mitte bunte Luftballons aufsteigen. „Keine Montage“, bekräftigt die Künstlerin und erzählt von den Kindern, die schon am Morgen die Musik der Händler mit Eis und eben diesen Ballons hören und erwartungsvoll aus den Häusern laufen. Gegenüber sind Porträts von Waisen zu sehen, die betend die Hände vor die Gesichter halten, die vor dem Besuch der jungen Frau „noch nie eine Spiegelreflexkamera gesehen hatten“.

Kindheit

Es gibt den Kindergartenausweis der Künstlerin zu betrachten, den ihre Mutter noch hatte. Eines der wenigen Bilder aus ihrer Kindheit, das überhaupt noch existiert; Fotos ihres Onkels und dessen Architekturkommilitonen von 1984, die zu finden sie sich vorgenommen hat. Zohra Soori-Nurzad zeigt ein Tagebuch aus ihrer Zeit in Afghanistan und ein altes Familienalbum, das in den 30-er Jahren beginnt und dessen Lücken sie mit Fotos von deutschen Flohmärkten aufgefüllt hat. Um zu zeigen, wie wenig unterschiedlich die Menschen in beiden Ländern damals gelebt haben, wie nah sich die Welten einmal waren.

Gegenwart

Sie akzeptiere die Ansicht von Frauen, die sich aus religiösen Gründen verschleierten, sagt die Lehrerin in Elternzeit. Aber das Gesicht müsse frei bleiben, bekräftigt sie. Wenngleich sie zugleich die Burka in Kabul auch als Schutz empfunden habe, fügt sie an. Sie kann sich vorstellen, einmal in der Entwicklungshilfe oder an anderer Stelle für ihre alte Heimat zu arbeiten. „Aber nur hier“, lacht sie. Beim ersten Besuch in Kabul 2010 habe sie der Dreck und Staub entsetzt, „ein ewiger Schleier von den Abgasen und Explosionen, der dort überall liegt und immer wieder hoch gewirbelt wird“. Das wolle sie ihrem Sohn nicht antun, sie sei auch sonst längst viel zu sehr in Deutschland verwurzelt. Und Politik? Vielleicht irgendwann mal die erste Präsidentin eines neuen Afghanistan? „Dafür bin ich nicht hart genug“, lacht die Siegerländerin.

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