Müssen die Bürger in Zukunft drei mal so lange auf den Notarzt warten? Der Ausschuss steht dem Rettungsdienstbedarfsplan kritisch gegenüber.

Der Entwurf des Rettungsdienstbedarfsplans des Kreises Siegen-Wittgenstein trifft auch weiterhin in Netphen auf Kritik. Der Plan sieht vor, dass die Rettungswache aus Netphen nach Deuz verlegt wird. Ein Krankentransportwagen wird abgezogen, ebenso das Notarztfahrzeug. Eine Verbesserung ist die Stationierung eines zusätzlichen Rettungswagens in der Zeit von 7 bis 19 Uhr (außer samstags). Auf Antrag der SPD stellten Landrat Andreas Müller und Thomas Tremmel, Leiter des Amtes für Brand- und Bevölkerungsschutz des Kreises, am Dienstag, 19. März 2019, im Hauptausschuss den Bedarfsplan im Detail vor.

„Die Nähe schafft erst die schnelle Hilfe“, sagt Bürgermeister Paul Wagener. Die Frage sei, wie der Bedarfsplan in der Realität umgesetzt werden könne. Aktuell wird der Notarzt bei einem Einsatz zu Hause oder in seiner Praxis abgeholt, in Zukunft soll dieser an einer Rettungswache, entweder in Siegen oder in Freudenberg, stationiert werden. „Bei dem so gepriesenen Systemwechsel soll der Vorteil sein, dass der Notarzt aus Siegen gleich im Auto sitzt. Allerdings könnte der Notarzt erst nach 20 Minuten oder später beim Patienten sein“, sagt Alfred Oehm von der CDU-Fraktion, „Alleine 20 Minuten bedeuten für Kreuztal und Netphen die zwei- bis dreifache Wartezeit auf den Notarzt als bisher.“ Landrat Andreas Müller weist darauf hin, dass die Entscheidung über die Notärzte erst in circa vier Jahren ansteht. Vorher werde erneut geprüft, ob die Planung noch einmal geändert werden müsse.

Verschlechterung ausschließen

Helga Rock (Grüne) sieht gerade in der durch die Digitalisierung geprägten Welt die Notwendigkeit, den Bedarfsplan zu überarbeiten. Dennoch blickt sie skeptisch in die Zukunft. „Es muss eine Möglichkeit geben, dass man nach einigen Jahren das System hinterfragen oder stoppen kann“, fordert Helga Rock und weist auf den Notarztmangel hin: „Die Verfügbarkeit von Notärzten kann sich in der Zukunft gravierend verändern.“ Die Möglichkeit der Überprüfung sei gegeben, so Landrat Müller. „Wir schauen vierteljährlich, ob es mögliche Änderungen im Bedarfsplan gibt.“

Die Botschaft aus dem Kreishaus kommt an. Dennoch bleibt im Hauptausschuss die Sorge, der Rettungsdienstbedarfsplan verschlechtere die Situation vor Ort. Ulrich Müller (SPD) hat Angst, dass das neue System den von den Planern so genannten „Erreichungsgrad“ des Rettungsdienstes in anderen Städten verbessere – allerdings auf Kosten von Netphen. Aktuell schafft der Rettungsdienst in Netphen immerhin 87 Prozent, berichtet Thomas Tremmel.

„Die theoretischen Punkte sind zwar wissenschaftlich bewiesen, allerdings zeigt die Praxis, dass die notärztliche Versorgung zu schlecht besetzt ist“, sagt Alfred Oehm. Bürgermeister Paul Wagener ergänzt: „Die Frage ist, ob diese Ergebnisse für die zukünftige Praxis noch stimmen. Man sollte parallele Einsätze testen. Bisher sind es nur unbewiesene Behauptungen.“