Achenbach. . Sozialarbeiterin Ruth Moog will vom Sozialcafé„Net(t)werk“ in Achenbach aus gerade ältere Menschen unterstützen, sich bei Armut Hilfe zu holen.

Schon am 20. des Monats treffe er auf Senioren, denen das Geld fürs Essen ausgegangen ist, sagt Günther Langer, Vorsitzender des Heimat- und Verschönerungsvereins Achenbach. Dessen Gemeinnützige Qualifizierungs- und Weiterbildungsgesellschaft möchte nun mit einem neuen Projekt von Armut bedrohten – oder akut betroffenen – Menschen zu einem würdigeren Leben verhelfen: Mit Hilfe von Sozialarbeiterin Ruth Moog, die zum 1. April ihre Stelle antritt.

Das Problem

Das sozialpädagogische Konzept zielt nicht nur auf ältere Menschen, betont Günther Langer. Es richte sich grundsätzlich an alle Altersgruppen. Gerade bei älteren Leuten sei aber häufig ein spezielles Phänomen zu beobachten, das ihnen die Anspruchnahme von Hilfe enorm erschwert: „Falsche Scham“, sagt der Vereinsvorsitzende. „Viele trauen sich einfach nicht. Die sagen ,Ich hab noch nie etwas vom Staat bekommen’. Das ist der falsche Ansatz, das wollen wir durchbrechen.“ Manche scheitern auch an den Antragsformularen. doch auch hier sei zu beobachten, dass „Senioren sagen ganz selten sagen: Ich brauche Hilfe“.

Der Lösungsansatz

Zusätzlicher Faktor: Vereinsamung

Armut sei nur eines der Probleme, von dem viele ältere Menschen betroffen sind, stellt der Heimatverein Achenbach fest. Ein weiteres: Einsamkeit.

Familienverbünde blieben immer seltener vor Ort vereint, sagt Günther Langer – Eltern und Großeltern blieben dann in der Heimat allein zurück.

Der Heimatverein möchte die Vorzeichen verändern. In der Achenbacher Straße 115 wurden 2006/2007 das Sozialkaufhaus und das Sozialcafé „Net(t)werk“ eingerichtet. Mehrere vor Ort ansässige Träger arbeiteten zusammen, Mittel gab es aus einem Programm des Europäischen Sozialfonds. Täglich gibt es dort günstiges Frühstück und Mittagessen, nach Vereinsangaben nutzten das Angebot zwischen 50 und 80 Menschen pro Tag. Dabei geht es aber nicht nur um die Mahlzeiten, sondern vor allem um die Begegnung, um soziale Kontakte. Wenn sich in solchen Gespräche Hinweise auf finanzielle Probleme oder sogar Notlagen ergeben, kann das Team Hilfe anbieten. Die Scham-Problematik wird also durch eine Umkehrung umgangen: Die Betroffenen müssen nicht kommen und gezielt um etwas bitten – vielmehr wird ihnen die Hilfe angeboten.

Der Sozialraum

Das Angebot richtet sich aufgrund seiner Verortung primär an den Bereich Heidenberg, Achenbach, Fischbacherberg; also Quartiere, die im Sozialmonitoring eine Häufung von Armuts- und Vereinsamungsproblematik aufweisen. Allerdings, so betont Günter Langer, werde auch niemand weggeschickt, der aus anderen Stadtteilen den Weg ins Sozialcafé findet.

Die Umsetzung

Ruth Moog hat an der Uni Siegen studiert, Schwerpunktthemen waren Beratung, Seniorenarbeit und Umgang mit Armut. Die 25-Jährige wird zunächst vor allem im „Net(t)werk“ präsent sein, mit den Gästen ins Gespräch kommen, zuhören, Vertrauen aufbauen. Später wird sie die Betroffenen auf Wunsch auch zu Hause aufsuchen. Es geht vor allem darum, „die Menschen zu beraten und ihnen ihre Möglichkeiten aufzuzeigen“. Viele seien sich nicht bewusst, dass sie Wohngeld oder Grundsicherung beantragen können, oder eine Befreiung von der Zuzahlung zu Medikamenten. Ruth Moog wird auch beim Ausfüllen der Anträge helfen – wobei dafür auch noch weitere Mitarbeiter Hilfe anbieten.

Die Finanzierung

Die Stadt stellt über ihr 2018 aufgelegtes Programm zur „Förderung von Angeboten zur Verbesserung der Lebenssituation armutsgefährdeter und bedürftiger Menschen in Siegen“ im Haushalt 2019 insgesamt 100.000 Euro zur Verfügung – allerdings für mehrere Projekte, wie Sozialdezernent André Schmidt erläutert. Im vergangenen Jahr wurden für den Achenbacher Beitrag rund 14.000 Euro bereit gestellt. Über das Programm wird jährlich entschieden. „Wir werden erst einmal schauen, wie es angenommen wird“, sagt Günther Langer. Der Bedarf bestehe aber auf jeden Fall.

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