Hainchen. Anliegerbeiträge ärgern die Bürger. Sie fordern die Abschaffung des Kommunalabgabengesetzes: „Macht endlich, was in unserem Interesse ist.“

Das Thema „KAG“ zieht. Das wird schon bei der Anfahrt zur Grundschulturnhalle in Hainchen deutlich, wo ein Ordnungsdienst eingesetzt ist und Mühe hat, allen interessierten Autofahrern einen Parkplatz anzuweisen. In der Halle sind rund 200 Stühle gestellt worden. Trotzdem müssen hinten sogar einige stehen. Und die halten das zwei Stunden durch, in denen eines überdeutlich wird. Die Bürger sind wütend und wissen auch sehr gut, ihren Zorn zu artikulieren.

Der Anlass

„Straßenbaubeiträge nach KAG - Wer soll das bezahlen?“, unter diesem Motto hat die Anliegergemeinschaft Kampenstraße – Meisenweg eingeladen. Beide Straßen wurden im Jahr 2018 ausgebaut. Gekommen sind neben vielen Netphener Bürgern Vertreter ähnlicher Bürgerinitiativen, aus dem Wittgensteinschen, aus Freudenberg und aus Würgendorf.

Auf der Bühne stehen Samir Schneider, Vorsitzender des SPD-Stadtverbands Bad Laasphe, und Markus Berkenkopf vom Bund der Steuerzahler. Gemeinsam kämpfen sie für die völlige Abschaffung der Anliegerbeiträge, die auf der Grundlage des Paragrafen 8 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) erhoben werden. Sie werben für eine entsprechende Gesetzesinitiative der SPD im Landtag und machen damit zugleich Front gegen die Absicht von CDU und FDP, das Gesetz lediglich bürgerfreundlicher zu gestalten.

Die Betroffenen

„Wahltag ist Zahltag“, ruft ein Mann zwischendurch in die Runde, nachdem CDU-Landtagsabgeordnete Anke Fuchs-Dreisbach ihre Sicht der Dinge vorgebracht hat. Jens Döhling aus Würgendorf erklärt, nicht politik-, aber parteienverdrossen zu sein: „Macht nicht immer das, was im Sinne der Parteien ist, macht endlich, was in unserem Interesse ist.“ Dafür bekommt er heftigen Beifall.

Am Anfang steht eine Reportage über Betroffene in Wittgenstein Ihre Klagen entsprechen denen vieler Betroffener in anderen Kommunen. „Wir haben gerade gebaut“, erzählt eine junge Frau. Sie habe keine Möglichkeit, einen weiteren Kredit zu bekommen und werde im Falle einer Kostenbeteiligung am Straßenausbau ihr Haus wieder verkaufen müssen. Arbeitslose, junge Familien oder ältere Menschen stünden vor dem Nichts, ist der allgemeine Tenor.

Notfalls gebe es eine Ratenzahlung „mit dem günstigen Zinssatz von sechs Prozent“, lächelt Samir Schneider böse vor dem Hintergrund des aktuellen Leitzinses und fordert eine zeitnahe Lösung. Jahrelang sei auch der Bund der Steuerzahler still geblieben, räumt Markus Berkenkopf ein. Durch die enorme Steigerung der Baupreise in den vergangenen Jahren und die entsprechend höheren Beiträge seien diese den Menschen aber nicht mehr zuzumuten. Zudem habe jeder Ort noch eine eigene Satzung. In Netphen liege die Beteiligung mit 50 Prozent sogar noch im unteren Bereich. Bei der jetzigen Regelung könnten im schlimmsten Fall bis zu 250.000 Euro für ein Grundstück anfallen. „Dafür bekommen sie zwei neue“, wird gerufen.

Die Politik

„Wir sind natürlich parteipolitisch neutral. Die SPD hat sich dem nur angeschlossen“, betont Markus Berkenkopf für den Bund der Steuerzahler. Samir Schneider projiziert die gesamte Präsentation mit SPD-Logo und nimmt den Vorschlag der Düsseldorfer Regierungsparteien auseinander. Das schafft klare Fronten im Saal, gegen die Anke Fuchs-Dreisbach und auch der Netphener CDU-Vorsitzende Benedikt Büdenbender kaum ankommen. Büdenbender wundert sich, dass die SPD in ihrer Regierungszeit nie auf die Idee einer Abschaffung gekommen sei. Bürgermeister Paul Wagener warnt, dass die Entscheidungen über künftige Maßnahmen nicht mehr im Rat fielen, wenn das Geld nicht mehr kommunal erhoben werde.

Annette Scholl (SPD) hat vorsichtig argumentiert, dass sie als Ratsmitglied natürlich schauen müsse, wie die Stadt an die Mittel kommt, ohne Verluste zu machen. Markus Berkenkopf nimmt Bürgermeister und Ratsvertreter in Schutz, die sich an Recht und Gesetz halten müssten. Er lobt die einstimmige Resolution des Bad Berleburger Rats an die Landesregierung, eine Lösung im Sinne der Bürger zu finden. Bislang 366.000 Unterschriften unter die Volksinitiative sprächen eine eigene Sprache. Im Foyer sind weitere Bögen für jede Kommune ausgelegt. Sie werden auch an diesem Abend fleißig ausgefüllt.